Trauriges hat Jacob Zuma am diesem Montagmorgen den Journalisten bei einer Pressekonferenz zu erklären. Der Zustand seines greisen Amtsvorgängers Nelson Mandela sei nach wie vor kritisch, sagt Südafrikas Präsident, die Krankenhausärzte täten "ihr Möglichstes". Hoffnung auf eine Besserung klang bei Zuma nicht durch: "Wir sollten akzeptieren, dass er alt ist. Wir sollten für ihn beten."
Als er Mandela am Sonntagabend in der Klinik besuchte, habe dieser bereits geschlafen, teilte Zuma mit. Welche Botschaft der Präsident vermitteln will, ist klar. Dort liegt der Mann, den sie "Madiba" nennen, der Freiheitsheld, der Friedensnobelpreisträger, ein Mann, den sie weltweit wie Gandhi verehren und in Südafrika wie einen Heiligen vergöttern. Und er, Jacob Zuma, ist ganz nah dran.
Zuma zeigt diesmal nicht die übliche Show, der bullige Staatschef hat dazugelernt. Noch im April war Zuma mit einem Fernsehteam zu Mandela gezogen. Mandela, der wohl altersdement ist, wurde umlagert von einem lachenden Präsidenten und dessen Anhang. Mit leerem Blick musste der kranke Greis sich zur Schau stellen lassen, ein Zuma-Begleiter zückte gar die Handykamera und rief Mandela "Smile" zu. Mandela sei guten Mutes, meinte Zuma hinterher.
Die Südafrikaner reagierten geschockt. "Herzzerreißend" sei die Schau gewesen, hieß es bei Twitter. "Wie ein Tier im Zoo" hätten Zuma und der African National Congress (ANC) ihn vorgeführt. Mandelas Partei verweigere dem Ex-Präsidenten "sein Recht auf Würde", grollte die Sunday Times.
Es war ein trauriger Höhepunkt einer langen Entwicklung. Je hilfloser Mandela wurde, desto hemmungsloser wird er ausgenutzt - gerade von Zuma. "Du brauchst Mandela an deiner Seite, wenn du eine Schlacht gewinnen willst", sagte der grobschlächtige Politiker einmal.
So schaffte Zuma es, seinen Parteifreund und früheren Präsidenten Thabo Mbeki kaltzustellen und die Macht in der Partei zu erlangen, Korruptionsskandalen und Vergewaltigungsvorwürfen zum Trotz. Auf dem entscheidenden ANC-Konvent 2009, der Zuma zum Präsidentschaftskandidaten kürte, ließ er Mandela auftreten. Der alte Mann trug ein gelbes Zuma-Hemd, das Parteivolk raste vor Begeisterung.
Dabei stellen der aggressive Zuma und der ANC das Gegenbild von Mandelas Vorstellungen dar. Mandela, der Gründer des Post-Apartheid-Südafrikas, demonstrierte stets Gesetzestreue, Zurückhaltung und Integrität. Er forderte innerparteiliche Gegner zum Widerspruch auf und schützte seine Ex-Frau Winnie nicht, als sie wegen Mordes vor Gericht stand. Hautfarbe sollte kein Kriterium mehr sein, Mandela wollte die in Schwarz und Weiß geteilte Nation versöhnen.
ANC ist moralisch verlottert
Von einem nation building dieser Art rückte schon sein direkter Nachfolger Mbeki ab, der von "zwei Nationen" in einem Land sprach und die Gefahren durch Aids herunterspielte. Auf den kalt-arroganten Mbeki folgte der Volkstribun Zuma, der sich rühmte, sich mit einer heißen Dusche nach dem Sex mit einer HIV-positiven Frau geschützt zu haben. Homosexuelle verachtet Zuma (anders als Mandela), von einer gerechteren Verteilung des Reichtums kann keine Rede sein. Korruption und Nepotismus durchziehen Südafrikas Regierung.
Der seit 1994 regierende ANC ist moralisch verlottert. Der Chef der Parteijugend verspricht, für den Parteichef und Präsidenten notfalls "zu töten". Auf Parteitagen muss die Polizei teilweise die verfeindeten Fraktionen voreinander schützen.
Mandela, so hieß es schon vor Jahren, sei über diese Entwicklung sehr betrübt. Aufhalten konnte er sie ebenso wenig wie die Instrumentalisierung seiner Person. An seinem Lebensende passiert Nelson Mandela das, was er bis dahin stets verhindern konnte.
Das Apartheidsregime schaffte es nicht, seinen prominentesten Häftling gegen seinen Willen einzuspannen. Mandela erreichte mit Instinkt und Willenskraft die Wende in Südafrika. Ohnehin wollten alle sich an seiner Seite sehen lassen, auch westliche Politiker wie schon 1990 die damalige britische Premierministerin Maggie Thatcher, die Mandela wenige Jahre zuvor noch als Terroristen bezeichnet hatte.
Mandela ließ es zu, wenn es ihm nutzte. Er wusste nur zu gut, welche Wirkung er hat und setzte sie gezielt ein, um seine Ziele zu erreichen. "Mit Mandela zu werben, hatte einen Preis", schrieb der Politologie Stephan Bierling in einem Beitrag für die SZ, "und den Preis bestimmte Mandela".
Mit dem Alter schwanden Mandelas Abwehrfähigkeiten und seine Popularität wuchs. Prominente Ausländer wie Angela Merkel oder Michelle Obama wollen zu dem Alten, und wohl vor allem: Bilder mit dem Alten. Alle wollen ein Stück Mandela-Glanz.
Treffen in Südafrika:Mandela empfängt die erste schwarze First Lady
Sein Kampf gegen die Apartheid hat Barack Obama inspiriert - nun trifft die Frau des ersten schwarzen US-Präsidenten auf den ersten schwarzen Präsidenten Südafrikas.
Oder Geld. Profit aus dem Namen Mandela schlagen vor allem seine Nachfahren. Die Enkeltöchter Zaziwe und Swati stehen in der Reality-Soap "Being Mandela" vor der Kamera und klagen, dass man von Menschen wie ihnen zu viel erwarte. Andere Familienmitglieder verkaufen "Mandela-Wein", zwei Töchter wollen vor Gericht den Zugang zum Familienbesitz erstreiten und durchsetzen, Kunst mit Mandelas Namen verkaufen.
Enkel Mandla Mandela, der für den ANC im Parlament sitzt, schickt sich an, in die Politik zu gehen. Er sorgte bislang allerdings als Großkotz für Aufsehen, auch Journalisten soll er eingeschüchtert haben. Außerdem macht sich der geschäftstüchtige Mandla offenbar besondere Gedanken um seinen berühmten Großvater: Medienberichten zufolge hat er die TV-Rechte für die Beerdigung für 300.000 Euro verkauft.