Tibeter im indischen Exil:In der Ferne wächst die Wut

Trotz der Gewalt setzt der Dalai Lama weiter die Autonomie Tibets innerhalb Chinas. Doch viele Exiltibeter wollen jetzt mehr - die Unabhängigkeit.

Karin Steinberger

Weit gekommen ist er nicht. Die Polizei hat ihn aufgehalten. Er muss trotzdem weitermachen, hat ja sonst nichts mehr, seine Bücher hat er der Bücherei geschenkt, die Wohnung ist aufgelöst. Es gibt jetzt nur noch ihn - und das Ziel Lhasa. Und die zwei Mobiltelefone, die er demonstrativ auf den Tisch legt, sein letztes Aufgebot.

Protest in Dharasalam

Täglich demonstrieren Tibeter in Dharasalam.

(Foto: Foto: AFP)

Tenzin Tsundue sitzt im "Peace Cafe", weit oben, in dem Teil von Dharamsala, den sie McLeod Ganj nennen oder Little Lhasa. Gebetsfahnen flattern, es riecht nach Tibet. Tsundue sieht ein bisschen abgekämpft aus für seine 33 Jahre. Er trägt ein knallrotes Stirnband und eine Tasche, aus der er gleich zu Anfang mit seinen dünnen Fingern ein Flugblatt herauszieht. Auf dem steht: "Frage mich, wo ich herkomme, und ich werde keine Antwort haben." Also fragt man nicht, man weiß es ohnehin.

Die meisten in Dharamsala sind Heimatlose. Es ist ein Übergangsort, vorübergehender Wohnsitz des Dalai Lama, vorübergehender Standort der Tibetischen Exilregierung, seit Jahrzehnten leben hier Tibeter im Exil, aber ein Zuhause ist es für die meisten immer noch nicht geworden. Sie warten einfach nur auf die Heimkehr, manche seit 49 Jahren. Denn dass der Tag kommen wird, an dem sie heimdürfen, davon sind sie hier alle überzeugt.

Und seit dem 10.März warten sie jetzt auch noch auf Neuigkeiten, auf alles, was aus Tibet nach außen dringt. Die ganze Stadt ist voller Gerüchte und Pamphlete von Solidaritätskomitees und Tibet-Initiativen: Massenverhaftungen in der Dhoma Region, Abriegelung des Kirti-Klosters, man erzählt sich von den letzten Anrufen bei den Verwandten in Lhasa und davon, dass Chinesen am Apparat waren oder Mütter, die nur immer das eine sagten: Ruf' nicht mehr an.

Wände in Dharamsala sind zugeklebt mit den Fotos der Toten vom Protest in Amdo Ngapa, mit internationalen Zeitungsartikeln und Magazinausschnitten, mit Appellen an die Sportler, keine Olympia-Medaillen anzunehmen, die aus illegal in Tibet abgebauten Rohstoffen hergestellt wurden, daneben hängen Aufrufe an die Volksrepublik China, den wahren, vom Dalai Lama anerkannten, 11. Panchen Lama freizulassen.

Tenzin Tsundue kruschelt in seiner Tasche herum, zieht ein Buch heraus. Essays zum tibetischen Freiheitskampf steht darauf. Darunter eine Zeichnung vom Dalai Lama, der schwitzend einen Karren zieht, in dem ein Tibeter sitzt und ihn anbetet. "Viele Tibeter lassen sich ziehen statt mitzuhelfen", sagt Tenzin Tsundue, schaut die anderen drei an, die am Tisch sitzen, auch sie sind Tibeter, auch sie sind aktiv. Sie lächeln freundlich.

In der Ferne wächst die Wut

Er jedenfalls hilft mit, seit 15 Jahren ist er Aktivist. Ein Leben für die Rückkehr nach Tibet, dem Land seiner Vorfahren, das in seiner Vorstellung unberührt und rein ist wie der Schnee auf den Gipfeln des Himalaya. Er will nach Lhasa gehen, zu Fuß, das ist das Ziel. Als er am 10. März von den Ausschreitungen in Tibet hörte, ist er mit anderen Aktivisten sofort losgegangen, sie wollten hier nicht nur herumsitzen im gemütlichen Exil und nichts tun. Also machten sie sich auf den Weg. Es sollte ein Zeichen sein, ein Statement. Drüben in Tibet, sagt er, warten sie schon auf ihre Ankunft.

