Toter Bin Laden:Obama will Leichenfotos "nicht als Trophäe auftischen"

Der CIA-Chef und sein Anti-Terror-Berater waren dafür, doch Barack Obama hat anders entschieden: Der US-Präsident begründet, warum er die Aufnahmen des toten Al-Qaida-Führers Osama bin Laden nicht der Welt präsentieren werde. Eine Veröffentlichung könnte ein nationales Sicherheitsrisiko heraufbeschwören, so der Präsident. Konservative Politiker sehen das anders - und kritisieren Obama.

Barack Obama hat entschieden: Die Welt soll vorerst keine Fotos des toten Al-Qaida-Chefs Osama bin Laden sehen. "Wir wollen dieses Material nicht als Trophäe auftischen", sagte Obama dem Sender CBS. Er wolle auch nicht, dass die Fotos als Propagandamittel missbraucht würden. Eine Veröffentlichung würde ein nationales Sicherheitsrisiko heraufbeschwören.

US-Sondereinheiten hatten Bin Laden am 1. Mai in seinem Haus in Pakistan getötet. Obama sagte nun, Bin Laden sei in den Kopf geschossen worden und das sei auf den Bildern sehr detailgetreu zu sehen. Dass der Terrorpate tot sei, stehe aber außer Frage, versicherte der Präsident. Die USA hätten verschiedene Tests durchgeführt und das Ergebnis sei klar: "Es gibt keinen Zweifel daran, dass wir Osama bin Laden getötet haben. (...) Sie werden Bin Laden auf dieser Erde nicht mehr wandeln sehen."

Unmittelbar danach sei die Leiche des Islamistenführers nach Afghanistan geflogen und später auf hoher See bestattet worden. "Tatsache ist, dass hier jemandem die Gerechtigkeit widerfahren ist, die er verdient hat", sagte der Präsident. "Aber wir müssen das nicht ausgelassen feiern. Auch unter den Mitgliedern der al-Qaida gebe es keinen Zweifel am Tod Bin Ladens. "Und deshalb glauben wir nicht, dass ein Foto da noch einen Unterschied machen würde."

Regierungssprecher Jay Carney sagte, auch Fotos von Bin Ladens Bestattung im Meer würden nicht veröffentlicht. Carney hatte zuvor zu den Leichenbildern erklärt, sie seien "schauerlich" und könnten wie Zündstoff wirken.

Die Veröffentlichung war in der Regierung umstritten. Fürsprecher wie CIA-Chef Leon Panetta wollten der Öffentlichkeit einen eindeutigen Beweis dafür zeigen, dass Bin Laden wirklich tot sei. Obamas Anti-Terror-Berater John Brennan hatte sogar die Veröffentlichung von Videomaterial nicht ausgeschlossen.

Doch der Präsident hat anders entschieden - was ihm Widerspruch einbringt: Kritik an Obamas Entscheidung kam etwa von Angehörigen der Opfer der Anschläge vom 11. September 2001 und auch von US-Politikern. Der republikanische Senator Lindsey Graham nannte die Entscheidung Obamas einen Fehler. Der ganze Zweck des Einsatzes der Soldaten, statt eines Bombenangriffs aus der Luft, sei es doch gewesen, einen unbestreitbaren Beweis für den Tod Bin Ladens zu bekommen, sagte Graham. Dies müsse man der Welt auch zeigen.

Republikanische Abgeordnete fallen auf falsches Leichenfoto herein

Derweil wurde bekannt, dass mehrere republikanische US-Kongressabgeordnete offenbar auf gefälschte Bilder des Terrorpaten hereingefallen waren. Der Republikaner Saxby Chambliss sagte zunächst, er habe Fotos der Leiche gesehen. "Sie sahen so aus, wie Sie es erwarten würden, wenn jemandem in den Kopf geschossen wurde", sagte er. Seine Sprecherin musste wenig später aber klarstellen, dass Chambliss nicht das offizielle Foto der Leiche gesehen habe.

Auch zwei weitere Senatoren, die wie Chambliss dem Ausschuss der Streitkräfte in der Kongresskammer angehören, mussten ihre Aussage, sie hätten das Bild der Leiche von Bin Laden gesehen, revidieren. Die Republikanerin Kelly Ayotte hatte zunächst gesagt, ein anderer Senator habe ihr das Foto gezeigt und ihr erzählt, es zeige den Kopf und den Oberkörper der Terrorchefs. "Wenn man das Bild sieht, erkennt man deutlich seine Züge", sagte sie. In einer Erklärung musste sie später aber einräumen: "Ich weiß nicht, ob es (das Foto) echt war."

Der Republikaner Scott Brown hatte bereits gegenüber mehreren Medien aus seinem Heimatbundesstaat Massachusetts berichtet, er habe offizielle Fotos der Leiche von Bin Laden gesehen. Der Fernsehsender NECN aktualisierte wenig später aber einen Beitrag um die Ergänzung, Browns Büro habe mitgeteilt, dass die Fotos, von denen der Senator gesprochen habe, "nicht echt" seien.

CIA-Direktor Panetta erklärte inzwischen, dass US-Präsident Obama die tödlichen Schüsse nicht live verfolgt hat. Während der entscheidenden 20 bis 25 Minuten sei die Übertragung von Informationen ins Lagezentrum des Weißen Hauses unterbrochen gewesen, sagte Panetta dem TV-Sender PBS. Den Beginn der Kommandoaktion habe Obama in Echtzeit beobachten können. Als die Spezialkräfte aber in das Anwesen eingedrungen seien, "wussten wir nicht wirklich, was passiert", sagte Panetta. "Es gab einige sehr angespannte Momente, als wir auf Informationen gewartet haben."

Unmut in Pakistan

Nach der Erstürmung des Hauses fanden Soldaten der Spezialeinheit in dem Raum, in dem auch Bin Laden war, nach offiziellen Angaben mehrere Waffen. Darunter auch Sturmgewehre vom Typ AK-47. Bin Laden war offenbar darauf vorbereitet, jederzeit und schnell zu fliehen. In seinen Kleidern waren etwa 500 Dollar eingenäht, zudem hatte er Telefonnummern bei sich, so US-Medien.

In Pakistan verlangten Politiker und Journalisten derweil ungewöhnlich harsch Aufklärung über die Hintergründe der Tötung. Während die USA wissen wollen, warum Bin Laden jahrelang in der Stadt Abbottabad leben konnte, fragen viele Pakistaner, warum Regierung, Armee und Geheimdienst von dem spektakulären Einsatz des US-Kommandos überrascht wurden.

Ministerpräsident Yusuf Raza Gilani sagte, Bin Laden sei von den Geheimdiensten der ganzen Welt gesucht worden. "Wenn also jemand betont, die pakistanische Seite habe Fehler gemacht, dann bedeutet das, dass die ganze Welt Fehler gemacht hat."

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