Tony Blair: Memoiren:Tränen für Soldaten, Schläge für Brown

Großbritannien wird von einem Großereignis überrollt: Tony Blair hat seine Memoiren veröffentlicht. Die Briten erhoffen sich Antworten auf zwei großen Fragen seiner Amtszeit: Warum Irak? Und wie war das mit Gordon Brown?

Beim Online-Buchhändler war man sich schon vor Verkaufsstart einig: Es werden die erfolgreichsten Memoiren eines Politikers in Großbritannien. Das US-Verlagshaus Random House, eine Tochter des deutschen Bertelsmann-Konzerns, hat das wohl auch erwartet und dem Autor angeblich ein Honorar von fast fünf Millionen Pfund (sechs Millionen Euro) zugesagt.

Tony Blair

Wieder im Rampenlicht: Großbritannien diskutiert über die Memoiren von Tony Blair.

(Foto: AP)

An diesem Mittwoch kommen die Erinnerungen von Tony Blair nun in die Buchläden. Das Werk des langjährigen Premiers und Vaters von New Labour ist 624 Seiten stark und heißt The Journey. Dabei dürfte die meisten Leser weniger Blairs gesamte Reise durchs Leben und die Politik interessieren, als jene zwei Themen, die die Briten bis heute elektrisieren und am Erscheinungstag auch die Schlagzeilen der britischen Presse dominieren: Blairs Entscheidung, an der Seite von US-Präsident George W. Bush in den Irak einzumarschieren - und das zerrüttete Verhältnis des 57-Jährigen zu seinem Nachfolger Gordon Brown.

Blair hat seine Entscheidung stets verteidigt, in den Irakkrieg zu ziehen, obwohl es keine Beweise dafür gab, dass Saddam Hussein Massenvernichtungswaffen besaß. Blair räumt in seinen Memoiren ein, dass er den "Albtraum" nicht vorhergesehen habe, verteidigt seine Entscheidung für den Einmarsch aber unverdrossen. Als Erscheinungstag des Buches hat Blair sicher nicht ganz zufällig den Tag nach dem offiziellen Ende der Kampfhandlungen im Irak gewählt.

Die Daily Mail kann das wenig beeindrucken: "Krokodilstränen - und noch immer keine Entschuldigung". Der Text beginnt mit den Worten: "Tony Blair wird heute die Angehörigen von Opfern des Irakkrieges empören, indem er behauptet, viele Tränen über die Toten vergossen zu haben." Ob die Daily Mail damit recht behält, oder ob Blair manche Briten doch noch von seiner Version der Geschichte überzeugen kann, muss sich zeigen. Sicher aber ist, dass die Memoiren die Diskussion über den Irakkrieg neu entfachen werden.

Die Mehrheit der britischen Zeitungen widmet sich aber dem Verhältnis Blairs zu Brown. "Endlich enthüllt Tony Blair seine Seite des Kleinkriegs", freut sich The Independent. Der Guardian zitiert Blair in seiner Schlagzeile: "Ich wusste, dass Browns Regierung ein Desaster sein wird." Und der Daily Telegraph titelt: "Gorden Brown versuchte, mich zu erpressen."

Viel Diskussionsstoff für die Briten. In seinem ersten Fernsehinterview seit langer Zeit wird Blair an diesem Mittwoch noch der BBC Rede und Antwort stehen - und die Verkaufszahlen seines Buches in die Höhe treiben.

Am 6. September erscheint The Journey in deutscher Fassung.

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