Georgien:Regierungspartei zieht geplantes "Agentengesetz" zurück

Lesezeit: 2 Min.

Am Mittwoch gab es in Tiflis wieder Proteste gegen den Gesetzentwurf über die Einführung eines Registers für "ausländische Agenten". Nun zieht die Regierungspartei den Entwurf zurück. (Foto: Mikhail Yegikov/Imago/Itar-Tass)

Ähnlich wie in Russland wollte die georgische Führung Medien und Nichtregierungsorganisationen, die Geld aus dem Ausland erhalten, als ausländische Agenten einstufen. Die Opposition will weiter demonstrieren.

Nach großen Protesten hat Georgien einen umstrittenen Gesetzentwurf über die Einführung eines Registers für "ausländische Agenten" zurückgezogen. Das teilte die Regierungspartei Georgischer Traum in der Hauptstadt Tiflis mit. Die Opposition will trotzdem weiter demonstrieren.

Ähnlich wie in Russland wollte die georgische Führung Medien und Nichtregierungsorganisationen, die Geld aus dem Ausland erhalten, als ausländische Agenten einstufen. Kritiker hatten der Regierung vorgeworfen, das geplante Gesetz sei nach russischem Vorbild ausgearbeitet worden und ebne den Weg für eine autoritäre Ausrichtung Georgiens. Sie sahen damit auch die EU-Perspektive der einstigen Sowjetrepublik in Gefahr. Auch international gab es Kritik.

Alle Nachrichten im Überblick
:SZ am Morgen & Abend Newsletter

Alles, was Sie heute wissen müssen: Die wichtigsten Nachrichten des Tages, zusammengefasst und eingeordnet von der SZ-Redaktion. Hier kostenlos anmelden.

"Wir sehen, dass der Gesetzentwurf zu Meinungsverschiedenheiten in der Gesellschaft geführt hat", teilte die Partei Georgischer Traum nun mit. "In Anbetracht all dessen haben wir (...) beschlossen, die von uns unterstützte Gesetzesvorlage ohne Vorbehalte zurückzuziehen."

Der Oppositionspolitiker Zotne Koberidse erklärte, es brauche "Klarheit, wie genau sie dieses Gesetz zurückziehen wollen". Zudem forderte er die Freilassung von Dutzenden Demonstranten, die in den vergangenen Tagen festgenommen wurden.

Bei den regierungskritischen und proeuropäischen Protesten versammelten sich in den vergangenen Tagen mehrere Tausend Menschen auf den Straßen von Tiflis. Immer wieder ging die Polizei auch mit Gewalt gegen sie vor und setzte Tränengas und Wasserwerfer ein. Es gab auch Festnahmen.

Selenskij dankt Demonstranten in Tiflis für ihre Solidarität

Die Demonstranten schwenkten georgische und ukrainische Fahnen sowie die blaue Sternenflagge der EU. Aus Solidarität mit der von Russland angegriffenen Ukraine sangen die Georgier auch die ukrainische Hymne. Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij dankte in einer Videoansprache den Demonstranten in Tiflis für ihre Solidarität. Bei den späteren Straßenschlachten drängte die Polizei die verbliebenen Demonstranten ab, diese wiederum warfen mit Steinen und Flaschen.

Die kleine Ex-Sowjetrepublik Georgien am Schwarzen Meer mit 3,7 Millionen Einwohnern steht seit Langem unter Druck des großen Nachbarn Russland. Moskau unterstützt auch die abgespaltenen Gebiete Südossetien und Abchasien. Die derzeitige Führung von der Partei Georgischer Traum verfolgt einen eher russlandfreundlichen Kurs. In ihrer Mehrheit wollen die Georgier aber, dass ihr Land Mitglied in EU und Nato wird. Sie befürchten, dass diese Chance durch autoritäre Regeln wie in Moskau zunichtegemacht wird.

In Russland sind zahlreiche unabhängige Medien - aber auch Nichtregierungsorganisationen - als "ausländische Agenten" gebrandmarkt. Die Regelung wird international als politisch motivierte Maßnahme kritisiert, die darauf abzielt, Kremlkritiker zu stigmatisieren und mundtot zu machen. Insbesondere seit Beginn des von Präsident Wladimir Putin vor mehr als einem Jahr angeordneten Angriffskriegs gegen die Ukraine geht Russland im eigenen Land massiv gegen Andersdenkende vor.

© SZ/dpa/mt - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusEin Jahr Ukraine-Krieg
:Russlands Nachbarn gehen auf Abstand

Der Ukraine-Krieg hat auch Folgen für die meisten Staaten in Zentralasien und dem Kaukasus. Sie versuchen, ihre Abhängigkeit von Moskau zu verringern. Die Europäische Union sieht darin eine Chance.

Von Frank Nienhuysen

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: