Kommunalwahl in Thüringen:AfD gewinnt im ersten Anlauf kein Spitzenamt, CDU stärkste Kraft

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Auszählung in Hildburghausen: AfD bei Kommunalwahlen in Thüringen trotz Zugewinnen klar hinter CDU (Foto: Michael Reichel/dpa)

Die Partei von Rechtsaußen Björn Höcke vergrößert gegenüber 2019 ihren Stimmenanteil. Aber sie kann im ersten Durchlauf der Kommunalwahl keine Landratsämter und Rathäuser erobern. Allerdings wird es zeitgleich zur Europa-Wahl viele Stichwahlen mit AfD-Beteiligung geben.

Die AfD hat bei den Kommunalwahlen in Thüringen ihren Stimmenanteil gegenüber 2019 zwar vergrößert - landet aber deutlich hinter der CDU, die erneut stärkste politische Kraft wurde. Nach den am Sonntagabend veröffentlichten vorläufigen Zahlen des Landeswahlleiters sind Stichwahlen bei den meisten Landräte- und Bürgermeisterwahlen der kreisfreien Städte in zwei Wochen nötig. Dort gelang es der AfD in einigen Fällen, Kandidaten in die Stichwahlen zu bekommen.

Zwei Wochen vor der Europawahl gelten die Kommunalwahlen in Thüringen auch als Test für die Stärke der AfD, die in dem Bundesland unter ihrem Landesvorsitzenden Björn Höcke als "gesichert rechtsextrem" eingestuft wird. Anfang September wird in dem Bundesland auch ein neuer Landtag gewählt. In Umfragen für die Landtagswahl lag bisher die AfD trotz diverser Skandale an der Spitze.

Beim ersten Wahlgang für die Bürgermeister- und Landratsämter erreichte die CDU nach Auszählung von 2487 von 2539 Stimmbezirke 31 Prozent der Stimmen. 23,1 Prozent der Stimmen fielen an "sonstige" Gruppierungen wie Freie Wähler oder unabhängige Kandidaten - vor der AfD mit 20,5 Prozent. Die SPD landete auf dem vierten Platz mit 16,6 Prozent. Bei den Kommunalwahlen mit 1,74 Millionen Wahlberechtigten wurden auch die Kreistage, Stadt- und Gemeinderäte gewählt. Der CDU-Landesvorsitzende Mario Voigt erklärte, dass die Union in Thüringen klar stärkste Kraft geworden sei.

Abgestimmt wurde in 13 Landkreisen über die Landräte, von denen die CDU bisher acht stellte. Einige langjährige CDU-Amtsinhaber, darunter Deutschlands dienstälteste Landräte in den Kreisen Eichsfeld und Greiz, traten nicht mehr an.

In der Landeshauptstadt Erfurt ist der langjährige SPD-Oberbürgermeister Andreas Bausewein nur auf Rang zwei gelandet und muss nun im Duell gegen den CDU-Kandidaten Andreas Horn um sein Amt kämpfen. In Jena liegt Thomas Nitzsche von der FDP vorn - und muss gegen die Grüne Kathleen Lützkendorf in die Stichwahl. In Weimar geht der parteilose Peter Kleine mit 72,7 Prozent in eine zweite Amtszeit, der von CDU und einem Bürgerbündnis gestützt wurde.

Gut 1,7 Millionen Menschen waren am Sonntag aufgerufen, auch über die Bürgermeister und Oberbürgermeister in 94 Städten sowie die Kandidaten für 17 Kreistagen und mehr als 600 Stadt- und Gemeinderäten abzustimmen. Nur alle 30 Jahre fallen in Thüringen derart viele Wahlen in den Kommunen zusammen. Wählen konnten auch 16- und 17-Jährige. Die Wahlbeteiligung lag bis 16 Uhr bei 46,2 Prozent.

Einen Tag vor der Wahl waren bei Demonstrationen für ein weltoffenes Thüringen und gegen Rechtsextremismus thüringenweit mehrere Tausend Menschen auf die Straße gegangen. Allein in Erfurt beteiligten sich am Samstag nach Polizeiangaben bis zu 2000 Menschen an einer Kundgebung.

