Todesstrafe für Metro-Attentäter in Weißrussland:Lukaschenko zeigt sich gnadenlos

Weißrusslands Präsident Lukaschenko will die mutmaßlichen Metro-Attentäter von Minsk hinrichten lassen - obwohl an ihrer Schuld erhebliche Zweifel herrschen. Im Prozess seien "jegliche rechtsstaatliche Prinzipien mit Füßen getreten worden", kritisieren europäische Politiker und Bürgerrechtler. Doch womöglich kommen alle Appelle für eine Begnadigung ohnehin schon zu spät.

Frank Nienhuysen

Es ist ein Drama gewesen: Bei einem Bombenanschlag zur Hauptverkehrszeit in der Metrostation Oktjabrskaja in Minsk, nur etwa hundert Meter von der Residenz des weißrussischen Präsidenten entfernt, starben im April vorigen Jahres 15 Menschen. Hunderte wurden verletzt.

Alexander Lukaschenko

Weißrusslands Präsident Alexander Lukaschenko spricht von einer "erhöhten Gefahr für die Gesellschaft" - und will die verurteilten Metro-Attentäter deshalb nicht begnadigen.

(Foto: dpa)

Staatschef Alexander Lukaschenko, der mit seinem damals sechs Jahre alten Sohn kurz nach der Explosion zum Ort des Anschlags ging, wies den Geheimdienst an, das ganze Land bei der Suche nach den Tätern "auf den Kopf zu stellen". Doch so groß ist der Aufwand dann gar nicht geworden.

Bereits am folgenden Abend nahm die Polizei in Minsk die zwei vermeintlichen Täter fest: Dmitrij Konowalow und Wladislaw Kowaljow. In einem fragwürdigen Prozess wurden die beiden inzwischen 26 Jahre alten Männer zum Tode verurteilt. Eine Begnadigung lehnte Präsident Lukaschenko jetzt ab, zum Entsetzen Europas.

Im weißrussischen Staatsfernsehen sprach Lukaschenko von der "besonderen Schwere des Verbrechens und der erhöhten Gefahr für die Gesellschaft". Weißrussland ist das einzige europäische Land, das die Todesstrafe noch anwendet. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International schätzt, dass in dem autoritär geführten Land in den vergangenen 20 Jahren etwa 400 Menschen hingerichtet worden sind. Zumindest im Fall des Metro-Attentats gibt es jedoch Bedenken, ob die Verurteilten wirklich schuldig sind.

In einem internationalen Aufruf europäischer Abgeordneter, Publizisten und Bürgerrechtler ist von "schwersten Zweifeln" an der Schuld der beiden Männer die Rede. "In diesem Prozess wurden jegliche rechtsstaatliche Prinzipien mit Füßen getreten", heißt es in dem Aufruf, den auch der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning (FDP), der polnische Autor Adam Michnik sowie die deutschen Politiker Ronald Pofalla (CDU) und Uta Zapf (SPD) unterzeichnet haben.

Schreie aus dem Verhörraum

Entlastungszeugen seien zum Schweigen gebracht oder nicht zugelassen worden, und die Geständnisse seien offensichtlich unter Folter erpresst worden. "Anscheinend will das Regime unter Beweis stellen, dass es den Terroranschlag schnell aufklären und Sicherheit herstellen kann", erklären die Unterzeichner. Doch womöglich kommt die Aufforderung, die Todesstrafe nicht zu vollziehen, bereits zu spät. Weißrussische Medien spekulierten, dass die Hinrichtung, in der Regel durch einen Pistolenschuss ins Genick, schon stattgefunden haben könnte.

Die Bundestagsabgeordnete Marieluise Beck (Grüne), die den Appell auch unterzeichnete, hat die Mutter eines der verurteilten Männer nach einem Besuch bei der Parlamentarischen Versammlung des Europarats getroffen und ein Protokoll über das Gespräch erstellt. Demnach habe ihr Sohn während eines mehrstündigen Verhörs aus dem Nachbarraum Schreie seines Freundes Konowalow mitanhören müssen. Dieser unterschrieb schließlich ein Geständnis, widerrief es aber später. Auch ihr Sohn selber sei geschlagen worden.

Die Mutter Kowaljows berichtete Beck, dass ihr Sohn für die Tatzeit sogar ein Alibi gehabt habe und im Prozess derart abwesend gewirkt habe, "als wäre er unter Drogen gesetzt worden". So groß seien zumindest die Zweifel an dem Verfahren, dass die Unterzeichner des Aufrufs Lukaschenko auffordern, den Prozess noch einmal aufzurollen. Doch große Aussicht auf Erfolg dürfte dieser Appell nicht haben.

Weißrusslands Verhältnis zum Westen ist ohnehin seit langem zerrüttet. Gerade erst hat Minsk noch einmal die Repressionen in seinem Land verschärft und Regime-Kritikern die Ausreise verwehrt. Und Moskau, dem engsten Verbündeten der Regierung in Minsk, würde es nicht einfallen, sich in einen umstrittenen Justizfall seines Nachbarn einzumischen. Und doch ist die Furcht des Regimes vor neuen Sanktionen der EU offenbar groß.

In einer Woche werden voraussichtlich alle abgezogenen Botschafter der EU-Staaten nach Minsk zurückkehren. Noch stärker als eine Ausweitung des Visaverbots für weißrussische Funktionäre könnte das Land eine andere Maßnahme treffen. Im Herbst will der Internationale Eishockey-Verband darüber beraten, ob die Eishockey-Weltmeisterschaft 2014 wie geplant in Weißrussland stattfinden soll.

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