Tourismus:Ein Jahr Fernweh

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Einige beliebte Urlaubsziele wollen erst 2021 wieder Tourismus.

Von David Pfeifer

Es gibt einen Satz des französischen Philosophen Blaise Pascal, der sich immer anbietet, wenn es um Reisen geht: "Das ganze Unglück der Menschen rührt allein daher, dass sie nicht ruhig in einem Zimmer zu bleiben vermögen." Auch diese Lebensweisheit hat eine neue Deutung bekommen, in diesem Jahr, in dem viele Deutsche zu Hause Urlaub machen, sich also nicht mehr so weit aus ihren Zimmern bewegen konnten, wie sie das als Reiseweltmeister gewohnt waren. War ja eigentlich auch ganz schön, im Bayerischen Wald oder an der Nordsee, es muss nicht immer das Mittelmeer sein.

Bald aber könnte es ungemütlicher werden, denn wenn die Saison für die Italien-, Frankreich- und Spanien-Aficionados endet, würde eigentlich die Zeit der "Snow Birds" beginnen, also derjenigen Touristen, die dem Matsch und der Kälte im erkaltenden Europa gerne in warme Länder entfliehen. Florida und Hawaii sind als Teile der USA derzeit sowieso nicht bereisbar. Und nun berichtet die Washington Post , dass Bali bis 2021 dicht bleiben wird. Lieber lässt man gar keine ausländischen Touristen ins Land, als stückweise zu öffnen, dann wieder zu schließen, wenn die Zahlen erneut hochgehen, und damit vollständiges Chaos zu produzieren. Die Autorin der Washington Post empfiehlt Reisenden mit Exotik-Sehnsucht, diesen Winter "ein sehr flexibles Ticket zu buchen".

Bali, das ist nicht nur eine Insel mit Traumstränden und einer so üppigen Vielfalt an Korallen und Fischen, dass einem selbst unter Wasser die Tränen kommen - es ist auch der Ballermann der Australier, zumindest in der Hauptstadt Denpasar. Es geht also nicht um die internationalen Yoga-Touristen, die in Ubud mit Sicherheitsabstand ihre Sonnengrüße machen könnten, sondern um die Sorte Urlauber, die auch aus Mallorca und Kroatien als Superspreader heimkehren. Solange man keine Gesinnungskontrolle einführt, um zwischen Tauch- und Sauf-Touristen zu unterscheiden, erscheinen die Einreiseverbote also ganz sinnvoll. Ähnliches erwägen Thailand, Australien, Neuseeland und Südafrika.

Die Indonesier entdecken auf diese Weise derzeit ihr eigenes Land, so wie die Deutschen sich dieses Jahr eben an der Nordsee auf ihre Handtücher werfen mussten, bevor diese vom Wind davongetragen wurden. Wer täglich vier Stunden im Stau der Hauptstadt Jakarta verbringt, weiß die Ruhe und Schönheit Balis ebenso zu schätzen wie eine Münchnerin oder ein Hamburger. Der Unterschied: In München und Hamburg kommt nun bald der Winter. Die Flächen, die sich die Gaststätten auf der Straße dazunehmen konnten und die mediterranes Flair in deutsche Städte brachten, werden wieder an die Autos verloren gehen. Und die Menschen in Deutschland müssen erneut lernen, ruhig in einem Zimmer zu bleiben.

Vielleicht aber wird das Ganze einen guten Effekt haben, wenn die ferneren Länder nicht mehr mit Billigreisen zu erreichen sind, sondern eine Exotik zurückgewinnen, die sie in den vergangenen Jahrzehnten verloren hatten. Denn man reist ja nicht nur, um von zu Hause weg zu sein, sondern auch für die Erlebnisse, die Erinnerungen und den Erzählwert. Und die könnten in Zukunft wieder kostbarer werden.

© SZ vom 01.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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