Tod von Titos Ehefrau:Jovanka Broz, die eiserne Witwe

Jovanka Broz ist tot

Jovanka Broz, damals Gattin des jugoslawischen Staatschefs Josip Broz Tito, 1970.

(Foto: AFP)

33 Jahre nach ihrem Ehemann ist die Witwe des jugoslawischen Staatsgründers Tito, Jovanka Broz, gestorben. In den 60er und 70er Jahren spielte die frühere Partisanin hinter den Kulissen eine wichtige Rolle. Doch die letzten Jahrzehnte ihres Lebens verbrachte sie in einer Belgrader Bruchbude.

Von Florian Hassel, Belgrad

Die Witwe des jugoslawischen Staatsgründers Josip Broz Tito, Jovanka, ist tot. Die 89-Jährige starb am Sonntag nach in einem Belgrader Krankenhaus. Ende August war sie nach einem leichten Herzinfarkt in die Klinik eingeliefert worden. Ende September erschien in der Süddeutschen Zeitung ein Porträt der 89-Jährigen, das wir mit kleinen Änderungen an dieser Stelle veröffentlichen:

Ein leckes Dach und schimmelnde Tapeten, eine nur in wenigen Zimmern funktionierende Heizung, eine stillgelegte Küche und verrottende Toiletten - das Leben im Haus Nr. 75 an der Aleksandar- Karadordevic-Straße im Belgrader Stadtteil Dedinje ist kein Zuckerschlecken. Gewiss, Tausende armer Serben kennen so miserable Bedingungen aus ihren eigenen Wohnungen. In diesem Haus aber würde man einen besseren Standard erwarten: Seine einst berühmte Bewohnerin war Jovanka Broz, drei Jahrzehnte Frau des jugoslawischen Staats- und Parteipräsidenten Josip Broz, besser bekannt als Tito.

Knapp vier Jahrzehnte ist es her, dass Jovanka Broz in Ungnade fiel und von der öffentlichen Bühne verschwand, die sie jahrzehntelang so glanzvoll und virtuos beherrschte wie wohl keine andere Frau des sozialistischen Lagers. Und 33 Jahre sind seit dem Tod Titos vergangen. Nach ihm starb auch bald die Vision eines friedlichen Vielvölkerstaates Jugoslawien, mieden die Herrscher im nationalistischen Serbien jeden Kontakt mit Symbolen des von ihnen mit zerstörten Jugoslawien. Das galt auch für Jovanka Broz. Seit Titos Tod lebte Broz isoliert und materiell bescheiden. Der Reichtum, in dem sie mit Tito lebte, wurde beschlagnahmt, Kontakt mit Außenstehenden eingeschränkt oder verboten. Der Fall der Jovanka Broz war so tief wie zuvor ihr kometenhafter Aufstieg.

Die junge Jovanka Budisavjlevic, Tochter eines serbischen Bauern aus der zu Kroatien gehörenden Region Lika, ist mit ihren braunen Augen und langen Haaren eine Schönheit - und als Partisanin im 2. Weltkrieg so kaltblütig, dass sie es als Frau zum Hauptmann bringt. Nachdem Tito sich 1944 von seiner zweiten Frau trennt, beschließen seine engsten Mitarbeiter, Schürzenjäger Tito die Auswahl der nächsten Frau zu erleichtern, damit er nicht etwa einem Mädchen der Bourgeosie ins Netz gerate, wie es sein damaliger Vertrauter Milovan Djilas beschreibt. Geheimdienstchef Aleksandar Rankovic kommandiert Jovanka in Titos Haushalt ab. Das Kalkül geht auf. Nach schon längerer Beziehung heiraten die nun 27 Jahre alte Jovanka und Tito 1952 - an seinem 60. Geburtstag.

