In Schweden ist der Freitag diese Woche eine Art Feiertag: Utspring, der Tag, an dem alle Abiturientinnen und Abiturienten ihre Zeugnisse bekommen und aus den Schulen laufen (spring heißt laufen, ut bedeutet heraus), um dann auf Lastwagen durch ihre jeweiligen Heimatorte zu fahren. Eine hat dabei gefehlt, jedenfalls vormittags: Greta Thunberg. Sie hat zwar erfreulicherweise wie all die anderen ihr Abitur bestanden, konnte aber, da nun mal Freitag ist, nicht in der Schule sein. Stattdessen stand sie, wie jede Woche, am Stockholmer Mynttorget mit ihrem mittlerweile weltberühmten Sperrholzschild: "Skolstrejk för Klimatet" (Schulstreik für das Klima). Allerdings zum letzten Mal. Jedenfalls als Schulstreikerin.
Auf Twitter klingt es zunächst wie ein Abschied: "Heute mache ich mein Abitur, was bedeutet, dass ich nicht mehr länger einen Schulstreik für das Klima machen kann", schrieb die 20-Jährige. "Das ist also der letzte Schulstreik für mich." Sie will deshalb aber nicht aufhören mit ihrem Engagement. "Wir haben einfach keine andere Wahl, als alles zu tun, was wir nur können. Der Kampf hat gerade erst begonnen."
Sie wird weiter protestieren, nur ohne ihr berühmtes Schild
Im Frühling 2018 gewann die damals 15-jährige Thunberg einen Essay-Wettbewerb der Tageszeitung Svenska Dagbladet zum Thema Klimawandel mit einem Text, in dem sie einem kollektiven Gefühl tiefer Verunsicherung Ausdruck verlieh: "Ich möchte mich sicher fühlen. Aber wie kann ich mich sicher fühlen, wenn ich weiß, dass wir uns in der größten Krise der Menschheitsgeschichte befinden?"
Am 20. August desselben Jahres beschloss Thunberg, die gerade in die neunte Klasse gekommen war, bis zu den Wahlen am 9. September in Schulstreik zu treten. Sie setzte sich mit ihrem Schild auf den Platz zwischen Königspalast und Parlament und forderte, dass die schwedische Regierung endlich ihre Hausaufgaben macht, indem sie, wie im Klimaabkommen von Paris vereinbart, dafür sorgt, dass die schwedischen CO₂-Emissionen sinken. Der Rest ist Geschichte, aus dem Protest eines schwedischen Mädchens erwuchs "Fridays for Future".
Die Kurzbiografie auf Thunbergs Twitter-Profil lautet: "Autistische Aktivistin für Klimagerechtigkeit, geboren bei 375 ppm". Entscheidend ist in ihren Augen also nicht, in welchem Jahr sie selbst geboren wurde (2003), sondern wie hoch damals die Kohlendioxid-Konzentration in der Atmosphäre war. In der vorindustriellen Zeit lag der Wert bei 280 ppm, in den 20 Jahren seit Thunbergs Geburt ist er bis auf 419 ppm gestiegen. Nahezu alle Klimawissenschaftler warnen, dass dieser Wert viel zu hoch ist und energiepolitisch radikal umgesteuert werden muss, wenn die Erderwärmung nicht völlig aus dem Ruder laufen soll: Schluss mit dem Abbau fossiler Rohstoffe, massive Förderung erneuerbarer Energien.
Als Thunberg 2018 anfing, ging gerade der heißeste Sommer, seit am Stockholmer Observatorium die Temperaturen gemessen werden, also mindestens seit 262 Jahren, zu Ende. Riesige Feuer verschlangen damals 30 000 Hektar Wald. Dieses Jahr ist es schon Anfang Juni so heiß und trocken in Schweden, dass nahezu täglich vor der großen Brandgefahr im ganzen Land gewarnt wird. Thunberg wird also am kommenden Freitag wieder am Mynttorget stehen, nur ohne ihr berühmt gewordenes Schild. Jetzt am Freitagabend aber wird erst mal Abitur gefeiert.