Süddeutsche Zeitung

Thüringen:Ramelow regiert wieder

Vier Wochen nach dem ersten Versuch wird der Linke Ministerpräsident - und verweigert AfD-Mann Höcke den Handschlag.

Von Detlef Esslinger und Antonie Rietzschel, Erfurt/München

Der wiedergewählte Ministerpräsident von Thüringen, Bodo Ramelow (Linke), hat gezeigt, dass er nichts mit der AfD gemein haben will. Nach seiner Wahl am Mittwoch im Landtag in Erfurt nahm er Umarmungen, Glückwünsche und Blumensträuße seines Vorgängers Thomas Kemmerich (FDP) sowie der Vertreter von CDU, SPD, Grünen und Linken an. Dem Landes- und Fraktionschef der AfD, Björn Höcke, verweigerte er den Handschlag, als dieser vor ihm stand.

Ramelow war im dritten Wahlgang gewählt worden. Er erhielt 42 Stimmen, genauso viele, wie sein rot-rot-grünes Bündnis Abgeordnete hat. 23 Abgeordnete stimmten mit Nein, 20 enthielten sich. Die AfD stellt 22 Abgeordnete; der CDU gehören 21 Parlamentarier an. Die fünf Abgeordneten der FDP blieben in allen Wahlgängen sitzen, als sie aufgerufen wurden. Sie wollten sich nicht zwischen Ramelow und Höcke entscheiden müssen. Verfassungsrechtlich ist ein solches Verhalten möglich.

Allgemein war damit gerechnet worden, dass die Wahl erst im dritten Wahlgang gelingen würde. Ungewiss war jedoch, wie sich die 21 CDU-Abgeordneten in den geheimen Abstimmungen verhalten würden. In den beiden ersten Versuchen wäre die absolute Mehrheit der Abgeordneten - also 46 Stimmen - nötig gewesen. Vereinbart mit Rot-Rot-Grün war, dass die CDU sich der Stimme enthalten würde. Am Montag jedoch nominierte die AfD ihren Vorsitzenden Höcke als Gegenkandidaten zu Ramelow. Sie spekulierte darauf, dass einige CDU-Abgeordnete, denen das Kooperationsverbot ihrer Partei mit der AfD ohnehin zu weit geht, sich an die Abmachung mit Rot-Rot-Grün nicht gebunden fühlen würden. Hätte Höcke mehr als die 22 Stimmen seiner Fraktion erhalten, hätte er damit vermutlich erbitterten Streit in der CDU in Thüringen und im Bund ausgelöst.

In den ersten beiden Wahlgängen bekam er jedoch exakt 22 Stimmen. Es gab 21 (vermutlich christdemokratische) Enthaltungen. Daraufhin änderte Höcke seine Taktik. Er zog seine Kandidatur zurück, Ramelow war somit einziger Kandidat. Höcke spekulierte offenbar darauf, dass nun CDU-Abgeordnete mit Nein stimmen würden. Im dritten Wahlgang gilt als gewählt, wer die meisten Stimmen erhält - unterschiedliche Rechtsmeinungen bestehen jedoch für den Fall, dass es für den verbliebenen Kandidaten mehr Nein- als Jastimmen gibt. Letztlich schien sich aber nur ein CDU-Abgeordneter fürs Nein entschieden zu haben: Es gab 20 Enthaltungen.

Ramelows langjähriger Staatskanzleichef Benjamin-Immanuel Hoff sagte der SZ: "Die CDU hat ihren Vorsitzenden ausgetauscht, seitdem funktionieren Absprachen." Am Montag hatte der CDU-Parlamentarier Mario Voigt den Fraktionschef Mike Mohring abgelöst. Ramelow sagte, die AfD habe nach der Wahl Kemmerichs zum Ministerpräsidenten vor vier Wochen zugegeben, diesem eine Falle gestellt zu haben. Er werde Höcke erst dann wieder die Hand geben, wenn dieser die Demokratie verteidige, statt Fallen zu stellen.

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SZ vom 05.03.2020
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