Süddeutsche Zeitung

Thüringen:CDU reagiert gemischt auf die Ramelow-Lösung

  • Thüringens ehemalige Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht ist zufrieden mit der für das Land gefundenen Lösung.
  • Anders sieht es dagegen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, der eine Mitarbeit der CDU bei dem Kompromiss kritisiert.
  • Die AfD-Vorsitzende im Bundestag, Alice Weidel, hält die Einigung für einen "Dammbruch".

Thüringens Ex-Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) hält die in der deutschen Landespolitik bisher einmalige Vereinbarung zwischen Linke, SPD, Grünen und CDU in Thüringen für tragfähig. "Sie sichert eine verlässliche Wahl von Bodo Ramelow zum Ministerpräsidenten durch eine hinreichende Zahl an Stimmen", sagte Lieberknecht am Samstag der Deutschen Presse-Agentur in Erfurt. Zudem gebe es Stabilität im Regierungshandeln "für eine überschaubare Zeit bis zur Neuwahl".

"Damit ist auch kein Gesetz gegen Grundüberzeugungen der CDU möglich", sagte Lieberknecht. Ihre Partei werde die Zeit bis zur Neuwahl nutzen, "um mit neuer personeller Aufstellung verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen". Lieberknecht wollte den von Landespolitikern als "historisch" bezeichneten Kompromiss weder Duldung noch Tolerierung nennen. Es gehe um die Zusammenarbeit einer Minderheitsregierung mit einer konstruktiven Opposition, sagte sie. "Das ist eine realpolitische Lösung. Es gibt gute Gründe dafür."

Der Thüringer CDU-Chef Mike Mohring twitterte am Samstag eine eigene Version der Einigung. Demnach würde die CDU-Fraktion Ramelow im Erfurter Landtag "nicht aktiv zum Ministerpräsident" wählen. Gleichwohl nehme die Fraktion das Ergebnis vom Freitag "mehrheitlich zustimmend zur Kenntnis." Zudem wolle man sich "stabilen Verhältnissen nicht verweigern und Angebote von anderen für eine stabile Situation annehmen". Wie genau die CDU-Fraktion vorgehen will, um eine sichere Wahl Ramelows zu garantieren, ist nicht klar.

Uneinigkeit in der Großen Koalition

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) wandte sich entschieden gegen eine Wahl Ramelows mit Hilfe der CDU. Spahn twitterte am Samstag: "Eine Wahl von Bodo Ramelow durch die CDU lehne ich ab. Wir sind als Union in einer Vertrauenskrise. Die letzten Wendungen aus Thüringen kosten weiteres Vertrauen. Es geht jetzt um die Substanz unserer Partei - nicht nur in Thüringen."

Weiter argumentierte das Mitglied des CDU-Präsidiums: "So schwierig die Lage für unsere Kollegen vor Ort in Thüringen ist: Nachdem die Suche einer überparteilichen Persönlichkeit gescheitert ist, hilft kein weiteres Taktieren. Ich sehe einen Weg nach vorne nur in zügigen Neuwahlen. Da müssen wir dann zusammen mit aller Kraft kämpfen."

Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken hielt Spahn via Twitter entgegen, dass man sich innerhalb der Großen Koalition in der Bundesregierung geeinigt habe, dass alle Partner - also Sozialdemokraten und die Union - "ihren Beitrag für eine demokratisch getragene Regierung und baldige Neuwahlen in" Thüringen leisten würden. Nachdem die Beteiligten in dem Bundesland eine Lösung gefunden haben, erwarte sie nun, dass die CDU dies auch bundesweit tue.

Der Generalsekretär der Union, Paul Ziemiak, will sich am frühen Samstagmittag zur Einigung in Thüringen äußern.

Die Vorsitzende der AfD im Bundestag, Alice Weidel, sprach am Samstag von einem Dammbruch. "Damit wird der Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU zur Makulatur und es zeigt sich einmal mehr: Die anderen Parteien machen sich ihre "Demokratie", wie sie ihnen gefällt", schrieb sie auf Facebook. "Für diesen Dammbruch erhält die CDU noch eine Schonfrist von einem Jahr bis zur Neuwahl, denn man will ja nicht zehn Prozent der Wähler verlieren." Am Schluss schrieb sie: "Den Sozialismus in seinem Lauf, hält weder Ochs noch die CDU auf..."

Linke, SPD und Grüne hatten sich am Freitagabend mit der CDU auf eine Ministerpräsidentenwahl am 4. März geeinigt. Die Neuwahl des Parlaments soll am 25. April 2021 erfolgen. Bis dahin soll es eine verbindliche Zusammenarbeit zwischen CDU und Rot-Rot-Grün bei verschiedenen Projekten geben - darunter dem Haushalt für das kommende Jahr.

Nach einem Parteitagsbeschluss der CDU soll es weder eine Zusammenarbeit mit der AfD noch der Linken geben. Lieberknecht: "Das war sicher auch richtig. Aber in den ostdeutschen Ländern gibt es andere Verhältnisse." Im Thüringer Landtag stelle die Linke die stärkste Fraktion, die AfD die zweitstärkste. Lieberknecht hatte nach ihrer Absage als mögliche Interimsministerpräsidentin bis zu schnellen Neuwahlen ihrer Partei ein Zugehen auf die Linke empfohlen.

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