Süddeutsche Zeitung

Toter Bundeswehrsoldat in Afghanistan:Gefahr der Abstumpfung

Die traurige Nachricht, dass deutsche Soldaten sterben mussten, kommt inzwischen regelmäßig aus Afghanistan. Doch die Trauer darf nicht zur Routine werden: Mit jedem Toten muss die Politik den Einsatz besser begründen.

Daniel Brössler

Den Abgeordneten des Bundestages lag am Donnerstag ein Gesetzentwurf vor, der besonderen Gefahren Rechnung trägt - jenen nämlich, denen Angehörige der Bundeswehr in Krisenregionen ausgesetzt sind. Es geht darin zum Beispiel um eine Erhöhung der Entschädigung für Angehörige, wenn ein Soldat stirbt.

Mitten in diese Debatte musste Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg die Nachricht von einem Selbstmordanschlag auf die Bundeswehr im Norden Afghanistans überbringen und einen Toten und sechs Verletzte vermelden. Brutaler können Theorie und Realität im Parlament kaum zusammentreffen.

In grausamer Regelmäßigkeit werden Parlamentarier und Bürger in Deutschland daran erinnert, dass sich ihre Streitkräfte im Kriegseinsatz befinden. Diese Tatsache erzwingt Gesetzesänderungen wie jene, die am Donnerstag debattiert und mit den Stimmen aller Parteien außer der Linken beschlossen wurden.

Sie erzwingt aber auch eine ganz besondere Wachsamkeit von Politik und Öffentlichkeit. Beide müssen sich wappnen gegen Abstumpfung. Der Tod deutscher Soldaten darf nicht deshalb als normal hingenommen werden, weil er immer häufiger zu vermelden ist.

In der Verantwortung stehen jene, die deutsche Soldaten in einen Einsatz geschickt haben, der im äußersten Fall tödlich enden kann. Von Regierung und Parlamentariern dürfen gerade die Angehörigen der Getöteten mehr erwarten als Rituale der Betroffenheit.

Mit jedem Toten muss die Politik überzeugender darlegen, dass sie in Afghanistan immer noch einen Plan verfolgt und die Soldaten dort nicht einem sinnlosen Rückzugsgefecht überlasst.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1009526
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 08.10.2010/mob
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.