Tibet-Konflik:Mit buddhistischer Bitterkeit

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Nach 50 Jahren Exil bleibt dem Dalai Lama kaum noch Hoffnung auf einen Dialog mit China. Peking kann den Friedensnobelpreisträger weiter unterdrücken - ohne Konsequenzen.

Henrik Bork

Seit fünfzig Jahren lebt der Dalai Lama nun im Exil. Er ist das religiöse Oberhaupt eines der gläubigsten Völker der Erde. Seine erzwungene Abwesenheit ist für viele Tibeter in China der wichtigste Grund für ihre Unzufriedenheit mit Pekings Herrschaft.

Nach fünfzig Jahren Exil hat der Dalai Lama nur wenig Hoffnung auf einen Dialog mit China. (Foto: Foto: Getty)

Bilder des Dalai Lama, offiziell verboten, werden in verzweifelten Protesten immer wieder durch die Straßen Tibets getragen. Egal wie oft die chinesischen Besatzer sie von Klosterwänden oder aus einfachen Bauernhäusern entfernen, nach einer Weile hängen sie erneut dort. Sollten die Tibeter gefragt werden, wie sie sich die Zukunft ihres Landes wünschen, dann stünde die Rückkehr des Dalai Lama ganz oben auf der Agenda.

Doch die Tibeter werden nicht gefragt. Das macht diesen fünfzigsten Jahrestag zu einem traurigen Ereignis. Die Welt hat sich lange nicht wirklich um das Los der Tibeter gekümmert. Das war schon so, als die Briten ihre Kolonialtruppen nach Lhasa schickten. Damals entstand die bis heute wirkende chinesische Paranoia vor feindlichen Mächten auf dem Dach der Welt.

Auch scherte es im Westen kaum jemanden, als sich der Dalai Lama angesichts der Invasion der chinesischen Volksbefreiungsarmee hilfesuchend an andere Länder wandte. Die Welt schaute weg, sie wollte sich ihre Faszination für China nicht nehmen lassen, nicht durch die Kolonialisierung eines kleinen Volkes. Die Han-Chinesen aber, die sich dieses strategisch wichtige, an Rohstoffen reiche Stück Asien einverleibt hatten, glaubten die Tibeter erst recht nicht fragen zu müssen.

Die weltweiten Sympathien, die der Dalai Lama heute genießt, sollten nicht mit politischer Unterstützung für die Tibeter verwechselt werden. Seine Heiligkeit mag "schick" sein und Millionen im Westen ansprechen, seine friedfertige Botschaft überall bewundert werden - dennoch kann sich Peking seit den Tibeter-Unruhen vom März vergangenen Jahres eine Politik der offenen Unterdrückung und öffentliche Verunglimpfungen des Friedensnobelpreisträgers leisten, ohne dass dies Konsequenzen hätte.

Es gibt viel an der einstigen Feudalherrschaft der tibetischen Mönche bis 1959 zu kritisieren. Auch ist Vorsicht angesichts einer allzu kritiklosen Verklärung des Dalai Lama zum Popidol angebracht. Doch im Vergleich zu dem, was heute ungestraft in Tibet passiert, sind solche Einwände trivial. In Tibet geschieht tatsächliches Unrecht. Unschuldige Menschen werden zu Tausenden verschleppt, werden geschlagen und misshandelt. Sie werden für ein Telefonat ins Ausland zu fünf Jahren Haft verurteilt.

Dieser Jahrestag im Schatten brutaler Repression ist eine Schande für China, das in den vergangenen fünfzig Jahren auf anderen Gebieten bewundernswert viele Fortschritte gemacht hat.Wer dem Dalai Lama vor diesem Hintergrund nun auch noch einen Anflug von Bitterkeit verbieten wollte, der verlangt selbst von einer buddhistischen "Heiligkeit" zu viel. Die Tibeter in Tibet lebten heute in ständiger Angst, sagte er jetzt. Er sei enttäuscht von der Politik Pekings.

Mit den heftigen Attacken gegen den Religionsführer straft die Pekinger Führung nun all ihre eigenen Versprechungen Lügen, die sie vor den und während der Olympischen Spiele gemacht hatte. Dies lässt nur einen Schluss zu: Peking sucht keine Verhandlungslösung mit den Tibetern. Chinas Regime wartet stattdessen auf den Tod des 73-jährigen Dalai Lama. Das ist eine zynische Politik.

Der Dalai Lama wirbt dagegen immer noch für einen "mittleren Weg" des friedlichen Dialogs mit Peking. Von den eigenen Gefolgsleuten wird er dafür zunehmend kritisiert. Sollten sie aber eines Tages zum gewalttätigen Widerstand in Tibet aufrufen, dann wäre dies nicht nur für die Tibeter, sondern auch für alle Chinesen eine Tragödie. Der Hass, den die siegesgewisse Führung in Peking heute sät, könnte eines Tages eine furchtbare Ernte bringen.

© SZ vom 11.03.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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