Touristenmord im Jemen:Blutfehde oder Terrorakt?

Monatelang schien es friedlich, jetzt kam es ausgerechnet in einer eher ruhigen Gegend des Jemen zu einer Bluttat: Zwei belgische Touristen wurden ermordet. Ein Bericht von Christian Schreiber, der gerade nahe des Tatorts unterwegs war.

Am Freitag wurden zwei belgische Touristinnen und zwei einheimische Fahrer in der Region Hadramaut im Osten des Landes in ihren Autos erschossen. Ein weiterer Belgier und zwei Jemeniten erlitten Verletzungen. Die Leichen der belgischen Touristinnen wurden am Wochenende in ihre Heimat überführt.

Die Tat kam überraschend: Wenige Tage zuvor hatten wir, eine Gruppe deutscher und österreichischer Journalisten, hier noch Station gemacht. Die Einwohner waren überaus freundlich, niemand machte sich Sorgen um seine Sicherheit, auch nicht spätabends beim Spaziergang durch Sayoun. Aber kurz nachdem wir die Provinzhauptstadt verlassen hatten, ereignete sich nur acht Kilometer entfernt in der Wüste der Vorfall.

Ein islamistischer Hintergrund wurde von offizieller Seite erst ausgeschlossen. Später meldeten Nachrichtenagenturen allerdings, dass Al-Qaida-Kämpfer verhaftet worden seien. Mohammed Baza, Inhaber einer der größten Reiseagenturen des Landes, hatte gestern den ganzen Tag über Kontakt zum jemenitischen Innenministerium. Er schloss einen terroristischen Hintergrund aus: "Bei einem Al-Qaida-Anschlag wird nach unseren Erfahrungen die ganze Gruppe getötet."

Da es sich bei den toten Belgiern um Frauen handelt, seien in der Bevölkerung zudem Gerüchte aufgekommen, man habe sie getötet, weil sie nicht bereit gewesen seien, ein Kopftuch zu tragen.

Keine Reisewarnung des AA

Laut Baza könnte aber auch eine Blutfehde zwischen zwei Stämmen hinter der Tat stecken: "Vermutlich hat einer der getöteten Fahrer 1992 ein Mitglied des anderen Stammes erschossen." Trotz des Vorfalls sind nach Angaben von Baza gestern wieder Ausländer, darunter auch deutsche Touristen, durch das Gebiet gefahren. "Meine Reiseführer haben mich angerufen. Die Leute haben sich sicher gefühlt."

Auch das Auswärtige Amt in Deutschland reagierte auf der Internetseite auf den Vorfall: "Besondere Vorsicht sollte bei Menschenansammlungen, beim Besuch staatlicher Einrichtungen und Lokalitäten mit überwiegend westlichen Besuchern geübt werden." Eine Reisewarnung wurde nicht ausgesprochen.

Der Jemen ist als US-Verbündeter im Kampf gegen den Terror nach dem 11. September häufiges Ziel extremistischer Anschläge. Zuletzt waren im Juli 2007 bei einem Selbstmordanschlag in der Provinz Marib sieben spanische Touristen getötet worden. Hierbei lag nach Angaben der jemenitischen Regierung ein terroristischer Hintergrund vor.

Das Image des Jemen leidet vielmehr unter zahlreichen Entführungen von Touristen. In den vergangenen Jahren wurden etwa 200 Ausländer zeitweise als Geisel genommen, darunter gut zwei Dutzend Deutsche. Prominentestes Opfer war im Dezember 2005 der frühere Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Jürgen Chrobog. Er und seine Familie kamen nach drei Tagen wieder auf freien Fuß. Reisegruppen werden deshalb in gefährdeten Gebieten von Soldaten-Konvois begleitet, die Region Hadramaut gehört allerdings nicht dazu. Unserer Gruppe wurde in der Provinz Marib eine bewaffnete Mannschaft zur Seite gestellt.

Joachim Chwaszcza hat Erfahrungen mit Entführungen. Er ist seit Jahrzehnten Reiseführer im Jemen, tourt momentan mit einer deutschen Gruppe durchs Land. Nach eigener Aussage war er Ende der 80er Jahre Kopf der ersten deutschen Reisegruppe, die im Jemen gekidnappt wurde. Er erklärt die Entführungen mit der jemenitischen Tradition: "Die Stämme haben schon immer Geiseln genommen, um etwas zu erreichen." Damit wollten sie die Regierung erpressen, Angehörige aus der Haft zu entlassen oder Zusagen, etwa für den Bau von Schulen, einzuhalten. Nach einigen Tagen Verhandlung gehe es unblutig zu Ende. "So war es bei uns damals auch." Chwaszcza ist sich sicher: "Es ist bestimmt gefährlicher nach New York zu fahren."

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: