Transitzonen und Einreisezentren:Union gegen SPD: Das sind die Streitpunkte

Transitzonen und Einreisezentren: Wie soll mit ihnen umgegangen werden? Flüchtlinge warten auf der Innbrücke zwischen Braunau und Simbach auf die Einreise nach Deutschland.

Wie soll mit ihnen umgegangen werden? Flüchtlinge warten auf der Innbrücke zwischen Braunau und Simbach auf die Einreise nach Deutschland.

(Foto: AFP)

An diesem Donnerstag unternehmen die drei Parteichefs der großen Koalition einen neuen Versuch, sich auf eine bessere Kontrolle des Flüchtlingszuzugs zu verständigen. Am Sonntag war ein Treffen von Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Sigmar Gabriel (SPD) dazu ohne Ergebnisse zu Ende gegangen. Im Mittelpunkt des Streits zwischen Union und SPD stehen dabei die sogenannten Transitzonen. Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) bemüht sich seit Tagen um einen Kompromiss. Wir beleuchten die wichtigsten Unterschiede - und ihre Auswirkungen.

Von Heribert Prantl

Die Unionsparteien wollen "Transitzonen" einrichten. Die SPD plädiert für "Einreisezentren". Was ist der Unterschied?

Transitzonen sind Flüchtlingslager, die an den Binnengrenzen, also etwa an der Grenze nach Österreich oder Tschechien, eingerichtet werden sollen. Dort sollen die Flüchtlinge, denen man geringe Chancen auf Asyl gibt, festgehalten, schnell überprüft und dann wieder abgeschoben werden. Ein Vorprüfungsverfahren, wer in diese Transitzonen geschickt wird, gibt es nicht; das wird von der Bundespolizei nach Augenschein entschieden: Wer aus Staaten zu kommen scheint, in denen er angeblich auch schon sicher gewesen wäre, wird ins Transitlager verbracht. Es findet also eine Schnell-Sortierung nach dem Aschenputtel-Prinzip statt: die "Guten" ins Erstaufnahmelager, die vermeintlich "Schlechten" ins Transitlager.

Die Einreisezentren, wie die SPD sie will, sind zentrale Registrierstellen für alle Flüchtlinge, also nicht nur für diejenigen, die angeblich keine oder nur wenig Chancen haben. In diesen Einreisezentren sollen alle Flüchtlinge registriert, geprüft und dann sortiert werden - in Flüchtlinge mit guten Aussichten und solche mit schlechten Aussichten. Ohne Registrierung im Einreisezentrum gibt es keine staatlichen Leistungen. Flüchtlinge, die nach Prüfung schlechte Aussichten haben, bleiben im Einreisezentrum, das für sie dann zum Ausreisezentrum wird; die Flüchtlinge mit guten Aussichten kommen in die Erstaufnahmeeinrichtungen.

Der Unterschied zwischen den Transitzonen der CDU/CSU und den Einreisezentren der SPD ist der Zeitpunkt der Sortierung: Die Union sortiert die Flüchtlinge erstmals schon vor jeder rechtlichen Prüfung, die SPD erst nachher.

Ist das der einzige Unterschied?

Nein. In der Transitzone der CDU/CSU ist der Flüchtling eingesperrt. Man vermeidet aber das Wort Haft und verweist darauf, dass der Flüchtling ja das Lager jederzeit verlassen könne - freilich nur in eine Richtung, nämlich dorthin, wo er hergekommen ist. Ein Betreten deutschen Bodens außerhalb des Tansitlagers ist ihm verboten. Wie das Verbot durchgesetzt werden soll (Stacheldraht, Bewacher etc.) , ist offen.

Im Einreisezentrum der SPD gibt es keine haftähnliche Sistierung der Flüchtlinge. Es gibt aber nur im Einreisezentrum Sozialleistungen. Und wer sich der Behandlung und Betreuung im Einreisezentrum entzieht, begibt sich in die Illegalität.

Die CDU/CSU beruft sich als Vorbild für ihre Transitzonen auf das "Flughafenverfahren". Was ist das?

Es handelt sich um ein besonders schnelles und schneidiges Asylverfahren im Transitbereich eines internationalen Flughafens, das mit der Änderung des Asylgrundrechts 1993 eingeführt worden ist. Bei Flüchtlingen, die aus einem sicheren Herkunftsstaat kommend auf einem Flughafen landen, und bei Flüchtlingen, die ohne gültige Pass-Papiere landen, soll, so sagt es das Asylrecht von 1993, vor der Einreise nach Deutschland ein Asylschnellverfahren durchgeführt werden.