Doch die Inder hielten nicht viel von diesem Statement. Man berief sich auf die Abmachung, die man mit dem Dalai Lama getroffen hatte, als er 1959 aus Tibet floh: keine politischen Aktivitäten auf indischem Boden. Drei Tage ließ man sie gehen, dann war der Marsch nach Lhasa zu Ende, Verhaftung, zwei Wochen Gefängnis, in ein paar Tagen ist der Prozess.

Mit allem hatte Tenzin Tsundue gerechnet, aber nicht damit. Ausgerechnet die Inder, die selbst einen Freiheitskampf geführt haben gegen die britischen Besatzer, die selbst für die Freiheit marschiert sind. "Und wir wollen es machen wie Gandhi, absolut friedlich. Wir dachten, sie respektieren das." Doch sie haben es nicht respektiert, deswegen ist er noch in Dharamsala, im Peace Cafe, ganz in der Nähe des Reception Centers, in dem die Flüchtlinge aus Tibet in kleinen, stickigen Zimmern sitzen und auf die Audienz beim Dalai Lama warten, die jedem zusteht.

Jampa Tashi hatte sie schon, die Audienz. Über seinem Bett, im Bücherregal, an der Wand im Reception Center, überall hängen Bilder des Dalai Lama. 39 Jahre ist er alt, die Audienz war das Schönste, was ihm in seinem Leben passiert sei, sagt er.

Zwölf Jahre Haft für einen Zettel

Jampa Tashi sieht cool aus und unnahbar hinter seinen blassgelben Brillengläsern. Anfang des Jahres ist er aus Tibet gekommen, zwölf Jahre war er dort im Gefängnis als politischer Gefangener, sie haben ihm so lange auf den Kopf geschlagen, bis er auf dem linken Auge nicht mehr sehen konnte. Im Essen waren Steine, sagt er, und Besuch war nur einmal im Jahr erlaubt, für 15 Minuten. Ohne Brille sieht er verloren aus, tastet herum, zwinkert. Die Brille hat er erst hier in Dharamsala bekommen.

Im Bett neben ihm liegt sein Freund, er war dabei, als sie zu fünft einen Zettel aufgehängt haben für ein freies Tibet, namentlich unterzeichnet, damit nicht andere dafür bestraft werden. Fünf Mönche, die anderen drei sind noch immer im Gefängnis.

Der Freund war dabei, als Jampa Tashi am 29.März 1994 ins Gefängnis kam, und er war dabei, als er am 29. März 2006 wieder herauskam. Zwölf Jahre für einen Zettel, er blinzelt, die Augen. Er erzählt von den Misshandlungen, den Erniedrigungen, aber er weint erst, als er von den Aufständen des 10. März redet, den Toten. Es ist gut, dass sie es gemacht haben, sagt er. Er wäre nach der Haft auch wieder aktiv geworden, aber sie haben seine Familie bedroht, sind ihm gefolgt, er konnte sein Haus nicht verlassen. Er war frei, aber kein freier Mensch. Deswegen ist er gegangen.

In der Ferne wächst die Wut

Und trotzdem: Wenn er an die Leute in China denke, dann findet er, dass die Olympischen Spiele dort stattfinden sollen. "Wenn ich aber an die Politik denke, bin ich total dagegen", sagt er, blinzelt hinter gelbem Glas. "Nein, die Chinesen können nichts dafür, sie werden nur von ihren Führern belogen. Wenn sie die Wahrheit wüssten, wüssten sie, dass wir nicht böse sind." Sein Freund schaut ihn an.

Jeder hier kennt das Foto des Tibeters, der mit einem großen Messer in tibetischer Kleidung an den Ausschreitungen teilnimmt. Jeder hier weiß, was der Dalai Lama dazu gesagt hat, dass dieses Messer kein tibetisches ist, jeder hier kennt die Internetseite, auf der eine chinesische Frau zitiert wird, die in einer Polizeistation gesehen hat, wie chinesische Polizisten die tibetische Kleidung wieder ausgezogen haben. Mönche erzählen, wie sie gezwungen wurden zu unterschreiben, dass der Dalai Lama die Aufstände angezettelt hat. Aber wem wird die Welt glauben?

