Thüringen:Wie die NPD einen Politiker aus dem Land jagen will

Zeca Schall unterstützt die Thüringer CDU - Neonazis nutzen dessen Engagement für ihren Wahlkampf im Osten. Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft.

Christiane Kohl

Auf den Hauptstraßen der Vororte von Dresden scheinen sie fast allgegenwärtig zu sein: Mast an Mast hängen die NPD-Plakate rund um die sächsische Landeshauptstadt im Spalier.

Schall; ddp

"Ministerpräsident Dieter Althaus hat mir gesagt, dass mir nichts passieren wird und ich meine Arbeit fortsetzen soll": Zeca Schall - hier auf dem Marktplatz von Hildburghausen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt jetzt gegen die NPD.

(Foto: Foto: ddp)

An ländlichen Bundesstraßen sind viele Alleebäume mit den rot-weißen Pappschildern tapeziert, auch in die Briefkästen der Bürger flattern allerorten Broschüren mit rechten Hetzparolen. Mit einem Großaufgebot an Werbematerial, zu dem allein in Sachsen 90.000 Plakate, zwei Millionen Wahlkampfzeitungen und mehr als eine Million Flugblätter zählen, versucht die NPD derzeit in den Landtagswahlkämpfen in Sachsen und Thüringen von sich reden zu machen.

Da werden Comics und CDs auf Schulhöfen verteilt, und wo immer sich Gelegenheit bietet, versuchen die Rechtsextremen zu provozieren - denn es geht ihnen vor allem um eines: Aufmerksamkeit, egal in welcher Form.

Entsprechend willkommen ist dem sächsischen NPD-Chef Holger Apfel auch die Auseinandersetzung, die jetzt um den farbigen CDU-Politiker Zeca Schall, Integrationsbeauftragter der Christidemokraten in Thüringen, entbrannt ist: "Herr Althaus hat uns eine Steilvorlage geliefert", frohlockte Apfel am Donnerstag.

"Das sichert uns Aufmerksamkeit"

Er sei sicher, dass die Debatte um Schall der "NPD in Thüringen nützen wird". Und die Auswirkungen "strahlen auch auf Sachsen aus", so Apfel. Selbst die in den vergangenen Tagen laut gewordene Kritik der Kirchen komme den Rechtsextremen gelegen: "Das sichert uns Aufmerksamkeit."

Das Bistum Görlitz unterstützt eine Bürgeraktion in der Neißestadt, mit der sich Bewohner gegen die fremdenfeindliche NPD-Propaganda zur Wehr setzen: "Görlitz denkt anders und sagt klar Nein zur NPD", heißt es auf einem Plakat, das ein Aktionskreis in Görlitz drucken ließ. Seit vergangener Woche werden die 400 Poster in der Stadt verteilt, die als Reaktion auf eine Plakataktion der NPD zu verstehen sind, mit der die Rechtsextremen mit Parolen wie "Polen-Invasion stoppen" in der ostsächsischen Grenzstadt auf Stimmenfang gehen.

Im Fall Zeca Schall hatte sich der Erfurter Weihbischof Reinhard Hauke zu Wort gemeldet: "Als Christ wünsche ich Ihnen Gottes Segen und Kraft". Die NPD hatte Schall, der auf Plakaten für die CDU wirbt, am Dienstag in einer Pressemitteilung als "CDU-Quotenneger" beschimpft. Am Mittwoch versuchten mehrere Rechtsextreme - unter ihnen Parteichef Udo Voigt - dann, den 45-Jährigen an seinem Wohnort Hildburghausen aufzusuchen.

Unter Polizeischutz

Nach den Übergriffen hat der gebürtige Angolaner, der zu DDR-Zeiten als Student nach Hildburghausen kam und dort heimisch wurde, Hunderte von Zuschriften aus dem In- und Ausland bekommen. Mittlerweile steht er unter Polizeischutz, während die Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen die NPD eingeleitet hat.

Zuvor hatte der NPD-Wahlkampfleiter, der wegen Anstiftung zu einem Sprengstoffanschlag vorbestraft ist, angekündigt, dass Schall "zur Heimreise animiert" werden solle.

Dass Schall deutscher Staatsbürger ist, interessiert die NPD nicht. "Für uns gilt das Abstammungsprinzip", sagte Apfel, entsprechend betrachte er das "alte Staatsbürgerrecht" als bindend, nicht die rechtsgültige Fassung. Überhaupt fühlt sich die Partei offenbar nicht auf dem Boden des Grundgesetzes, Apfel sprach von der NPD als "systemoppositioneller Partei".

"Wir wollen den ländlichen Raum erobern"

Gleichwohl lassen die Parteiverantwortlichen ihre Druckschriften stets genauestens auf Rechtsprobleme prüfen. So bewege sich ein Comic in "strikt legalem Rahmen", das die Partei derzeit vor Berufsschulen und in Jugendzentren verteilt. Die Berufsschüler sind ein Hauptziel der NPD-Werbung, denn bei den jungen, daheimgebliebenen männlichen Ostbürgern, so hat Apfel festgestellt, "haben wir unser größtes Wählerreservoir".

Nach aktuellen Umfragen liegt die Partei in Sachsen und Thüringen bei etwa fünf Prozent. Das ist zwar weit weniger, als das ehrgeizige Wahlziel "10 plus x Prozent", das Apfel verkündet hatte. Doch der erinnert daran, dass die Rechtsextremen 2004 vor der Landtagswahl in Sachsen laut Umfragen bei vier Prozent lagen - später kamen sie auf 9,2 Prozent.

Inzwischen sitzen NPD-Leute in zahlreichen Stadt- und Gemeinderäten, in sächsischen Gerichten wirken sie als Schöffen. In einigen Dörfern der sächsischen Schweiz haben sie beinahe die Mehrheit der Bewohner hinter sich. Dort liegt denn auch der Schwerpunkt der NPD-Aktivitäten: "Wir wollen den ländlichen Raum erobern", sagt Apfel.

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