Thüringen vor der Landtagswahl:Bei mir bist du schööööön

Porträtgalerie im Thüringer Landtag

Dreimal Christine Lieberknecht, in Öl, im Handy-Sucher und höchstselbst: In Thüringen gilt die Ministerpräsidentin als fast allgegenwärtig.

(Foto: Martin Schutt/dpa)

Christine Lieberknecht führt in Thüringen eine Art Adenauer-Wahlkampf: keine Experimente. Ihre ausbalancierte Art hat ihr geholfen, ins Amt der Ministerpräsidentin zu gelangen. Doch reicht das, um im Amt zu bleiben?

Von Cornelius Pollmer, Küllstedt/Heiligenstadt

Der Wagen von Christine Lieberknecht hält schließlich vor dem Gasthaus "Zur Blume" in Küllstedt, wo die Welt zwar zu Ende ist, aber noch in Ordnung. 1450 Einwohner, gelegen im Landkreis Eichsfeld, unterdurchschnittliche Arbeitslosigkeit, überdurchschnittliche CDU-Ergebnisse. "Wirklich schöne Welt hier, schöööööön", summt Lieberknecht, und sie muss es nun wirklich wissen.

Gäbe es eine Thüringen-Edition von "Stadt, Land, Fluss", Christine Lieberknecht hätte gute Chancen auf die Landesmeisterschaft. Wo es auch hingeht, die Ministerpräsidentin war schon mal da und hat etwas zu erzählen. In Küllstedt besuchte sie 2009 ein Altenheim, im vergangenen Jahr die Passionsspiele. In diesem Gasthaus sei sie auch schon mal gewesen, privat, mit ihrem Mann.

Lieberknecht gibt den Adenauer

Das katholische Eichsfeld spielt für die CDU bei den Landtagswahlen am kommenden Sonntag eine besondere Rolle, wenn es hier gut für sie läuft, hat das enormen Einfluss auf das Gesamtergebnis, ein starkes Resultat im Eichsfeld würde bis zu zwei Prozent extra bedeuten. Beim Unternehmertreffen in der Blume erklärt Lieberknecht deswegen nicht nur, wie schöööööön sie es in Küllstedt finde, sondern auch, was zu tun sei, damit dies so bleibe.

Im Grunde führt Lieberknecht in Thüringen eine Art Adenauer-Wahlkampf: keine Experimente. Die Linken oder die Schwarzen werden am Ende gewinnen, die CDU lässt diese Zuspitzung zumindest zu, weil sie glaubt, bei einer Entweder-oder-Entscheidung liege die Mehrheit verlässlich auf ihrer Seite. Ihr Angebot lautet: Mit uns bleibt alles so schöööööön, wie es ist. Ihre Warnung lautet: Mit den Anderen wird alles anders. Für die Linken hat Christine Lieberknecht in den vergangenen Wochen fast mehr Bezeichnungen gefunden, als diese Landtagsabgeordnete zählt - sozialistische Träumer, SED-Altkader, Aktivisten, Kommunisten, Ewiggestrige.

Diese Rechnung aber funktioniert im Detail nicht so recht, aus verschiedenen Gründen. Das Äußerste, was die CDU dem politischen Gegner zutraut, ist die Abschaffung der Schreibschrift, vom Kapitalismus ist bislang nicht die Rede. Überhaupt gehört es nicht zu den Paradedisziplinen Lieberknechts, irgendwelche Teufel an die Wand zu malen, das erschließt sich schon aus ihrer Biografie.

Die von der guten CDU

Christine Lieberknecht, 1958 in Weimar geboren, trat noch während ihres Theologiestudiums der CDU bei. Für einen politisch interessierten Christen habe es damals keine bessere Möglichkeit gegeben, sich zu engagieren. Wochen vor dem Mauerfall zeichnete sie mit vier anderen Mitgliedern der Ost-CDU den "Weimarer Brief", der eine Erneuerung der Partei einforderte. Die Zeitläufte machten diese Erneuerung nicht nur möglich, sondern nötig.

Als in den Monaten danach die Glücksritter und Aufbauhelfer in den Osten kamen, wurde Lieberknecht ihnen zuweilen nicht nur mit ihrem Namen vorgestellt, sondern auch mit einem Zusatz: Das ist die gute CDU. Für Christine Lieberknecht folgten 20 gute Jahre, in denen sie alle möglichen Partei- und Kabinettsposten erlangte, immer in Thüringen.