Für Jampa Tashi ist all das unglaublich, er kenne die Chinesen, ihre Lügen, ihre Propaganda, er habe oft im Gefängnis gesessen und gehofft, dass vielleicht die Vereinten Nationen kommen und helfen. Und trotzdem respektiert er die Ansicht des Dalai Lama, wenn die Chinesen zu ihren Zusagen stehen, dann ist Autonomie innerhalb Chinas möglich. Sagt er, der für die Unabhängigkeit zwölf Jahre im Gefängnis war.

Für Tenzin Tsundue unten im Peace Cafe ist das undenkbar. Er ist unruhig, springt auf, rennt zur Türe, setzt sich wieder, wird wütend, wenn er an die chinesische Propaganda denkt, an all die Lügen, dass der Aufstand von hier aus gelenkt sei. "Das ist doch lächerlich, als könnten wir denen von hier aus befehlen: riskiert euer Leben." Er verteidigt den Dalai Lama, aber sagt dann auch, dass er mit seinem Mittelweg nicht einverstanden ist. Tsundue will Unabhängigkeit, keine Autonomie innerhalb Chinas, wie sie der Dalai Lama und die Exilregierung seit Jahren fordern. "Seine Heiligkeit muss jetzt auf seine Leute hören. Es ist höchste Zeit, dass er Tibet zu einem unabhängigen Land erklärt."

"Taten erfordern Opfer"

Er zupft an seinem Mobiltelefon herum, schimpft dann gleich auch noch über die UN, über ihre Verlogenheit, ihre Tatenlosigkeit und ihre Abhängigkeit von China und den USA. "Hier, das ist doch einer der letzten wirklich gewaltlosen Freiheitskämpfe in einer Welt, die sonst alles mit Waffen regelt. Warum hilft man uns nicht?"

Er starrt auf seine Handrücken, auf denen Pflaster kleben, er hat sich im Gefängnis in Delhi mit Zigaretten selbst verbrannt, hat sie so lange draufgehalten, bis der Schmerz stärker war als die Wut. "Wir Tibeter denken nicht daran, andere zu verletzen. Aber all dieses Leiden. Jeder von uns hat seine eigene Art, jeder denkt etwas anders. Für andere kann keiner garantieren", sagt er, lässt die Drohung im Raum stehen. "Taten erfordern Opfer", sagt er, sein Mobiltelefon klingelt, er redet laut und schnell.

Sobald der Prozess vorbei ist, wird er wieder losgehen, die anderen wollen den Marsch nur noch nach Delhi machen, er aber will nach Lhasa. Er hat es schon einmal geschafft, 1997 ist er über Ladakh hineingegangen nach Tibet, hat es gesehen, das Land seiner Träume.

In der Ferne wächst die Wut

Fünf Tage - es war, als sei er das erste Mal im Leben zu Hause. Bis die Chinesen ihn fanden und ins Gefängnis steckten, verhörten, fesselten, nach Waffen fragten und nach Hintermännern, weil sie nicht glauben konnten, dass es nur Sehnsucht war, die ihn hergetrieben hatte. "Da war ich also, in Tibet, meinem Traumland, und saß im Gefängnis. Es war ein Albtraum." Drei Monate haben sie ihn verhört, dann haben sie ihn rausgeworfen. "Ich werde wiederkommen", sagt er, dann geht er hinaus auf die Straße, wo sich die Menschen langsam bereitmachen für ihr tägliches Ritual.

Jeden Abend, wenn die Sonne hinter den Hügeln verschwindet und die Kälte über die schneebedeckten Gipfel der Dhauladhar-Berge herunterzieht, gehen sie los. Es ist ein endloses Band, das sich vom Hauptplatz die enge Straße herunterwindet, vorbei an winzigen Telefonläden und Kiosken voller Keksen, an Reisebüros, Bettlern und Indien-Ramsch, Hunderte Menschen mit Kerzen in der Hand, ganz vorne Mönche und Nonnen in ihren roten Gewändern, die tibetische Flagge in der Hand, hinter ihnen der ganze Kosmos Dharamsalas: Mädchen in tibetischer Tracht, junge Männer mit wild gegeltem Haar, alte Frauen mit tropfenden Kerzen, die auf ihren runzligen Fingern weiße Wachsbahnen ziehen, und ein paar Ausländer mit beseeltem Blick.

