Thüringer Verwicklungen:"Das kann doch alles nicht wahr sein"

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Im thüringischen Oberweißbach, dem Heimatort der von Neonazis ermordeten Polizistin Michèle K., ist man empört - und zwar über die jüngsten Verdächtigungen aus Berlin. Das BKA will eine Verbindung zwischen der jungen Frau und der braunen Terrortruppe entdeckt haben.

Christiane Kohl, Oberweißbach

Der Himmel ist strahlendblau über dem Thüringer Wald. Graue Schieferfassaden ragen zwischen grünen Hügeln hervor. Auf dem Marktplatz von Oberweißbach, einer kleinen Bergstadt, die nördlich von Coburg im südlichen Thüringen liegt, herrscht geschäftiges Treiben. Im Rathaus ist Bürgermeister Jens Ungelenk ins Dachgeschoss hinaufgestiegen, um mit dem Ordnungsamtsleiter die Sachlage zu beraten.

Heimatort der in Heilbronn ermordeten Polizistin

In Oberweißbach im thüringischen Landkreis Saalfeld-Rudolstadt steht das Geburtshaus des Pädagogen Friedrich Wilhelm August Fröbel (1782-1852). Richtig bekannt wurde der Ort aber erst jetzt: Aus ihm stammt die erschossene Polizistin Michèle K.

(Foto: dpa)

"Wir sind erschüttert", sagt der Kommunalpolitiker, "wie eine Bundesbehörde solche unverantwortlichen Aussagen treffen kann." Gleich nach der Pressekonferenz am Montag habe er versucht, in Berlin anzurufen, um die Dinge richtigzustellen. "Aber so ein kleines Licht wie ich wird ja da gar nicht erst durchgestellt", sagt der Bürgermeister entnervt.

Was die Mitarbeiter im Oberweißbacher Rathaus so erregt, sind die jüngsten Äußerungen zu dem Mord an der Polizistin Michèle K. im April 2007 in Heilbronn. Die junge Frau, die aus Oberweißbach stammte, ist von Mitgliedern des rechtsterroristischen Trios "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) erschossen worden, wie man inzwischen weiß.

Welches Motiv die Täter dabei antrieb, aber blieb bislang unklar - bis der Chef des Bundeskriminalamts, Jörg Ziercke, am Montag eine vermeintlich schlüssige Erklärung auftischte. Derzufolge sollte der Mord eine "Beziehungstat" gewesen sein, da man allerlei "Schnittmengen" zwischen der Familie der Polizistin und dem Umfeld des Terroristen-Trios entdeckt habe. Dabei ging es vor allem um den Stiefvater von Michèle K., der ein bekannter Hotelier in Oberweißbach ist.

Nach der Version des BKA sollte er vor Jahren mit einem rechtsgerichteten Gastwirt um den Zuschlag für ein anderes Hotel konkurriert haben. K. sei unterlegen. "Alles Quatsch", sagt hingegen der Ordnungsamtsleiter von Oberweißbach dazu. Zwar habe sich K. Mitte der neunziger Jahre kurzzeitig einmal für den Betrieb eines Hotels interessiert, das der Gemeinde gehört.

Noch bevor irgendetwas spruchreif werden konnte, sei er jedoch abgesprungen. In der Folge wechselte das Lokal ziemlich oft den Besitzer. Erst zehn Jahre später interessierte sich dann ein Gastwirt für das Hotel, das tatsächlich Beziehungen zur rechten Szene hatte, wie sich später herausstellte.

Das Hotel "Zur Bergbahn" liegt in Lichtenhain, einem Ortsteil von Oberweißbach, wo sich ein weiter Blick in die Landschaft bietet. Eine lange graue Schieferfassade, drinnen ein Saal mit Hängelampen aus buntem Glas und grünen Gardinen - so sah es in dem Hotel aus, als das Haus am 1. Dezember 2005 neu eröffnete.

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