Transrapid-Projekt in München:Die Zauberformel wirkt nicht mehr

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Warum der Magnetschwebezug so vehemente Fürsprecher im Deutschen Bundestag hat - und die Zahl der Zweifler dennoch wächst.

Michael Bauchmüller

"Vielleicht", sagt Markus Manß, "ist immer ein dummes, ein einschränkendes Wort." Jetzt benutzt er es trotzdem: "Vielleicht veranstalten wir Anfang November wieder einen parlamentarischen Abend."

Transrapid in Kasseler Werkshalle: "Die Skeptiker sitzen in allen Fraktionen." (Foto: Foto: ddp)

Vielleicht auch nicht. Manß ist Mitarbeiter des einstigen Bundesfinanzministers Hans Eichel (SPD) und der wiederum seit Herbst 2006 Vorsitzender des 60-köpfigen "Parlamentarischen Gesprächskreises Transrapid".

Seit 2003 macht der Zirkel Transrapid-PR im Parlament, der Abend Anfang November wäre nur einer von vielen, um Abgeordnete für die Magnetbahn zu begeistern. Vielleicht.

"Wenn München nicht kommt, weiß ich nicht, ob noch ein parlamentarischer Abend nötig sein wird." Dann ist es womöglich vorbei mit dem Transrapid in Deutschland, die Entscheidung fällt bald.

Es ist ein kleines Grüppchen von Abgeordneten, das im Bundestag für den Transrapid kämpft. Meist vertreten sie einen Wahlkreis, der irgendwie an dem Projekt hängt. Hans Eichel etwa kämpft seiner Heimatstadt Kassel zuliebe. Dort, am Henschelplatz 1, sitzt ein Ableger von ThyssenKrupp, der den Transrapid baut. Ein Durchbruch in München bedeutet in Eichels Heimat 170 sichere Jobs - und nach fester Überzeugung der Magnetbahn-Freunde auch viele Exportaufträge für die nächsten Jahre und Jahrzehnte.

Der Transrapid hat im Parlament schon bessere Zeiten erlebt. In den neunziger Jahren erfreute sich die geplante Strecke von Berlin nach Hamburg großer Beliebtheit. Das änderte sich erst, als Experten Umwelt- und Wirtschaftlichkeitsbedenken vortrugen, die Regierung stoppte das Projekt. Für das Parlament hätte die Route unschätzbare Vorteile gehabt.

Sie hätte die zwei größten Städte des Landes verbunden, hätte die Wiedervereinigung symbolisiert, und manche Wahlkämpfer träumten von einem Abzweig nach Nordrhein-Westfalen samt Zwischenstopp im Wahlkreis. All das fehlt jetzt - es geht nur noch um München und 37 Kilometer zwischen Airport und Hauptbahnhof.

Bartholomäus Kalb hält inne. Gerade noch frohlockte der CSU-Parlamentarier über die Vorzüge der Magnetbahn, über deutsche Technologie, über Märkte in aller Welt, jetzt macht er eine Pause: "Umso länger sich die Sache hinzieht, umso mehr fassen Skeptiker und Kritiker wieder Fuß." Auch Kalb treibt das Projekt im "parlamentarischen Gesprächskreis" an, auch er hat örtliche Interessen.

Sein Wahlkreis Deggendorf liegt in direkter Verlängerung der Transrapid-Strecke, nicht allzu weit vom Flughafen München, der ja mit dem Milliarden-Projekt noch stärker wachsen soll. Aber Kalb weiß auch: "Die Skeptiker sitzen in allen Fraktionen."

Das genau unterscheidet das Thema von den vielen anderen, bei denen sich Pro und Contra weitestgehend an Fraktionsgrenzen halten, und es führt mitunter zu kuriosen Situationen: Vergangene Woche etwa, der SPD-Minister Wolfgang Tiefensee hatte Zugeständnisse abgelehnt, da verkündete der Ex-SPD-Minister Eichel das Gegenteil: Der Transrapid-Zirkel begrüße es "außerordentlich, dass sowohl die bayerische Staatsregierung als auch der Bund ihre Finanzierungsanteile aufgestockt haben". Da war Eichel seiner Zeit weit voraus. Vielleicht: zu weit.

Und so arbeiten sich die Lobbyisten des Betreiber-Konsortiums Transrapid International, von ThyssenKrupp und Siemens durch alle größeren Fraktionen, um den Rückhalt für das Milliardenprojekt zu organisieren. Transrapid-Sprecher Peter Wiegelmann schöpft Hoffnung aus der Vergangenheit. "Wenn man sich auf die Verlässlichkeit der Politik abstützt", sagt er, "dann bin ich sehr optimistisch." Bekenntnisse zum Transrapid habe die Politik doch schon reichlich abgegeben, selbst im Koalitionsvertrag.