Marsch für die Toten

Es ist ihr tägliches Ritual seit dem 10.März, der Marsch für die Toten, der Richtung Tempel zieht, Richtung Dalai Lama, umwabert von einem sich ständig wiederholenden Gesang, der mal lauter wird, dann wieder leiser. Die einen rufen es, die anderen flüstern es, das Bodhisattva-Gebet, in dem sie um Erleuchtung und das Ende aller Leiden der Menschen bitten. Die indischen Verkäufer stehen in den Eingängen ihrer Läden und schauen dem Zug teilnahmslos hinterher.

Manchmal umkreisen sie mit ihren Kerzen den Palast seiner Heiligkeit, manchmal gehen sie direkt zu dem Platz vor dem Tempel, wo sie eine Minute schweigen für die Opfer. Dann sprechen die jeweiligen Veranstalter, der tibetische Frauenverband, der tibetische Jugend-Kongress. Sie verurteilen die Repression durch die Chinesen, warnen vor der Vernichtung der tibetischen Kultur und des tibetischen Buddhismus, sagen, dass sie mittlerweile eine Minderheit im eigenen Land sind. Es ist ihr ewiges Mantra. Und hinten am Tor zum Palast des Dalai Lama stehen die Wachen und schauen sich durch die Gitterstäbe Filme an, die gezeigt werden.

Mal sind es Landschaften aus Tibet, unterlegt mit patriotischen Liedern. Dann die immer gleichen Aufnahmen aus Lhasa, die Demonstranten, die Mönche, das Militär, die Ausschreitungen vor den chinesischen Botschaften in Nepal, Indien und Österreich. Applaus, wenn die chinesische Flagge brennt. Gemurre, wenn Demonstranten von der Polizei weggezerrt werden.

Dann kommen flackernde Bilder aus dem alten Lhasa, der Potala-Palast noch nicht umringt von modernen, chinesischen Zweckbauten, Straßen voller Tibeter. Es ist totenstill. Und dann der Dalai Lama bei der Pressekonferenz in Delhi, wie er sagt, dass eine Einigung nur zwischen den Han-Chinesen und den Tibetern erfolgen kann, dass er zu seinem Mittelweg steht, auch wenn die Kritik immer lauter wird. Sein eigener älterer Bruder sei ja auch für die Unabhängigkeit, sagt er und kichert.

Es ist noch früh am Morgen, oben im Kloster rezitieren die Mönche noch immer ihre Gebete für die Toten, als Choedak Trotsik seinen Laptop aufklappt und herumblättert im Elend seines Volkes. Hunderte Bilder hat er im Computer gespeichert. Er hat das Foto eines Mädchens dabei, rote Bäckchen, blaue Trainingshose. Lhundrup Tso heißt sie, sie war 16 Jahre alt, als man ihr am 16. März bei einer Demonstration in Amdo Ngawa von hinten durch den Kopf schoss. Als er sie das letzte Mal sah, war sie noch ein Kind, sagt Choedak Trotsik, jetzt lebt sie nicht mehr, und er rennt mit seinem Mönchsgewand durch Dharamsala und verteilt das Foto seiner toten Cousine.

In der Ferne wächst die Wut

Er hat den Stadtplan von Amdo Ngawa fotokopiert, hat eingezeichnet, wo der Protestzug an diesem Tag entlangging, die Hauptstraße hinunter, die er seit seiner Flucht aus Tibet nicht mehr gesehen hat. Der Vater des Mädchens hat in einem Telefonat erzählt, wie ihm Tibeter die Leiche seines Kindes nach Hause gebracht haben, und dass man sie von hinten erschossen hatte. Jetzt sorgt Choedak Trotsik dafür, dass der Tod seiner Cousine nicht vergessen wird. Er macht seit dem 16. März nichts anderes.

