Todesstrafe in den USA: Erschießt mich!

Kurz nach Mitternacht wird Ronnie Lee Gardner mit einer Kapuze über dem Gesicht auf diesen Stuhl gefesselt, kurz danach sollen sich vier Kugeln in sein Herz bohren. Eine Hinrichtung durch ein Erschießungskommando - in Utah ist das noch immer möglich.

Barbara Vorsamer

Sein letztes Mahl hat Ronnie Lee Gardner bereits eingenommen. Es gab Steak und Hummerschwänze und zum Nachtisch Apfelkuchen mit Vanilleeis. Aus spirituellen Gründen will er nun 48 Stunden fasten, bevor er sich von einem fünfköpfigen Erschießungskommando umbringen lässt. Gardner ist seit 25 Jahren Gefangener im Todestrakt des Bundesstaates Utah. Obwohl Zweifel am Urteil bestehen, wird er am Freitag hingerichtet. Die Methode hat er sich selbst ausgesucht.

US-Häftling vor Exekution durch Erschießen

Auf diesem Stuhl wird Ronnie Lee Gardner festgebunden, bevor er erschossen wird.

(Foto: dpa)

Tod durch Erschießen war jahrhundertelang neben Erhängen die bevorzugte Methode der Hinrichtung, besonders beim Militär. Nachdem die Todesstrafe in den USA 1976 wieder eingeführt wurde, ließ sich der erste Hinzurichtende, Gary Mark Gilmore in Utah, ebenfalls erschießen. Seine letzten Worte waren: "Los geht's."

Inzwischen haben Giftspritze und elektrischer Stuhl die Erschießungskommandos in den USA abgelöst. Ronnie Lee Gardners Hinrichtung wäre die erste Hinrichtung mit Gewehren seit 14 Jahren.

Der Ablauf steht fest: Kurz nach Mitternacht am Freitag wird der Gefangene, bekleidet mit einem Overall, in die Hinrichtungszelle geführt und dort an einem Stuhl festgebunden. Sein Gesicht ist von einer Kapuze bedeckt, eine Zielscheibe kennzeichnet sein Herz. Das aus fünf Personen bestehende Erschießungskommando richtet die Gewehre auf den Häftling. Gardner spricht seine letzten Worte - dann feuern alle fünf auf Kommando auf sein Herz. Nur vier der Gewehre sind mit scharfer Munition geladen, damit die Schützen nicht wissen, wer von ihnen einen tödlichen Schuss abgegeben hat. Sandsäcke fangen das Blut ab.

Blutig und brutal wirkt diese Methode im Vergleich zur klinisch-sauberen Angelegenheit der Giftspritze. Doch sie entspricht dem biblischen "Auge um Auge, Zahn um Zahn"-Prinzip und dem Kodex des amerikanischen - wilden - Westens, der im konservativen Utah noch nicht vergessen ist. Rache und Vergeltung sind für 37 Prozent aller US-Bürger der Grund, warum sie Befürworter der Todesstrafe sind.

Utah will brutales Image loswerden

Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International haben dafür wenig Verständnis und nutzen die Aufmerksamkeit, die eine Erschießung mit sich bringt, für Plädoyers gegen die Todesstrafe. Vor dem Gefängnis, in dessen Todestrakt Ronnie Lee Gardner sitzt, werden Demonstrationen erwartet, zahlreiche internationale Medien wollen von der Hinrichtung am Freitag berichten.

So war es schon bei der letzten Hinrichtung durch Gewehre in Utah, weswegen sich der Bundesstaat 2004 entschloss, diese Methode abzuschaffen. "Diese Hinrichtungsmethode gibt uns ein brutales Image, die Menschen glauben, wir sind blutrünstige Waffennarren", sagte damals die Abgeordnete Sheryl Allen. Doch Gefangene, die vor 2004 verurteilt worden sind - wie der seit 25 Jahren in der Todeszelle sitzende Gardner - können weiterhin das Erschießungskommando wählen.

Kugeln sind schneller und tödlicher

Gardners Anwalt widersprach in US-Medien dem Vorwurf, sein Mandant wolle sich wegen der Medienaufmerksamkeit erschießen lassen. "Es ist ihm einfach lieber", sagte Andrew Pernes.

Dass es bei Hinrichtungen mit der Giftspritze manchmal zu Komplikationen kommt, ist seit Jahren Argument von Menschenrechtlern gegen diese Hinrichtungsmethode. Auch dauert es bis zu neun Minuten, bis der Tod eintritt und was in diesen neun Minuten mit dem Hingerichteten passiert - ob er beispielsweise Schmerzen erleidet - kann die Medizin nicht hundertprozentig klären. Möglichweise sind dies auch für Ronnie Gardner die Gründe, sich erschießen zu lassen. Er sagte 1996 im Gespräch mit den Desert Morning News: "Es ist so viel einfacher."

Obwohl es für den Schwerverbrecher fünf vor zwölf ist, haben manche die Hoffnung auf eine Verschiebung seiner Hinrichtung nicht aufgegeben. Ein Berufungsverfahren am Obersten Gericht der USA läuft, das noch heute seine Hinrichtung kippen könnte. Die Berufung geht auf Zweifel der Jurymitglieder zurück, die Gardner vor 25 Jahren verurteilt haben. Sie sind sich ihrer Entscheidung nicht mehr so sicher und hätten Gardner lieber zu einer lebenslänglichen Haftstrafe verurteilt. Diese Möglichkeit führte Utah allerdings erst 1992, sieben Jahre nach dem Prozess ein.

Es wäre äußerst überraschend, sollte das Oberste Gericht die Hinrichtung im letzten Moment noch stoppen. Sehr viel wahrscheinlicher ist, dass ihn kurz nach Mitternacht vier Kugeln treffen. Binnen einer Minute tritt der Tod ein.

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