Todesstrafe:Weniger Menschen hingerichtet, mehr zum Tode verurteilt

Demonstration gegen Todesstrafe im Iran

Iraner protestieren in Berlin gegen die Anwendung der Todesstrafe in ihrem Heimatland.

(Foto: dpa)

Die Zahl der Exekutionen sank 2016. Doch Amnesty International kritisiert die Ausweitung der Todesstrafe auf Delikte wie Beleidigung.

Von Olivia Kortas

Sina Deghan teilte seine Meinung in einem sozialen Netzwerk. Und erhielt dafür das Todesurteil. Sein Vergehen: "Beleidigung des Propheten des Islams." Die Kommentare des damals 19-jährigen Iraners kritisierten den Koran und den Islam. Anfang Januar 2017 entschied Irans höchstes Gericht, dass Deghan deshalb sterben muss.

Nach Islamischem Gesetz kann die Beleidigung des Propheten zwar mit dem Tod bestraft werden. Doch vermindert sich die Strafe auf 74 Peitschenhiebe, wenn der Beschuldigte beteuert, die Tat sei ein Fehler gewesen oder im Affekt geschehen. Sina Deghan hätte Reue gezeigt, berichtete eine iranische Menschenrechtsorganisation. Ein milderes Urteil erhielt er dennoch nicht.

Der Iran exekutierte im vergangenen Jahr 567 Menschen und führte damit die meisten registrierten Hinrichtungen durch. Das geht aus dem jährlichen Bericht zur Todesstrafe von Amnesty International hervor. Weniger Hinrichtungen, aber mehr Todesurteile heißt die Bilanz der Menschenrechtsorganisation. Amnesty International registrierte 2016 weltweit knapp über 1000 Hinrichtungen, 2015 waren es etwa 1600.

Während die Zahl der Hinrichtungen sank, stieg die Zahl der Todesurteile von knapp 2000 im Jahr 2015 auf über 3100 im Jahr 2016. Zwölf Länder verhängten deutlich mehr Todesstrafen als zuvor, allen voran Nigeria.

China exekutiert vermutlich mehr Menschen als alle anderen Länder zusammen

Die Zahlen lassen China außen vor. Amnesty International schätzt, das Land habe mehr Menschen hingerichtet als alle anderen Staaten zusammen. Die chinesische Regierung behandelt Angaben zur Todesstrafe als Staatsgeheimnis, öffentliche Zahlen existieren nicht. "Auch Länder wie Vietnam und Nordkorea schotten sich ab und geben ihre Zahlen nicht frei", sagt Alexander Bojčević, Experte für die Todesstrafe bei Amnesty International in Deutschland. China ausgenommen verantworten vier Länder - Iran, Saudi-Arabien, Irak und Pakistan - knapp 90 Prozent der gezählten Hinrichtungen.

Der zum Tode verurteilte Iraner Sina Deghan ist kein Einzelfall. Im Iran, in Saudi-Arabien und in Pakistan werden Menschen wegen Blasphemie und Beleidigung des Propheten, wegen Spionage, Entführung, Vergewaltigung und Verbrechen gegen den Staat exekutiert. "Es ist völkerrechtlich verboten, Menschen wegen solcher Delikte zum Tode zu verurteilen", sagt Bojčević, "Einige Staaten haben die Todesstrafe in diesem Bereich ausgeweitet. Das war ein Rückschritt. In Bangladesch etwa droht einem seit 2016 das Todesurteil, wenn man eine Meuterei schweigend hinnimmt."

Ein weiterer Rückschritt seien laut dem Bericht Prozesse, die nicht den internationalen Rechtsstandards entsprechen. Geständnisse würden in einigen Staaten erpresst, zum Beispiel im Iran. Auch Sina Deghan gestand die Tat einer iranischen Menschenrechtsorganisation zufolge nur, weil ihm versprochen worden sei, er käme nach einem Geständnis frei. Jetzt wartet er auf seine Hinrichtung.

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