Süddeutsche Zeitung

Tibet: Peking schlägt Protest nieder:Brandherd im Zeichen des Olympischen Feuers

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Diese Pekinger Sommerspiele haben ihre Unschuld nun in Lhasa verloren, bevor sie überhaupt begonnen haben. Die Marke "Olympische Spiele" droht, beschädigt zu werden - und damit die beteiligten Großkonzerne.

Henrik Bork, Peking

Wenige Monate vor den Olympischen Spielen in Peking brennt es in Tibet. Der Tromsikhang-Markt fängt Feuer, Polizeiautos stehen in Flammen. Nicht, dass die Mönche und tibetischen Bürger eine Chance hätten; Chinas Militär ist zu mächtig.

Den Aufstand wird Peking in gewohnter Manier niederknüppeln, und in die Gefängniszellen, schon jetzt voller Mönche und Nonnen, dürften in den nächsten Tagen und Wochen noch mehr Menschen gebracht werden. All dies ist traurig, aber für Tibet nicht wirklich neu. Neu ist, dass allmählich die Marke "Olympische Spiele" beschädigt wird.

Die chinesische Regierung hat in den vergangenen Monaten wegen Olympia ihre Repression in ganz China und auch in Tibet massiv verschärft. Die Proteste der vergangenen Tage sind auch eine Reaktion auf diese paranoide, vorolympische Kraftmeierei der Chinesen.

Mit sinnlosen Verhaftungen von Tibetern, die auf einem Marktplatz lediglich ein paar antichinesische Slogans gerufen haben, mit dem Drangsalieren der Mönche und der Verweigerung eines echten Dialogs mit dem Dalai Lama hat Peking das Feuer selber geschürt, das nun auflodert.

Die Flammen könnten nun auch Jacques Rogge und seinem Internationalen Olympischen Komitee gefährlich werden. Mit zusammengebissenen Zähnen hat Rogge von Verbesserungen der Menschenrechtslage in China gesprochen, während fast im Wochenrhythmus Regimegegner und Olympiakritiker inhaftiert wurden.

Falls Rogge auch jetzt noch schweigt, anstatt von der chinesischen Regierung Mäßigung in Tibet zu fordern, verspielt das IOC jegliche Glaubwürdigkeit. Dann haben die Ideale der Olympischen Bewegung endgültig der Kommerzialisierung Platz gemacht.

Was schon seit Wochen auffällt, ist die ungeheure Chuzpe der Chinesen. Anstatt wenigstens vom Unruheherd Tibet abzulenken, wollen sie das Olympische Feuer auch noch auf den Mount Everest tragen.

Anstatt zu Menschenrechtsverletzungen zu schweigen, macht sich Chinas Außenminister auch noch öffentlich über die Kritiker lustig. Diese Regierung verhaftet nicht nur Mönche, so wie es die Junta in Birma getan hat, sie verhöhnt auch noch lustvoll ihre Opfer.

Diese Pekinger Sommerspiele haben ihre Unschuld nun in Lhasa verloren, bevor sie überhaupt begonnen haben. Kaum jemand hatte ernsthaft erwartet, dass sich ein Unrechtsregime wie das chinesische nur wegen des Ausrichtens der Sommerspiele über Nacht zur Gänze verwandelt.

Aber ein wenig Lockerung der Repression, ein wenig Dialogbereitschaft mit den Tibetern, ein wenig Sensibilität im Umgang mit dem eigenen Ruf hatte man sich doch erhofft.

Mit diesen Wünschen hatten nämlich selbst Kritiker der Pekinger Diktatur gerechtfertigt, dass sie auf einen Boykottaufruf der Spiele verzichten. Olympia könne zur Öffnung Chinas beitragen, lautete die Hoffnung.

Das Gegenteil ist eingetreten, nun ist es nicht mehr zu leugnen. Die Rauchsäulen, die in den Himmel über Lhasa gestiegen sind, können selbst vom IOC nicht mehr schöngeredet werden.

Es muss Vorstandsvorsitzende der Olympia-Sponsoren geben, die sich jetzt langsam fragen, ob bessere Geschäftsbeziehungen zu Peking und der Werbeauftritt in dem Milliardenmarkt eine Schädigung ihres Markennamens wert ist. Denn sollten diese Spiele als Menschenrechtsfiasko in die Olympia-Geschichte eingehen, wird dies leider auch nicht spurlos an den beteiligten Großkonzernen vorübergehen.

Noch ist Zeit, die Kommunisten in Peking ernsthaft daran zu erinnern, dass die Olympischen Spiele nicht nur Werbemilliarden und Bauaufträge für die Söhne von Parteibonzen bedeuten, sondern auch Verantwortung.

Wer Millionen Menschen zu einem friedlichen Fest in seine Hauptstadt einlädt, kann nicht gleichzeitig in Lhasa den Knüppel schwingen und immer mehr Andersdenkende aburteilen.

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SZ vom 15.03.2008/odg
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