Thüringen:Ramelow hält sich Sonderweg offen

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„Ich habe niemandem gesagt, reißt euch die Maske runter und beginnt zu küssen". Aber über Lockerungen hat Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow schon nachgedacht. (Foto: Martin Schutt/dpa)

Bund und Länder einigen sich auf Kontaktbeschränkungen. Der Ministerpräsident geht auf Distanz.

Von Ulrike Nimz, Leipzig

Noch sind die meisten Pressekonferenzen kontaktlos in Thüringen; und als Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) die Ergebnisse der Kabinettssitzung am Dienstag im Livestream verkündete, war klar: So schnell wird es dann doch nicht gehen mit den Corona-Lockerungen im Freistaat. Man wolle vielmehr "schrittweise vom Krisenmodus in den Regelmodus" übergehen, sagte Ramelow. Geht es nach dem Regierungschef, soll das Gesundheitsministerium mit einer Task Force und einem Expertengremium die Arbeit des bisherigen Krisenstabes des Landes übernehmen. Wenn nötig, würde bei Infektionsherden weiterhin Quarantäne angeordnet oder Schulen geschlossen. Nicht infrage stehe hingegen der allgemeine Infektionsschutz. "Ich habe niemandem gesagt, reißt euch die Maske runter und beginnt zu küssen." Auch in Thüringen solle weiter ein Mund-Nasen-Schutz getragen werden, wo sich Menschen nahe kommen, so im öffentlichen Nahverkehr. Auch der Mindestabstand von 1,5 Metern solle eingehalten werden. Lockerungsschritte würden in der kommenden Woche beraten, so Ramelow. Entscheidungen seien im Kabinett nicht gefallen, aber das ein oder andere kritische Wort: "Die Kollegen haben sich bei mir beschwert, dass die Diskussionen übers Wochenende in die falsche Richtung gingen."

In der Thüringer Allgemeinen hatte Ramelow sich für eine neue Strategie im Kampf gegen das Virus ausgesprochen, wonach es keine vom Land verordneten Corona-Beschränkungen mehr geben sollte. Sein Vorpreschen war bundesweit, in den Kommunen des Freistaats, aber auch bei Ministern der rot-rot-grünen Minderheitsregierung auf Widerspruch gestoßen. Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) sprach von einer "erheblichen Verunsicherung in der Bevölkerung". Umweltministerin Anja Siegesmund (Grüne) sagte, "die Akzeptanz der Maßnahmen in der Bevölkerung ist auch davon abhängig, dass die Landesregierung geschlossen dazu steht."

Ganz zurück auf Linie ist man dann aber doch nicht im kleinen Thüringen. Als Bund und Länder am Dienstagabend beschlossen, die verbindlichen Kontaktbeschränkungen bis zum 29. Juni fortzuschreiben und lediglich Treffen im öffentlichen Raum mit bis zu zehn Personen oder den Angehörigen zweier Hausstände ab dem 6. Juni zu gestatten, behielt sich Thüringen vor, einen Sonderweg einzuschlagen. Bei privaten Zusammenkünften in geschlossenen Räumen seien Hygiene- und Abstandsregeln umzusetzen. "Die Zahl der Personen ist entsprechend zu beschränken" und für "ausreichend Belüftung" sei zu sorgen, heißt es in dem Papier, das aus einem Treffen des Chefs des Bundeskanzleramtes mit den Chefs der Staats- und Senatskanzleien hervorging. Ramelow kritisierte das: "Ich bin nicht bereit, die Schwelle der Privatsphäre mit einer staatlichen Verordnung zu überschreiten." Man dürfe den Menschen keine Vorschriften machen, wie sie sich zu Hause zu verhalten hätten.

© SZ vom 27.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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