Tote Flüchtlinge:Politische Pornografie

Wie man Opfern das letzte nimmt, was sie haben.

Von Sonja Zekri

Eine Familie syrischer Flüchtlinge in Deutschland lässt aus Sizilien Angehörige nach Berlin überführen, die auf dem Weg nach Europa starben. Die Verstorbenen werden auf einem Friedhof beigesetzt, so wie am Dienstag in Berlin. Das ist eine traurige, aber begreifliche und rein private Angelegenheit.

Das "Zentrum für Politische Schönheit" begleitet und inszeniert diese Überführung, um auf die Grausamkeit der europäischen Flüchtlingspolitik hinzuweisen. Am Samstag wollen de Aktivisten weitere Tote vor dem Kanzleramt "abliefern", bis dahin sollen sie "ausgestellt" werden. Vielleicht sind nicht alle echte Leichname, aber einige vielleicht doch. Und das grenzt an politische Pornografie. Die Erklärung klingt gut: Die Ungeheuerlichkeit der vor Europa sterbenden Flüchtlinge, deren Leichen verscharrt werden, erzwingt den kleineren Skandal der Zurschaustellung. Und, ja, anderswo auf der Welt werden Begräbnisse auch zu politischen Demonstrationen.

Nur: Was folgt als nächstes? Lassen sich bald Freiwillige auspeitschen, um gegen die saudische Rechtsprechung zu protestieren? Sehen wir Zehnjährige an Webstühlen, um gegen Kinderarbeit aufzurütteln? Das Zentrum für Politische Schönheit hat drastische, aber kluge Kampagnen unternommen. Diese Aktion jedoch gibt nur vor, die Ohnmacht der Opfer zu verdeutlichen. In Wahrheit nimmt sie ihnen das Letzte, was sie haben.

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