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Trainieren für Olympia - ein chinesisches Wörterbuch:Ein Wort zu China: CHA BU DUO

"Was zum Äußersten getrieben wird, kehrt sich in sein Gegenteil um; was zur höchsten Blüte kommt, muss verfallen", sagen die Chinesen und folgern daraus: Bloß kein Stress im Leben - 's passt scho!

Kai Strittmatter

Passt scho. Lässige Herangehensweise an die Dinge, die hierzulande am ehesten im Bayerischen ihr Pendant findet. Wörtlich heißt cha bu duo "fehlt nicht viel" - eine Feststellung, die in Deutschland für gewöhnlich als Ansporn zum Endspurt empfunden wird und ein letztes In-die-Hände-Spucken zur Folge hat.

In China hingegen erfolgt sie meist als Ausruf von Zufriedenheit, als Schlusspunkt hinter alle Anstrengung.

Philosophisch bereiteten dem Hang der Chinesen zum Fünfe grade sein lassen die entspannt im Weltenstrom treibenden Daoisten den Boden, die tunlichst alles vermieden, was der Natur ihren Stempel hätte aufdrücken können und sich durch eine Abneigung gegen Perfektionismus wie überhaupt gegen Extreme aller Art auszeichneten.

Was zur Blüte kommt, muss verfallen

"Was zum Äußersten getrieben wird, kehrt sich in sein Gegenteil um; was zur höchsten Blüte kommt, muss verfallen", lehrt ein alter Spruch. Das Leben nach dem Chabuduo-Prinzip ist zum einen ein sympathischer Zug.

Zum andern ist es dafür verantwortlich, dass die Wände in neuen Häusern Risse haben und sich mancher Ausländer den Gang zum Zahnarzt hier zweimal überlegt.

Aber wenn wir den Daoisten glauben, dann werkelt ja der deutsche Perfektionismus fleißig an seinem Niedergang. Während das chinesische Volk weiter blinzelnd durch die Weltgeschichte treiben wird wie seit Jahrtausenden und seine Blüte erst noch vor sich hat. Das bayerische natürlich auch.

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