Süddeutsche Zeitung

Thüringen: Machtkampf in der CDU:Lieberknecht: Ära Althaus ist zu Ende

CDU-Sozialministerin Lieberknecht erhebt Anspruch auf die Althaus-Nachfolge - und übt unverhohlen Kritik am Noch-Ministerpräsidenten.

Die thüringische Sozialministerin Christine Lieberknecht (CDU) beansprucht das Amt des zurückgetretenen Ministerpräsidenten, ihres Parteifreundes Dieter Althaus. Sie war von der stellvertretenden Regierungschefin Birgit Diezel (CDU) am Montagabend für diese Spitzenposition vorgeschlagen worden.

Im Deutschlandradio Kultur sagte Lieberknecht nun, mit der Erklärung von Dieter Althaus, "heute die Kabinettssitzung zu leiten, ist eine große Verwirrung entstanden".

Lieberknecht will Verlässlichkeit für SPD schaffen

Laut Verfassung stehe ihm dies zwar zu, doch die Verfassungsfrage sei das eine, die politische Wahrnehmung das andere. "Auf jeden Fall ist die Ära von Althaus mit dem Rücktritt, den er selbst erklärt hat, zu Ende. Jetzt geht es darum, nach vorn zu schauen."

Lieberknecht sagte, es sei in dem Gespräch mit Diezel auch darum gegangen, jetzt Verlässlichkeit für die SPD zu schaffen. Die Sozialdemokraten sind nach der Landtagswahl, bei der die CDU rund zwölf Prozentpunkte und die absolute Mehrheit eingebüßt hatte, der einzig mögliche Koalitionspartner für die Christdemokraten.

Offenbar gibt es starke Kräfte bei den Thüringer Christdemokraten, die Lieberknecht nicht als Regierungschefin wollen. Aus CDU-Kreisen heißt es, Birgit Diezel habe ihren Vorstoß zur Nominierung Lieberknechts nicht mit der Partei abgesprochen. Weder Althaus noch CDU-Landtagsfraktionschef Mike Mohring waren demnach in die Entscheidung eingebunden.

Zwischenzeitlich soll sogar versucht worden sein, den früheren Ministerpräsidenten Bernhard Vogel zu reaktivieren - der aber lehnte offenbar ab. "Für mich gilt definitiv: Rat ja, Amt nein", erklärte Vogel. Zur Benennung Lieberknechts für die Althaus-Nachfolge sagte der Ehrenvorsitzende der Thüringer CDU: "Ich finde das sehr erfreulich." Die Sozialministerin habe schon immer seine "volle Sympathie" besessen. Ihre Erfahrungen auf mehreren Positionen im Kabinett und an der Spitze von Landtag und Fraktion qualifiziere sie für das Amt.

Die thüringische Opposition reagiert mit ungläubigem Kopfschütteln auf das Partei-Theater. SPD-Landeschef Christoph Matschie, der mit der CDU noch weiter verhandeln will, belässt es vorerst bei einer Mahnung: "Die CDU muss jetzt schnell klären, wer die Fäden in der Hand hat."

Für den Spitzenkandidaten der Linken, Bodo Ramelow, ergibt die Entscheidung von Althaus keinen Sinn. "Mit der Art seines Rücktritts hat er deutlich zu verstehen gegeben, dass er sich aus der Thüringer Politik zurückziehen will."

Der Realitätsverlust sei offenbar gravierender als gedacht. Ramelow führt das auf die Folgen des schweren Skiunfalls am Neujahrstag zurück, als eine Frau starb und Althaus ein schweres Schädel-Hirn-Trauma erlitt. "Er muss sich jetzt die Zeit nehmen, um sich mit den traumatischen Folgen auseinanderzusetzen."

Die Thüringer SPD wertet den Machtkampf in der CDU als "letztes Aufbegehren des Systems Althaus". Die Gruppe um Althaus könne nicht von der Macht lassen, sagte SPD-Landesgeschäftsführer Jochen Staschewski. Die CDU müsse schnell entscheiden, mit welchem Personal sie in die Verhandlungen über eine künftige Regierung gehen wolle. Die SPD plant an diesem Donnerstag das zweite Sondierungsgespräch mit der CDU über eine mögliche Koalition. Bislang führt die stellvertretende Ministerpräsidentin Birgit Diezel die CDU-Delegation.

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