Süddeutsche Zeitung

Tor Mikkel Wara:Krimi um Norwegens Justizminister

  • Norwegens Justizminister Tor Mikkel Wara ist Opfer mehrerer Attacken geworden.
  • Jetzt verdächtigt die Polizei seine Lebensgefährtin, das Auto des rechten Politikers angezündet zu haben.
  • Auf eigenen Wunsch ist Wara vorläufig beurlaubt worden.

Von Kai Strittmatter, Kopenhagen

Die Angriffe auf Heim und Familie des Justizministers Tor Mikkel Wara waren beispiellos für Norwegen und schienen vielen ein Menetekel für die offene Gesellschaft des Landes: Im Dezember sprühte jemand Hakenkreuze und das Wort "Rassist" auf Hauswand und Auto des Ministers (da stand "rasisit" statt "rasist" als sei der Täter des Norwegischen nicht völlig mächtig). Im Januar brannte plötzlich eine der Mülltonnen vor dem Haus. Im Februar fand sich an der Anhängerkupplung befestigt eine Flasche mit brennbarer Flüssigkeit. Anfang März schien eine Briefbombe im Briefkasten zu liegen. Und schließlich die Eskalation in der Nacht zum vergangenen Sonntag: Da stand der vor dem Privathaus geparkte Wagen des Ministers in Flammen.

Drei Monate lang waren die Angriffe Gesprächsthema. Tor Mikkel Wara ist Politiker bei der rechtspopulistischen Fortschrittspartei, aber in deren Reihen zählte er zu den Gemäßigten. Politiker quer durch die politischen Lager stellten sich hinter ihn, so wie auch Ministerpräsidentin Erna Solberg von der Konservativen Partei, die von einer Bedrohung "der offenen und demokratischen Gesellschaft" Norwegens sprach. Natürlich seien ihm die Anschläge unheimlich, sagte Wara nach dem Brandanschlag auf sein Auto, "und ich glaube, dass dies ein Angriff auf die Demokratie ist". Am Montag meldete das Nachrichtenportal Filter Nyheter, Wara und seine Familie hätten zusätzliche Videoüberwachung auf ihrem Grundstück abgelehnt, was sowohl bei der Polizei als auch beim Inlandsnachrichtendienst PST für Frustration gesorgt habe.

Die Lebensgefährtin des Ministers, Laila Anita Bertheussen, schrieb auf ihrer Facebookseite, es gebe schon jetzt genug Kameras auf ihrem Grundstück: "Wenn mein Zuhause jetzt noch mehr überwacht wird, wage ich es kaum mehr, ins Bett zu gehen." Worte, die nach den Ereignissen des Donnerstag in einem völlig neuen Licht erscheinen.

Am späten Donnerstagnachmittag nämlich berief Benedicte Bjørnland, die Chefin des Nachrichtendienstes PST, überraschend eine Pressekonferenz ein und präsentierte der Nation eine Tatverdächtige: Eben jene Laila Anita Bertheussen, die Lebensgefährtin des Ministers selbst. Bertheussen war am Donnerstag um 13 Uhr festgenommen worden. "Wir vermuten, dass die Angeklagte selbst das Feuer gelegt hat und den Eindruck erwecken wollte, der Anschlag sei von einem oder mehreren unbekannten Tätern verübt worden", sagte Benedicte Bjørnland. Es werde nun Anklage erhoben wegen Vortäuschung einer Straftat, darauf steht in Norwegen bis zu einem Jahr Gefängnis. Angaben zur Beweislage oder zu möglichen Motiven machte PST bislang keine.

Wara erfuhr von der Ministerpräsidentin von dem Verdacht

Der Minister selbst - oberster Dienstherr sowohl der Polizei als auch des PST - weilte zu dem Zeitpunkt in einer Parlamentsdebatte über den Brexit und war vor der Festnahme offenbar zu keinem Zeitpunkt über den Verdacht gegen seine Lebensgefährtin informiert worden. Er erfuhr davon erst, als Ministerpräsidentin Solberg ihn in ihr Büro rufen ließ.

"Das ist ein Schock für mich und für die ganze Regierung", sagte Solberg auf einer eilig einberufenen Pressekonferenz. Auf eigenen Wunsch sei Minister Wara vorläufig beurlaubt worden. Es sei "eine Tragödie für ihn und seine Familie". Bislang gibt es offenbar keinen Grund zur Annahme, dass Wara selbst in die möglichen Machenschaften seiner Partnerin verwickelt sein könnte, dennoch durchsuchten Polizisten noch am selben Tag die Wohnungen nicht nur Bertheussens, sondern auch des Ministers, transportierten Computer und Laptops ab. Das Paar lebt seit 24 Jahren zusammen, sie war selbst nie politisch aktiv, die norwegische Presse verortet sie in ihrer Gesinnung noch einmal weit rechts von Minister Wara. Wara hatte sich 1993 zunächst zurückgezogen, weil ihm die Politik seiner Fortschrittspartei damals zu radikal schien.

Die Angeklagte beteuerte über einen Rechtsanwalt ihre Unschuld. Bislang bezieht sich die Anklage nur auf das brennende Auto, aber ihre mögliche Täterschaft soll auch bei früheren Vorfällen untersucht werden. Die norwegische Presse spekuliert derweil über einen Zusammenhang mit einem antirassistischen Theaterstück, welches das Osloer Black Box Theatre im vergangenen November aufgeführt hatte, und in dem Bilder von dem Haus Waras und anderer rechtspopulistischer Politiker gezeigt wurden. Das Paar versuchte damals, gegen das Theater vorzugehen. Bertheussen griff die Theatermacher mehrmals öffentlich scharf an: Ihr Stück sei eine Bedrohung ihres Privatlebens. Wenig später begannen die Angriffe auf ihr Heim.

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Quelle:
SZ vom 16.03.2019/jael
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