Tiere in Städten:Aufstand der Affen

Nicht füttern, nicht ansprechen: Das lernen die Japaner jetzt im Zusammenleben mit Makaken.

Von Thomas Hahn, Tokio

Auch am Freitag musste die Stadt Kitakyushu in der japanischen Präfektur Fukuoka ihren Warnhinweis aktualisieren. Denn der Täter war wieder da. Oder die Täterin. Oder um ganz genau zu sein: das Tier, das im Verdacht steht, seit Anfang August für 18 Angriffe auf Anwohner des Bezirks Wakamatsu verantwortlich zu sein. Die Beschreibung passte, aber für Menschen sehen ja viele Affen gleich aus, deshalb waren vorschnelle Urteile nicht angebracht. Sicher ist nur, dass alle Abstand halten sollen, denen ein klein gewachsenes Geschöpf mit braunem Fell begegnet. Wirklich alle. Auf der städtischen Website heißt es: "Wir haben auch einen Bericht über einen Hund erhalten, der von einem Affen angegriffen wurde."

Die Vorkommnisse von Kitakyushu sind eine neue Belastungsprobe für das Verhältnis zwischen Mensch und Affe in Japan. Der Japanmakak oder Schneeaffe ist ein besonderer Bewohner des Inselstaates. Keine andere Primatenart außer dem unvermeidlichen Menschen hat ein nördlicheres Verbreitungsgebiet. Japanmakaken können mit Japans Sommerschwüle umgehen, aber auch mit den kalten Wintern. Sie mögen klare Hierarchien und heiße Quellen. Wie die Japanmenschen. Das Zusammenleben funktioniert deshalb vor allem im Jigokudani-Park in den Bergen von Nagano. Besucher können dort im Winter wilden Affen beim Baden zuschauen.

Aber die Konflikte sind nicht zu übersehen. Japan verzeichnet insgesamt mehr Begegnungen zwischen Mensch und Wildtier als früher. Wissenschaftler vermuten, dass das am demografischen Wandel liegt. Die Bevölkerung in Dörfern und Städten schrumpft. Wildschweine, Schwarzbären und Affen wagen sich auf der Suche nach Futter aus den Bergwäldern näher an Siedlungen heran. Nicht immer geht das gut aus. Der Japanmakak gilt nicht als gefährdete Tierart. "Rund 10 000 Makaken werden jedes Jahr von Bauern getötet, die ihre Ernte und ihre Tiere verteidigen", schreibt die Online-Enzyklopädie Animalia.

Anscheinend verlaufen sich Affen auch. Im Dezember waren Polizei und Passanten der Großstadt Fukuoka in Aufregung, weil ein Japanmakak im Zentrum von Gebäude zu Gebäude sprang, das Dach einer Bushaltestelle passierte und durch das Gebälk eines Parkhauses huschte.

Und nun ist also Kitakyushu mit dieser Serie von Affenbissen beschäftigt. Eine 78-jährige Frau berichtet zum Beispiel, dass sie beim Wäsche-Einholen plötzlich in die Augen eines Affen schaute. "Was machst du?", habe sie gefragt, darauf habe der Affe sie angesprungen, sie gebissen und an ihren Haaren gezogen. Seltsam, findet Noriko Takahashi von Kitakyushus Itozu-no-Mori-Zoo in der Zeitung Mainichi. "Normalerweise nähern sich Affen den Menschen nicht." Sollte wirklich immer der gleiche Affe zubeißen, liege das vielleicht daran, "dass Leute ihm etwas zu essen gegeben haben und er jetzt denkt, er kriegt etwas, wenn er Menschen nahe genug ist".

Die Stadt Kitakyushu hat Warnplakate aufgehängt und mahnt im Internet den richtigen Umgang mit Affen an. Nicht füttern. Nicht erschrecken. Nicht in die Augen schauen. Und: "Nicht ansprechen." Diskussionen mit Japanmakaken bringen ohnehin selten etwas.

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