Das Amt wurde ihr fast aufgezwungen

Zu ihrer autobiografischen Erzählung gehört, dass ihr das Amt der Ministerpräsidentin schließlich vom Schicksal fast aufgezwungen worden sei. Es war das Jahr 2009, die CDU hatte bei den Landtagswahlen massiv verloren. Während die Partei schon Wahlkampf gemacht hatte, war ihr Ministerpräsident Dieter Althaus nach seinem Skiunfall in Österreich wegen fahrlässiger Tötung verurteilt worden. Althaus erklärte also seinen sofortigen Rücktritt, spazierte aber Tage später trotzdem wieder in die Staatskanzlei.

Lieberknecht hatte sich stets loyal gegenüber Althaus verhalten, nun zeigte sie notwendige Härte. Weil Althaus Fehler gemacht hatte und weil das linke Lager Fehler gemacht hatte, wurde Christine Lieberknecht Ministerpräsidentin. Aber natürlich auch: weil sie es eben doch wollte.

Innere Stärke zeigt sie, aber nicht immer Führungsstärke

Glaube und Politik schließen einander freilich nicht aus, manchmal kann diese Kombination ja auch produktiv wirken. An erwähntem Morgen in Küllstedt geht es für Christine Lieberknecht weiter nach Heiligenstadt, in die Kirchengemeinde St. Martin. "Kommen wir nun zu Ihrem eigentlichen Geschäft: Gut gegen Böse", sagt der Pfarrer bei seiner Führung. Lieberknecht relativiert seine Aussage ein wenig, dann sagt sie, Kirchen trügen bei "zur Erhebung des Menschen, sie ordnen ein". Sie machten einen klein und groß, sie balancierten aus, zwischen Demut und innerer Stärke.

Sie hängt, klebt aber nicht an der Macht

Ihre ausbalancierte Art hat Christine Lieberknecht geholfen, ins Amt der Ministerpräsidentin zu gelangen, aber sie allein wird ihr nicht garantieren, das Amt zu behalten. Wo es ihr an innerer Stärke nicht fehlt, ist zuweilen ein Mangel an Führungsstärke nach außen zu beobachten. Lieberknecht hat sich eher unbeholfen durch ein paar Affärchen ihrer schwarz-roten Regierung laviert, ihr eigener Fraktionschef tanzt immer mal wieder fröhlich aus der Reihe, zuletzt, indem er Lieberknechts Nein zu einer Koalition mit der AfD faktisch zu relativieren versuchte.

Und als sich Christine Lieberknecht neulich in der Zeitung zitieren ließ, sie hinge, aber sie klebe nicht an ihrem Amt, dann sollte das ein Ausdruck selbstverständlicher Demut sein - dass das in falsche Hälse geriet, damit hätte sie jedoch auch rechnen müssen.

Rot-Rot-Grün ist unbeliebt

Hätten die Thüringer die Möglichkeit, den Ministerpräsidenten direkt zu wählen, wäre die Sache klar. 52 Prozent wären für Christine Lieberknecht von der CDU, nur 34 Prozent für den Linken Bodo Ramelow, sechs Prozent sagen "keinen von beiden" und acht Prozent wissen es nicht. Das sind die Ergebnisse des jüngsten Politbarometers der Forschungsgruppe Wahlen; die Umfrage fand zwischen dem 1. und 3. September statt. In der Konstellation CDU-Amtsinhaberin gegen SPD-Herausforderin wäre der Vorsprung allerdings geringer: 45 Prozent wären dann für Lieberknecht und 34 Prozent für Heike Taubert, drei Prozent wollen explizit "keinen von beiden", 18 Prozent wissen es nicht, oft weil sie Heike Taubert nicht kennen.

Gefragt nach ihrer liebsten Koalition, gab es keine echte Mehrheit. Die derzeit regierende große Koalition hat zwar als einzige Bündnisoption eine relative Mehrheit, ist aber sichtbar weniger beliebt als im Bund oder zuletzt in Sachsen. 46 Prozent hielten eine Koalition aus CDU und SPD für gut. 34 Prozent fänden das schlecht und 17 Prozent wäre es egal. Eine rot-rote Regierung unter Führung der Linken käme auf 32 Prozent Zustimmung, schlecht fänden das 53 Prozent. 31 Prozent befürworten eine rot-rote Regierung unter Führung der SPD. "Gut" sagen außerdem 30 Prozent zu Schwarz-Grün, und nur 26 Prozent zu Rot-Rot-Grün.

Beim Blick auf die Wahlabsichten der Thüringer könnte es im nächsten Landtag außer einer schwarz-roten Neuauflage auch für eine Koalition aus Linke, SPD und Grünen reichen. Nach der Projektion käme die CDU auf 36, die Linke auf 26 und die SPD auf 16 Prozent. Die Grünen könnten mit sechs Prozent rechnen, die AfD erreicht acht Prozent. SZ

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