Süddeutsche Zeitung

Thüringen nach der Landtagswahl:Der Ober sticht den Unter

Die SPD will in Thüringen politische Grundregeln außer Kraft setzen. Aber an die Macht wollen mit Hilfe der Linken, ohne dafür den üblichen Preis zu entrichten - das geht nicht.

Peter Fahrenholz

Aus dem beliebten bayerischen Kartenspiel Schafkopf stammt eine simple Grundregel, die als hierarchisches Ordnungsprinzip auch in den meisten anderen Lebensbereichen gilt. Sie lautet: Der Ober sticht den Unter. Käme jemand auf die Idee, diese Regel mitten im Spiel einfach umzukehren, würden sich seine Mitspieler zunächst an die Stirn tippen und ihn dann, falls er auf seiner Sonderregel beharrt, nicht mehr mitmachen lassen.

In Thüringen versucht der SPD-Spitzenkandidat Christoph Matschie gerade, die politischen Regeln zu ändern und fügt damit der unrühmlichen Geschichte vom Umgang der SPD mit der Linkspartei ein weiteres blamables Kapitel hinzu.

Matschie und seine SPD haben die Landtagswahl in Thüringen verloren. Mit 18,5 Prozent könnte man nur dann den Anspruch auf die Führung erheben, wenn alle anderen noch schwächer wären.

In Thüringen sind aber sowohl die CDU als auch die Linke klar stärker als die SPD. Für Matschie gibt es demnach nur zwei Möglichkeiten, wie er seine Partei in die Regierung führen kann: Als Juniorpartner der CDU oder als Juniorpartner der Linken, eventuell noch unter Hinzunahme der Grünen, auch wenn das für eine Mehrheit nicht nötig wäre.

Im einen Fall würde CDU-Amtsinhaber Dieter Althaus wieder Ministerpräsident (oder jemand anders aus der Union, falls die CDU Althaus aus dem Verkehr zieht); im anderen Fall käme Bodo Ramelow von der Linken als Regierungschef zum Zuge. In keinem Fall kann Matschie selbst den Anspruch auf das Ministerpräsidentenamt erheben. Der Ober sticht nun einmal auch in der Politik den Unter.

Eine unverschämte Anmaßung

Doch Matschie will die Junior-Rolle nur an der Seite der CDU akzeptieren, für eine Verbindung mit der Linken soll sich der Stärkere dagegen dem Schwächeren unterordnen.

Das ist eine unverschämte Anmaßung, und Matschies Begründung für dieses Verhalten fügt dem noch eine gehörige Portion Lächerlichkeit hinzu. Das habe die SPD vor der Wahl so beschlossen, deshalb müsse es nach der Wahl auch gelten, argumentiert der SPD-Mann allen Ernstes. Dass sich der Lauf der Welt nach Beschlüssen von SPD-Gremien richtet, war schon immer eine Wunschvorstellung von Sozialdemokraten.

Ein neurotisches Verhältnis

Es ist völlig in Ordnung, dass die SPD abwägt, welche Koalition für sie mehr Nutzen verspricht und welche ein höheres Risiko bedeutet. Und wenn sie dabei zu dem Schluss kommt, dass eine Regierung, in der die Linke stärker ist als sie selbst, ein zu großes Risiko ist (für die SPD, für das Land oder für wen auch immer), dann darf sie unter diesen Umständen eben überhaupt keine rot-rote Koalition eingehen. Aber an die Macht wollen mit Hilfe der Linken, ohne dafür den üblichen Preis zu entrichten - das geht nicht.

Die Thüringer Posse sollte für die SPD ein weiterer Grund sein, ihr neurotisches Verhältnis zur Linken endlich grundsätzlich zu klären. Mit ständig neuen Sonderklauseln und Ausschlusskriterien schwächt sich die SPD nur selbst.

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SZ vom 02.09.2009/woja
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