Vor zehn Jahren ist er geflüchtet, hat den anstrengenden Marsch über den Himalaya gemacht, ist in Nepal angekommen, weiter nach Dharamsala geschickt worden und hat dann seine Ausbildung gemacht. Jetzt sitzt er da, Computer, Mobiltelefon, ein kleines, rasendes Büro. 25 Jahre ist er alt. Er klickt auf ein Bild, wo er zu sehen ist mit dem Dalai Lama. Er weiß, dass er nicht mehr zurückkehren kann, er ist politisch aktiv, sein Name ist bekannt, wenn er mit seiner Mutter telefoniert, weinen sie beide, er macht es möglichst selten. Ihr zuliebe.

Dann ist er wieder bei den Toten und den Verhafteten, momentan komme nichts heraus aus Tibet, sie haben viele Wege und Möglichkeiten, Mobiltelefone, Laptops, auch nach dem 10. März kamen Informationen, spärlich, aber sie kamen. Doch seit ein paar Tagen ist so gut wie nichts mehr gekommen. Auch unten in Dharamsala, im kleinen Parlamentsgebäude der Exilregierung, wo das Solidaritätskomitee arbeitet, das sofort nach den Aufständen gegründet wurde, um Informationen zu sammeln, zu übersetzen und weltweit zu verteilen, bekommen sie immer weniger. Bis jetzt ist auch noch keiner über die Grenze gekommen, der am 10. März noch im Land war.

Streit unter Freunden

Es klingelt unter der roten Mönchskutte von Choedak Trotsik, er ignoriert es und sagt: "Was die Chinesen machen, ist ein Krieg gegen unsere Kultur, dagegen müssen wir kämpfen. Aber der Dalai Lama ist ein friedlicher Mann, nicht wie ein normaler Mensch, er ist sehr geduldig. Er hat recht, wenn er den Mittelweg predigt, es ist ein Weg, mit dem alle leben können, auch die Chinesen. In Tibet geht es den Leuten jetzt schlecht, wir müssen ihnen helfen."

Mansher Lokdun schaut ihn an, auch er ist Mönch, auch er ist 1998 geflohen, auch er ist jung. Aber er sagt, die Geschichte habe es gezeigt, den Chinesen sei nicht zu trauen, sie hätten sich an Abmachungen nie gehalten, es gebe nur eine Chance: die Unabhängigkeit. Die zwei schauen sich an, lächeln. "Ja, so ist das, er hat eine komische Meinung, aber ich mag ihn, wir sind die besten Freunde", sagt Choedak Trotsik, schlägt dem anderen auf die Schulter.

Alle hier wissen, dass die Medien immer öfter von einer unüberwindlichen Kluft sprechen, die sich durch die tibetische Gemeinschaft zieht, von Entfremdung und einem Bruch zwischen Dalai Lama und den Tibetern. Choedak Trotsik lacht. "Wir sind doch keine Kommunisten, bei uns darf jeder seine Meinung sagen. Ich verstehe auch, wenn man für die Unabhängigkeit ist, aber ich glaube, dass das Denken des Dalai Lama größer ist, seine Ideen sind größer."

Mansher Lokdun schaut ihn an, schüttelt den Kopf: "Ihnen ist nicht zu trauen." Choedak Trotsik sagt: "Es gab auch Zeiten, in denen wir gut miteinander ausgekommen sind, und viele Chinesen sind Buddhisten wie wir." - "Nein, alles, woran sie denken, ist Geld, sie wollen unser Land ausrauben. Und sie sind Mörder." - "Wir müssen doch in die Zukunft schauen, nicht immer nur zurück. Mit dem Mittelweg können wir unsere Autonomie friedlich erreichen." - "Das können wir auch mit der Unabhängigkeit, alle kommunistischen Systeme sind zusammengebrochen."

Und oben am Berg zelebriert ein alter Lama in einem winzigen Tempel einen uralten schamanischen Ritus mit 107 Butterlampen und tantrischen Versen, den keiner von den jungen Mönchen kennt und den wahrscheinlich auch keiner mehr kennenlernen wird. Denn in diesen Riten gibt der Vater sein Wissen an den Sohn weiter. Aber der Sohn ist in Russland Hotelmanager geworden.

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