Thyssenkrupp:Stratege gesucht

Um Thyssenkrupp ist Streit entbrannt. Das Unternehmen muss sich nun gegen Finanzinvestoren wehren.

Von Joachim Käppner

Es war ein Name von düsterem Glanz: Krupp, der mächtige Ruhrkonzern, der des Kaisers und Hitlers Kanonen baute. Heute, als Thyssenkrupp, ragt er wie ein Stück Industriehistorie in die Gegenwart, aber zuletzt war es die Geschichte der sozialen Marktwirtschaft nach 1949. Doch mit dieser neuen, besseren Geschichte könnte es bald zu Ende gehen.

"Schluss mit die Fisimatenten", sagt man im Ruhrgebiet. Man wäre versucht, dies den Krupp-Nachfahren zu empfehlen. Sie erheben heftige Vorwürfe gegen den Hauptaktionär, die Krupp-Stiftung, er ruiniere das Unternehmen. Diese Klage erklingt seit 1967, seit der letzte Alleininhaber, Alfried Krupp von Bohlen und Halbach, Deutschlands damals wichtigsten Industriekonzern in eine Stiftung überführte, statt ihn seiner ungeliebten Familie zu vererben. So wollte er "die Einheit der Firma" erhalten. Sein Vertrauter Berthold Beitz leitete, quasi als Testamentsvollstrecker auf Lebenszeit, fortan in diesem Sinne die Stiftung, er starb erst 2013, mit beinahe 100 Jahren. Die Familie aber führte und verlor Prozesse um das Erbe, das nicht mehr ihres ist; im Interview der Nachfahren mit dem Handelsblatt ist nun noch immer jene ans Obsessive grenzende Bitterkeit zu spüren, wie sie Verlierer in Erbkonflikten oft entwickeln.

Beitz, ein letzter Patriarch des rheinischen Kapitalismus, regierte nicht ohne Fehler; so fehlte es dem Unternehmen an Eigenkapital. Aber er hielt den alten Riesen Krupp am Leben und zusammen, etwa durch die Fusion mit Thyssen; der Konzern hat immerhin 160 000 Arbeitsplätze. Die Stiftung ist noch immer größter Einzelaktionär mit faktischer Sperrminorität von 21 Prozent.

Die Nicht-Erben aber arbeiten sich einmal mehr an ihrem Erzfeind Beitz ab. Es ist schon peinlich, Berthold Beitz, der während des Holocaust viele Juden rettete und von 1954 an den Konzern in ein ziviles Unternehmen verwandelte, mit dem jugoslawischen Despoten Tito zu vergleichen. Interessanter erscheint die Kritik an der Gegenwart. Die in Essen neben der Residenz der Krupps, der "Villa Hügel", residierende Stiftung trat nach Beitz' Tod unter der neuen Kuratoriumsvorsitzenden, der Dortmunder TU-Rektorin Ursula Gather, nur selten öffentlich in Erscheinung. Das war durchaus im Sinne des Patriarchen, der als Nachfolger keine Alphatier-Manager auf diesem Schlüsselposten der Industrie wollte. Nun wird die vornehme Zurückhaltung aber zum Problem. Wenn die Krupp-Familie fordert, die Stiftung müsse "als Ankeraktionär in die Offensive kommen", hat sie recht.

Noch kreisen die Geier hoch über dem Firmensitz. Das wird nicht so bleiben

Denn die Geier nahen. Finanzinvestoren haben viele Thyssenkrupp-Aktien erworben; da solchen Firmen schnelle Gewinne alles und Arbeitsplätze wenig bedeuten, spricht Ex-SPD-Chef Sigmar Gabriel bereits von "einem Anschlag auf die Marktwirtschaft". Die Stiftung aber überwarf sich mit dem Vorstands- und dem Aufsichtsratschef, beide angesehene Männer; sie gingen, weil sie ihnen nicht den Rücken gestärkt habe. Dort sieht man es eher als Flucht aus der Verantwortung; aber für das übliche blame game bleibt keine Zeit. Die Firma ist nur zu retten, indem die Stiftung klare Strategien zur Einheit des Unternehmens dagegensetzt und auch kommuniziert. Im Bund mit den Arbeitnehmern und der Politik könnte sie diesen Kampf gewinnen. Noch kreisen die Geier hoch über der Villa Hügel. Aber das wird nicht so bleiben.

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