Doch mittlerweile sitzen auffällig viele bekennende Zweifler im Berliner Reichstag. Das hat mal technologische, mal finanzielle Gründe. Einmal abgesehen davon, dass sich der Nutzen des Milliardenprojekts im Wesentlichen auf 37,4 Kilometer oder knapp 35 Minuten Zeitersparnis erstreckt, hat die jahrelange Debatte der Schwebetechnologie mehr geschadet als genutzt. Hielten die Parlamentarier den Transrapid in den neunziger Jahren noch für eine astreine Innovation, hat er seither deutlich an Zauber verloren.

Es geht eben nicht mehr um eine Pionierstrecke, seit die Chinesen vor sechs Jahren im Eilverfahren ihre eigene Strecke aufgestellt haben. Entsprechende Argumente wirken deshalb inzwischen etwas bemüht. Werde die Münchner Strecke nicht gebaut, so warnt der Parlamentarier-Zirkel, sei die Technologie aus Deutschland vertrieben Kalb sagt: "Soll das ein deutsches Produkt sein oder ein chinesisches Plagiat?"

Der Geiz ist überall da zuhause, wo kein Transrapid fahren soll

Nur hat das deutsche Produkt eben einen Haken: Es ist recht teuer. Die rot-grüne Vorgängerregierung hatte darüber noch hinweggesehen, sie erhob den Transrapid 2002 zu einem ihrer fünf Investitions-Schwerpunkte. Der Koalitionsvertrag sah " Bundesmittel in einer zugesagten Gesamthöhe bis zu 2,3 Milliarden Euro" vor. Im Gespräch war damals noch neben der Münchner Strecke der sogenannte Metrorapid in Nordrhein-Westfalen. Das Geld dafür wäre dagewesen.

Die Große Koalition ist deutlich knauseriger. Offiziell sind bisher 550 Millionen Euro an Bundesmitteln für das Projekt angesetzt, die Zukunft der Magnetbahn hängt neben dem Anteil aus Bayern derzeit im Wesentlichen an Millionen aus Berlin. Doch im Haushaltsausschuss, dem parlamentarischen Wächter der deutschen Staatsfinanzen, hat ein deutlicher Zuschlag bisher kaum Chancen gehabt.

"Haushalterisch muss man sagen: Nur die 550 Millionen sind drin. Alles andere sind Ankündigungen", sagt der FDP-Politiker Otto Fricke, der dem Ausschuss vorsitzt. Die FDP übrigens fand den Transrapid eigentlich immer ganz gut.

Der Geiz lässt sich, wie der Rückhalt für den Transrapid, regional gut verorten: Er ist überall da zuhause, wo gerade kein Transrapid fahren soll. "Es geht ja nicht gegen den Transrapid", sagt etwa Günter Baaske. "Es geht nur darum, dass da mit Mitteln des Bundes Nahverkehr in Bayern betrieben werden soll."

"Gibt der Bund mehr her, dann machen wir Stunk"

Baaske ist Fraktionsvorsitzender der SPD im brandenburgischen Landtag und hat als solcher in der nächsten Woche seinen großen Auftritt: Dann will er seine Kollegen aus den anderen Bundesländern auf die Anti-Transrapid-Linie einschwören. Sein Argument: Legt der Bund 400 Millionen Euro drauf, kriegen die Länder 400 Millionen weniger - für S-Bahnen, Regionalstrecken, Bahnhöfe. "Der Bund gibt schon genug", sagt Baaske. Gebe er mehr her, "dann machen wir Stunk".

Keine leichte Konstellation für eine Entscheidung, die noch im September fallen soll, aber ohne mehr Bundesmillionen kaum fallen kann. Und die genau deshalb so schwierig ist - schon weil sowohl der Finanzminister als auch der Verkehrsminister wenig Interesse daran haben. Der Finanzminister, weil er ohne Transrapid mindestens 550 Millionen Euro mehr in der Kasse hat, der Verkehrsminister, weil er auf einen Teil der Summe schon ein Auge geworfen haben dürfte: Die Millionen ließen sich ja auch für andere Projekte nutzen.

Mal stellt Tiefensee eine höhere Summe in Aussicht, mal rudert er zurück: Am Ende, so argumentieren Berliner Verkehrspolitiker, hänge doch die Zukunft des Schwebezuges davon ab, wie viel der Freistaat zu zahlen bereit ist - und der sagt dasselbe vom Bund. So wandert der Schwarze Peter Transrapid von einem zum anderen. Ober-Haushälter Fricke formuliert es ganz vornehm: Er sehe, so sagt er, da "eine gewisse Wahrscheinlichkeit für eine Beerdigung erster Klasse".

© SZ vom 1.9.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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