Im Prozess um die Tötung des Afroamerikaners George Floyd fordert die Verteidigung eine Bewährungsstrafe für den verurteilten weißen Ex-Polizisten Derek Chauvin. Zusätzlich solle Chauvin eine Gefängnisstrafe erhalten, die mit der Untersuchungshaft aber bereits verbüßt wäre, hieß es in einem am Mittwoch vom Gericht in Minneapolis veröffentlichten Antrag von Anwalt Eric Nelson.
Die Staatsanwaltschaft fordert dagegen 30 Jahre Haft für Chauvin. Sie begründete dies am Mittwoch mit der besonderen Schwere der Tat, die Richter Peter Cahill bereits im vergangenen Monat anerkannt hat. Die Verkündung des Strafmaßes ist für den 25. Juni geplant.

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Genau ein Jahr ist es nun her, dass ein Polizist in Minneapolis den Schwarzen George Floyd mit einem Würgegriff zu Tode brachte. Ein neues Gesetz, mit dem Polizisten leichter zur Rechenschaft gezogen werden können, steht kurz vor der Verabschiedung.
Anwalt Nelson führte an, dass sein Mandant nicht vorbestraft sei. Der Ex-Polizist habe bis zu seiner Festnahme keine rechtlichen Probleme gehabt. Er habe hart gearbeitet und ein gesetzestreues Leben geführt. Der Jurist begründete die Forderung nach einer Bewährungsstrafe auch damit, dass Polizisten eine kürzere Lebenserwartung hätten und Chauvin im Gefängnis zum Ziel von Angriffen werden könnte.
Die Staatsanwaltschaft argumentierte dagegen, eine lange Haftstrafe würde "die tiefgreifenden Auswirkungen des Verhaltens des Angeklagten auf das Opfer, die Familie des Opfers und die Gemeinde berücksichtigen". Die Geschworenen hatten Chauvin Ende April unter anderem des "Mordes zweiten Grades" schuldig gesprochen, was in deutschem Recht in etwa einem Totschlag in einem besonders schweren Fall entsprechen würde. Weil Richter Cahill die besondere Schwere der Tat bereits anerkannt hat, ist eine geringe Strafe unwahrscheinlich.
Drei weitere Ex-Polizisten warten auf ihr Gerichtsverfahren
Chauvin hatte auf nicht schuldig plädiert. Sein Verteidiger hatte argumentiert, dass die Gewaltanwendung gerechtfertigt gewesen sei, weil sich Floyd der Festnahme widersetzt habe. Zudem vertrat er die Meinung, dass Floyds Tod nicht primär auf Gewalteinwirkung zurückging, sondern vor allem auf bestehende Herzprobleme und Rückstände von Drogen in seinem Blut. Experten der Staatsanwaltschaft hatten diese Argumentation zurückgewiesen.
Floyds gewaltsamer Tod am 25. Mai 2020 bei einem Polizeieinsatz in Minneapolis hatte in den USA Demonstrationen gegen Rassismus und Polizeigewalt ausgelöst. Auf Videos ist dokumentiert, wie Polizisten den Unbewaffneten zu Boden drückten. Chauvin presste dabei sein Knie gut neun Minuten lang auf Floyds Hals, während dieser flehte, ihn atmen zu lassen. Schließlich verlor Floyd das Bewusstsein und starb. Die Beamten hatten ihn wegen des Verdachts festgenommen, mit einem falschen 20-Dollar-Schein bezahlt zu haben.
Neben dem schwerwiegendsten Anklagepunkt, Mord zweiten Grades ohne Vorsatz, befanden die Geschworenen Chauvin zwar auch wegen Mordes dritten Grades und Totschlags zweiten Grades schuldig. Nach geltendem Recht im Bundesstaat Minnesota wird das Strafmaß laut Experten aber nur vom schwerwiegendsten Anklagepunkt abhängen.
Neben Chauvin sind drei weitere am Einsatz gegen Floyd beteiligte Ex-Polizisten angeklagt. Sie werden in einem Verfahren in Minneapolis ab März kommenden Jahres vor Gericht stehen. Ihnen wird Beihilfe zur Last gelegt. Auch ihnen könnten mehrjährige Haftstrafen drohen. Unabhängig von dem Verfahren in Minnesota ist gegen Chauvin auch vor einem Bundesgericht Anklage erhoben worden. Das US-Justizministerium teilte zur Begründung mit, dem Beschuldigten werde vorgeworfen, Floyd vorsätzlich seiner verfassungsmäßigen Rechte beraubt zu haben.