Todesstrafen im Jahr 2009:Amnesty: China tötet heimlich

2008 hat Amnesty International mindestens 1718 Hinrichtungen in China dokumentiert. In der aktuellen Statistik fehlt die Volksrepublik - aber nicht, weil Peking auf Todesstrafen verzichtet hat.

Amnesty International wirft der chinesischen Regierung vor, jedes Jahr Tausende Hinrichtungen zu verheimlichen. Die Menschenrechtsorganisation forderte China auf, Todesurteile und Hinrichtungen nicht länger als "Staatsgeheimnis" zu behandeln.

Aus Protest gegen die Informationspolitik Pekings verzichtet die Hilfsorganisation erstmals in seiner Geschichte in der Todesstrafen-Statistik für das Jahr 2009 auf die Erhebung weltweiter Zahlen - und weigert sich, China aufzulisten. Im Jahr davor hatte Amnesty für die Volksrepublik mindestens 1718 Hinrichtungen dokumentiert, was mehr als 70 Prozent der weltweit vollstreckten Todesurteile bedeutete. Der Menschenrechtsorganisation zufolge lag die Dunkelziffer aber vermutlich "um ein Vielfaches höher".

"Die chinesische Regierung behauptet, dass immer weniger Hinrichtungen stattfinden. Wenn das stimmt, warum verheimlichen die Behörden, wie viele Menschen zum Tode verurteilt und hingerichtet wurden?", sagte der zuständige Amnesty-Experte Oliver Hendrich. "Warum hütet Peking die Zahlen wie ein Staatsgeheimnis?"

Weltweit mehr als 700 Hinrichtungen

Die öffentlich zugänglichen Zahlen erfassten nicht das wahre Ausmaß der Todesstrafe in China. Amnesty International geht davon aus, dass 2009 in China Tausende Menschen heimlich zum Tode verurteilt und hingerichtet wurden. Die Schätzungen anderer Menschenrechtler reichen für China bis zu 10.000 Hinrichtungen pro Jahr. "China hat mehr Menschen hingerichtet als alle anderen Staaten der Welt zusammen", erklärte Amnesty.

In ihrem jüngsten Bericht zur Todesstrafe listet die Menschenrechtsorganisation für 2009 insgesamt 714 Todesurteile in 18 Ländern auf - die Zahlen für China sind darin nicht enthalten. Die meisten vollstreckten Urteile wurden demnach mit mindestens 388 in Iran registriert, gefolgt vom Irak mit mindestens 120 Hinrichtungen. In Saudi-Arabien starben 69 Menschen nach einem Todesurteil und in den USA waren es 52.

Todesstrafe für Minderjährige in Iran und Saudi-Arabien

Iran und Saudi-Arabien seien die einzigen Länder, die sogar Minderjährige hinrichteten, heißt es in dem Amnesty-Bericht. Ferner ist darin dokumentiert, dass Staaten wie China, Iran und Sudan die Todesstrafe oft zu politischen Zwecken einsetzten, etwa um Oppositionelle zum Schweigen zu bringen.

Besonders häufig seien Todesurteile nach den Erkenntnissen von Amnesty International nach grob unfairen Verfahren verhängt worden. So waren überdurchschnittlich häufig Arme sowie Angehörige ethnischer, nationaler oder religiöser Minderheiten betroffen.

Nichtsdestotrotz dauert der Trend zur Abschaffung der Todesstrafe den Angaben zufolge an: 139 Staaten haben die Todesstrafe im Gesetz oder in der Praxis abgeschafft - zuletzt Burundi und Togo für alle Verbrechen. "Weniger Länder als je zuvor vollstrecken die Todesstrafe", erklärte Amnesty-Experte Hendrich. Die Welt schaffe diese "Schande der Menschheit" zunehmend ab.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: