Für Freunde der eindeutigen politischen Farbgestaltung ist die aktuelle Entwicklung in Thüringen und Sachsen freilich ein Albtraum. Blau für Demokraten, Rot für Republikaner – so einfach mag es vielleicht dieser Tage noch in den USA zugehen. Hierzulande aber reicht längst nicht mehr nur Schwarz und Rot, selbst nicht in Verbindung mit Gelb und Grün, zur Beschreibung politischer Konstellationen. Für ein Bündnis aus CDU, BSW und SPD, wie es in Thüringen und Sachsen entweder mit oder ohne linke Tolerierung zumindest denkbar erscheint, fand zuletzt in einigen Medien der Begriff „Brombeer-Koalition“ Verwendung. Offenbar, weil Brombeeren nach einem anfangs säuerlich grün-rotem Reifestadium später farblich zwischen Schwarz, Rot und Violett changieren. Erstmals verwendet wurde die Wortschöpfung am 28. August 2024 in einem Essay vom Parteienforscher Karl-Rudolf Korte, einem aus Nachrichtensendungen bekannten Universitäts-Silberhaar.
Wobei es die neue Partei Sahra Wagenknechts dem politischen Farbforscher nun wirklich schwer macht: Schon die Gestaltung der BSW-Plakate ist farblich keineswegs eindeutig, die Typografie wirkt noch fremd, auch findet sich kein ekstatisch aufgerichteter Pfeil oder ähnlich Aufregendes. Man setzt schlicht auf eine Farbfläche, welche von Violett gen Osten, also nach rechts, in Richtung Gelb tendiert. Ältere erinnert das an die Umschlaggestaltung des Designers Willy Fleckhaus für den Suhrkamp-Verlag oder an die Regenbogenfahnen am Katholikentag, Jüngere denken eher an die Farbe der Instagram-App. Die politische Botschaft jedenfalls dürfte klar sein: Dort drüben, wo es gelb leuchtet, da geht gerade die Sonne auf, ein neuer Tag beginnt – und schaut doch mal, es dämmert schon. Was für die Programmatik einer einzelnen Partei farblich durchaus Sinn ergeben mag, verkompliziert die Sache jedoch, wenn es um politische Bündnisse geht.
„Kiwi“ und „Papaya“ haben sich nicht durchgesetzt
Schon zuletzt hatten Parteienforscher und Kommentatoren neben Nationalfarben (Kenia, Jamaika, Afghanistan) auch Alltagsobjekte (Ampel, Spezi und – für eine Koalition aus ÖVP, Grünen und Neos in Österreich: Dirndl) zur Beschreibung von Regierungskonstellationen zu Hilfe genommen. Immer wieder bedienten sie sich auch im Früchteregal. Schwarz-Grün in Baden-Württemberg etwa wurde „Kiwi“ genannt, die Koalition aus CSU und Freien Wählern im Münchner Landtag „Papaya“. Doch je exotischer die Früchte wurden, umso weniger setzten sie sich auch im allgemeinen deutschen Sprachgebrauch durch.
Dem beliebten Gartengewächs „Brombeere“ hingegen könnte, auch weil es das Farbspektrum der so benannten politischen Konstellation wohl am besten trifft, vielleicht ein längeres Leben beschieden sein. Denn, wie es schon in Goethes naturwissenschaftlicher Schrift „Zur Farbenlehre“ von 1810 heißt: „Das Mischen, Sudlen und Manschen ist dem Menschen angeboren.“ Zu berücksichtigen wäre allerdings, dass Brombeeren wie Früchte allgemein bei falscher Lagerung sehr schnell braun werden können. Und Braun ist unter allen politischen Farben wirklich die mit Abstand Schrecklichste.