Luxus mit Palästen und Segelyachten

Jovanka Broz genießt ihre gesellschaftliche Spitzenstellung und den im sozialistischen Lager einmaligen Luxus an Titos Seite, komplett mit Palästen und chinesischen Vasen, Segelyachten, Rolls-Royce und extravaganten Kleidern aus Paris. Mit ihrer Schönheit, Eleganz und strahlendem Lächeln bezirzt Jovanka in Belgrad und bei über 100 Auslandsreisen Titos den englischen Außenminister Anthony Eden ebenso wie Nikita Chruschtschow, Bundeskanzler Willy Brandt oder US-Präsident Jimmy Carter. Ab den 60er Jahren spielt sie hinter den Kulissen auch politisch eine zunehmende Rolle.

In den 70er Jahren beginnt der Machtkampf um Titos Nachfolge. Seine Umgebung beschuldigt Jovanka, Spionin für Moskau zu sein oder einen Militärputsch zu planen. Ein Parteigericht spricht Jovanka zwar frei. Doch Tito, der Jovanka lange innig geliebt hat, zieht in ein anderes Haus, im Sommer 1977 schließt er Jovanka von öffentlichen Auftritten aus. Eine Scheidung aber verweigert er.

Als Tito am 4. Mai 1980 stirbt, darf Jovanka erst zum Begräbnis, nachdem Indiens Premierministerin Indira Ghandi dies zur Bedingung für ihre Teilnahme macht. Auf Jovankas Antrag auf Weiterzahlung von Gehalt oder Rente Titos lügen die Behörden, Tito habe kein Gehalt bezogen. Erst später werden ihr monatlich umgerechnet knapp 1000 Euro zugesprochen. Eine "Lex Jovana" erklärt nicht nur das diamantenbesetzte Messer Stalins und andere Geschenke von Staatsgästen an Tito zu Staatseigentum, sondern auch Titos persönliche Habe, bis zum Inhalt seines Banksafes. Sechs Wochen nach Titos Tod wird Jovanka Broz aus dem Haus geworfen, in dem sie 35 Jahre gewohnt hat, und ihre Habe einschließlich Büchern und Möbeln, Schmuck und Kleidern beschlagnahmt. Die staatseigene Villa, in die sie nun gebracht wird, ist groß, doch heruntergekommen.

Jahrelang steht Jovanka Broz unter einer Art erleichtertem Hausarrest: Ihr ist verboten, ausländische Besucher zu empfangen; andere werden streng kontrolliert. Sowohl das Regime des großserbischen Demagogen Slobodan Milosevic wie seine demokratischen Nachfolger verweigern den Kontakt zu Broz. Nur an Titos Geburts- und Todestag tritt sie öffentlich auf, wenn sie an seinem Grab Blumen niederlegt - das letzte Mal 2005.

Leben in der Anonymität

Danach ging sie kaum noch aus dem Haus, brachten ihre Schwester Nada und andere Verwandte ihr Lebensmittel ins Haus. Jovanka Broz selbst schwieg all diese Jahre über ihre Behandlung. Erst Anfang 2006 veröffentlichten Belgrader Zeitungen einen empörten Brief ihrer Schwester Nada. Die meisten Bürger des ehemaligen Jugoslawien wussten zu diesem Zeitpunkt nicht einmal, dass Jovanka Broz noch lebte, erst recht wussten sie nichts über die schäbige Behandlung der Tito-Witwe. Ein serbischer Minister versprach Abhilfe, doch es geschah fast nichts.

Erst 2009 bekam die damals schon 85 Jahre alte Dame wieder einen Personalausweis und einen Reisepass. Das Haus aber verfiel weiter. "Sie ist ein großer Kämpfer und hat sich nie über ihr Leben beschwert", sagte ihr langjähriger Anwalt Toma Fila der Zeitung Blic. Ganz ohne eigenständigen Eintrag in die Geschichtsbücher wollte Jovanka Broz indes doch nicht bleiben. Anfang 2013 erzählte sie dem Schriftsteller Zarko Jokanovic ihre Erinnerungen. Jokanovic veröffentlichte dazu im Juli ein Sommerfeuilleton und arbeitet nun an den Memoiren der Jovanka Broz.

Ende August kam die inzwischen 89 Jahre alte Dame nach einem leichten Herzinfarkt in ein Belgrader Krankenhaus; ihren Ärzten zufolge litt sie auch an Krebs.

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