Es gilt hier die rechtliche Fiktion der "Noch-Nicht-Einreise", obwohl der Flüchtling faktisch schon eingereist ist. Man lässt ihn im Zwischenraum, im Transit. So umschifft man das Problem, wo denn nun im Flughafenverfahren über die Einreise entschieden wird - vor, auf, oder nach der Grenze. Im Transit wird das Einreiserecht überprüft, das Flüchtlingen aus sicheren Herkunftsländern dann nicht eingeräumt wird.

Das Bundesverfassungsgericht hat dieses Flughafen-Procedere 1996 im Grundsatz (und gegen die Stimmen von drei Richtern) akzeptiert. Es gilt derzeit für die Einreise über eine Außengrenze; der Flughafen gilt als Grenzübergangsstelle für den Außengrenzenverkehr. Mit den Transitzonen soll nun dieses Konzept von den internationalen Flughäfen auf Flüchtlingslager an den Binnengrenzen übertragen werden: Ein "Flughafen" im Sinn des Gesetzes wäre dann quasi überall, wo ein solches Lager existiert.

Ob Transitzonen mit Haft gleichzusetzen sind, ist umstritten

Was bedeutet es, wenn das Procedere des Flughafenverfahrens auf das Verfahren im Transitlager übertragen wird?

Ein Verfahren, das jetzt für relativ wenige Flüchtlinge gilt - jährlich ein paar Hundert in ganz Deutschland - wird zum Massenverfahren. In den Transitlagern an den Binnengrenzen wären jährlich Zehntausende oder gar Hunderttausende Flüchtlinge unterzubringen.

Und wie müssten sie behandelt werden?

Gesetz und Verfassungsgericht sehen für das Flughafenverfahren vor: Innerhalb von zwei Tagen muss über den Asylantrag entschieden werden. Dann kann der Asylbewerber innerhalb von drei Tagen einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz stellen. Vier Tage bleiben ihm zur Begründung dieses Antrags. Binnen 14 Tagen muss dann das Gericht über den Eilantrag entscheiden. In dieser Zeit darf der Flüchtling die Räume des Transitbereich des Flughafens nicht verlassen. Das Verfahren muss also binnen 23 Tagen abgewickelt werden.

Weil das häufig nicht so schnell geht, dürfen die Flüchtlinge dann doch den Transit verlassen und zur weiteren Prüfung nach Deutschland einreisen.

Wird das Bundesverfassungsgericht die Transitzonen akzeptieren?

Es hat das Original-Flughafenverfahren im Jahr 1996 nur unter der Voraussetzung akzeptiert, dass dort genügend geschultes Personal vorhanden ist, das auf die physische und psychische Situation der Flüchtlinge individuell und in angemessener Weise eingehen kann. Und: Menschenwürdige Unterbringung muss gesichert sein.

Handelt es sich beim Festhalten im Transit um Haft?

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte sagt Ja, das Bundesverfassungsgericht Nein. Bei der Karlsruher Entscheidung spielte allerdings der Zeitfaktor eine wesentliche Rolle: Es muss gewährleistet sein, dass die Sache nicht länger als drei Wochen dauert. Wird diese für tragbar gehaltene Zeit überschritten, hätte das Verfassungsgericht erneut zu entscheiden, ob hier nicht doch eine verfassungswidrige Freiheitsentziehung vorliegt.

Ist ein Verfahren in der Transitzone binnen drei Wochen möglich?

Wohl nur dann, wenn man die Regelung über sichere Drittstaaten (also die sogenannte Dublin-Verordnung) rigoros zur Anwendung bringt. Man würde dann auch Flüchtlinge aus Kriegsgebieten ohne Prüfung ihrer Fluchtgründe wieder in den angeblich sicheren Drittstaat abschieben, aus dem sie gekommen sind. Wenn das jeder EU-Staat so macht, landen die Flüchtlinge letztlich wieder dort, wo sie hergekommen sind. Das wäre ein Verstoß gegen das Nichtzurückweisungsprinzip der Genfer Flüchtlingskonvention (Refoulement-Verbot genannt): Es ist die Rückführung von Personen in Staaten untersagt, in denen schwere Menschenrechtsverletzungen drohen.

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