Süddeutsche Zeitung

Fischfang:Unter Haien

Lesezeit: 2 min

Der Blauflossenthun hat nur vier natürliche Feinde, und alle wollen ihn fressen. Besonders: der Mensch.

Von Thomas Hahn, Tokio

Unter Japans Fischern ist die Stimmung gerade nicht schlecht. Nach Jahren der Ernüchterung mit Auflagen und Nachwuchssorgen gibt es mal wieder eine gute Nachricht - die gleichzeitig eine schlechte für den Nordpazifischen Blauflossenthun ist. Die Fischereikommission für den West- und Zentralpazifik (WCPFC) hat die Fangquoten für den begehrten Speisefisch heraufgesetzt. Japans Fischer dürfen 2022 demnach 15 Prozent mehr davon aus dem Meer holen als bisher. Fischereiverbände im ganzen Land applaudierten.

Thunfisch ist für Japan mehr als nur eine weitere Proteinquelle. Er ist Grundnahrungsmittel und teure Delikatesse in einem. Als Sashimi, als rohes, dünn geschnittenes Fischfilet also, oder im Sushi gehört er zum Standard der nationalen Küche. Gleichzeitig fertigen hochpreisige Restaurants aus Thunfisch erlesene Gerichte. Und mancher Unternehmer fördert sein Prestige, indem er bei der Neujahrsauktion im Tokioter Fischmarkt einen besonders großen Thun ersteigert. Der Restaurantketten-Besitzer Kiyoshi Kimura, genannt der "Thunfisch-König", kaufte 2019 ein 278-Kilo-Exemplar aus Aomori für den Rekordpreis von 333,6 Millionen Yen, umgerechnet rund 2,6 Millionen Euro.

Der Thunfisch selbst steht weit oben in der Nahrungskette. Die Spezies Nordpazifischer Blauflossenthun, Thunnus orientalis, kann drei Meter lang und 450 Kilo schwer werden. Laut dem Portal Animal Diversity Web der Universität Michigan hat sie nur vier natürliche Feinde. Den Killerwal, den weißen Hai, den Makohai und: den Menschen. Unschwer zu erraten, wer dem Thunfisch am meisten zusetzt.

Die Bestände der beliebtesten Arten sind immer noch gezeichnet vom großen Fangen aus der Zeit, als der Mensch dachte, das Meer sei unerschöpflich. Japan ist mitverantwortlich für die Überfischung. Bis die Fänge in den 1990er-Jahren schlechter wurden, war der Inselstaat es gewohnt, den Fischbedarf der Nation mit wenig Rücksicht zu decken. Längst hat ein Umdenken stattgefunden. Shuhei Uematsu, Meeresexperte bei der Umweltorganisation WWF, lobt: "Japan ist beim Management der Bestände, die es fängt, relativ fortgeschritten." Trotzdem fängt man dort lieber mehr als weniger. 2014 stufte die Weltnaturschutzunion IUCN den Nordpazifischen Blauflossenthun als gefährdete Art ein. 2015 führte die WCPFC die strengeren Fangquoten ein. Seit 2017 beantragt Japan jedes Jahr, die Quoten heraufzusetzen. Diesmal mit Erfolg, nachdem die IUCN den großen Fisch neuerdings nur noch als "nahezu bedroht" einschätzt.

Japans Fischereibehörde feierte die Anhebung als "internationale Anerkennung der Tatsache, dass Japans Fischer seit vielen Jahren hart an der Bewirtschaftung der Bestände arbeiten". Aber zu viel Freude ist nicht angebracht. Laut IUCN ist besagter Thun nämlich "weiterhin schwer dezimiert bei unter fünf Prozent seiner ursprünglichen Biomasse". Auch Uematsu findet die neue Fangquote "riskant".

Außerdem: Wenn die Fischereibehörde die neuen Fangquoten auf die 47 Präfekturen verteilt hat, könnten manche Fischer wieder unzufrieden sein. Und überhaupt: Passt die Lockerung in die Zeit? Wegen Corona gehen weniger Menschen ins Restaurant. Demnach wird weniger Thun gebraucht. Eigentlich könnte man gerade jetzt die Bestände schonen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5486231
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.