Time Warner:Die große Versuchung

Was für Kunden der Mobilfunkfirma AT&T auf den ersten Blick erfreulich aussieht, muss am Ende keineswegs so sein.

Von Claus Hulverscheidt

Für den Kunden klingt das alles nach einer ziemlich schönen neuen Welt: AT&T und Time Warner fusionieren, ein Mobilfunkspezialist übernimmt einen großen Medienkonzern. Wer grandiose Serien wie "The Wire" und "True Detective", Präsidentschaftsdebatten und preisgekrönte Reportagen, die Spiele der besten Basketball- und der attraktivsten Football-Liga der Welt auf dem Smartphone schauen will, wird das künftig viel einfacher und komfortabler tun können.

Doch ob es auf Dauer wirklich gut ist, wenn von der Produktion medialer Inhalte bis zu deren Verteilung an den Endkunden alle Komponenten in einer Hand sind, darf bezweifelt werden. Als sich etwa der Gas-Riese Gazprom einst anschickte, auf dem deutschen Energiemarkt just eine solch dominante Position aufzubauen, war der Widerstand zu Recht groß.

Auch AT&T könnte versucht sein, auf den Smartphones der Mobilfunkkunden die teuer eingekauften Time-Warner-Inhalte gegenüber den Programmen anderer Anbieter technisch oder preislich zu bevorzugen. Vor allem aber könnte durch die geplante Übernahme in den USA eine wahre Konzentrationswelle in Gang kommen, die am Ende tatsächlich die Medienvielfalt bedroht und die Preise in die Höhe treibt. Glücklicherweise haben die Kartellbehörden schon angedeutet, dass sie sich weitere Zusammenschlüsse auf dem Medien-, Mobilfunk- und Onlinemarkt mit sehr kritischem Blick ansehen werden.

© SZ vom 24.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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