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Anders als befürchtet, kann die AfD bei den thüringischen Kommunalwahlen am Sonntag keine wichtigen Ämter gewinnen. Doch in vielen Fällen wird erst bei den Stichwahlen in zwei Wochen entschieden - auch ein Neonazi ist dabei.

Von Jan Heidtmann

Bekannter Neonazi schafft es in Stichwahl um Landratsposten

Im südthüringischen Landkreis Hildburghausen hat es ein Rechtsextremist knapp in die Stichwahl um den Landratsposten geschafft. Der bundesweit bekannte Neonazi Tommy Frenck erhielt 24,9 Prozent der Stimmen und zog damit knapp am CDU-Kandidaten Dirk Lindner vorbei. Als Favorit gilt Sven Gregor, der für die Freien Wähler Landkreis Hildburghausen antrat und 42,4 Prozent der Stimmen erhielt.

Frencks Kandidatur hatte bereits vor der Wahl für Irritationen gesorgt. Nach dem Thüringer Kommunalwahlgesetz kann zum Landrat oder Bürgermeister nicht gewählt werden, "wer nicht die Gewähr dafür bietet, dass er jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes und der Landesverfassung eintritt". Laut Thüringer Verfassungsschutzbericht 2022 entwickelte sich Frencks Wählergemeinschaft "Bündnis Zukunft Hildburghausen" (BZH) "zur führenden neonazistischen Gruppierung im Landkreis Hildburghausen". Dennoch wurde der Extremist vom Wahlausschuss als Kandidat zugelassen.

Frenck wurde bundesweit bekannt, weil er eine Reihe großer Neonazi-Konzerte organisiert hatte, zu denen teils Rechtsextremisten aus mehreren europäischen Ländern anreisten.

Stimmungstest vor Landtagswahl im Herbst

In Umfragen zur Landtagswahl am 1. September liegt die AfD trotz Einbußen derzeit mit 30 Prozent weit vor der CDU mit etwa 20 Prozent und der Linken von Ministerpräsident Bodo Ramelow mit 16 Prozent. Thüringen wird seit 2014 von einer rot-rot-grünen Koalition regiert, die seit 2020 aber über keine eigene Mehrheit mehr im Landtag verfügt.

Bislang war unklar, ob und wie sich die jüngsten Skandale rund um die AfD-Europawahlkandidaten Maximilian Krah und Petr Bystron auswirken.

Im Kreis Sonneberg wurde 2023 der erste AfD-Landrat bundesweit gewählt. Danach war die Partei, die in Thüringen vom Landesverfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft wird, bei weiteren kommunalen Abstimmungen im Freistaat in den Stichwahlen gescheitert.

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Machtkampf innerhalb der AfD

Als Machtkampf innerhalb der AfD hatten einige Beobachter einen parteiinternen Streit im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt gedeutet, wo am Sonntag zwei konkurrierende Listen der AfD auf dem Wahlzettel standen. Landesparteichef Höcke unterstützt nicht die Liste mit dem offiziellen AfD-Namen, sondern die AfL-Liste - Alternative für den Landkreis. Die örtliche CDU und die Landes-AfD haben bereits signalisiert, die Wahl wegen der zwei Listen womöglich anfechten zu wollen. In der Thüringer AfD wird der lokale Streit als Ärgernis gesehen, befürchtet wird, dass die Listen die Wählerschaft spalten könnten.

Auch Thüringens AfD-Chef Höcke selbst steckt in juristischen Auseinandersetzungen. Er wurde am 14. Mai vom Landgericht Halle zu einer Geldstrafe wegen des Verwendens einer Parole der Nationalsozialisten verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, Höckes Verteidiger haben Revision eingelegt. Auf den in Nordrhein-Westfalen geborenen 52-Jährigen kommen noch weitere Verfahren zu - unter anderem ein Prozess wegen des Vorwurfs der Volksverhetzung am Landgericht in Mühlhausen.

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