Thüringen:Fachlich kompetent, aber von Tag eins an umstritten

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Tilo Kummer war drei Jahre lang Bürgermeister von Hildburghausen. Seine Amtszeit endete mit einem Eklat. (Foto: imago stock/imago images/ari)

Umweltminister Thilo Kummer ist Nebenerwerbslandwirt und war lange bei der Linken. Als junger Mann hatte er Verbindungen zur Stasi, doch politische Probleme könnte ihm etwas anderes bereiten.

Von Jan Bielicki

Tilo Kummer kennt das Haus mit der wuchtigen Fassade im Süden Erfurts gut. 20 Jahre lang ging er dort oft dienstlich ein und aus, von seinem Arbeitsplatz hatte er es nicht weit: Thüringens Landtag, in dem Kummer von 1999 bis 2019 als Abgeordneter der Linken saß, liegt gleich gegenüber, und als Umweltpolitiker hatte er viel zu besprechen im Ministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz. An diesem Montag aber betrat er das Gebäude als Hausherr.

Erst am Freitag hat der 56-jährige Vater von vier Kindern seinen Eid als Thüringens neuer Umweltminister abgelegt, als einer von drei Ressortleitern, die das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) im zehnköpfigen Kabinett von CDU-Ministerpräsident Mario Voigt stellt. Und als sofort umstrittenster Minister der neuen Brombeerkoalition aus CDU, SPD und BSW.

Dass eine heftige Debatte um ihn anhob, liegt freilich nicht an seiner fachlichen Eignung. Der diplomierte Fischerei-Ingenieur führt daheim in Gerhardtsgereuth, einem dörflichen Ortsteil der südthüringischen Kreisstadt Hildburghausen, einen landwirtschaftlichen Betrieb mit Vieh und einem Stück Wald – und als Fachpolitiker war er im Landtag respektiert. Schon 2014, als Rot-Rot-Grün die Regierung im Land stellte, galt Kummer als Kandidat für das Amt, das er nun übernimmt.

Dass er es damals nicht bekam, hatte seinen Grund auch dort, wo sich auch heute der Streit um ihn entzündet: in seinem Vorleben, genauer in einer Entscheidung, die er vor 37 Jahren getroffen hat: Nach seinem Abitur verpflichtete sich der 20-Jährige dazu, seinen Wehrdienst freiwillig als Unteroffizier auf Zeit für drei Jahre abzuleisten – und zwar im Wachregiment Feliks Dzierzynski.

Kummer hat seinen Stasi-Wehrdienst nie verschwiegen

Diese nach dem Gründer der sowjetischen Geheimpolizei Tscheka benannte Truppe unterstand dem Ministerium für Staatssicherheit der DDR, kurz MfS oder vulgo Stasi. Sie war militärischer Arm der Stasi und hatte die Aufgabe, Staats- und Parteiführung zu schützen und bei inneren Unruhen einzugreifen. Ihre Soldaten waren hauptamtliche Mitarbeiter des MfS und wurden rekrutiert aus jungen Männern, die der Stasi als ideologisch gefestigt galten – wie der junge Kummer, der schon in Jugendorganisation FDJ Funktionen zu ihrer Zufriedenheit erfüllt hatte.

Kummer ist damit erster Minister mit einer hauptamtlichen Stasivergangenheit. Allerdings: Ein bloßer Wehrdienst im Stasi-Wachregiment gilt nicht als Ausschlussgrund für eine Beschäftigung im öffentlichen Dienst, solange die Akten nicht zusätzliche Verbindungen zum MfS offenbaren. Kummer selbst hat seinen Stasi-Wehrdienst nie verschwiegen. „Die sechs bisher erfolgten Überprüfungen meiner Person haben ausdrücklich keinerlei Hinweise auf eine Zusammenarbeit mit dem MfS ergeben“, erklärte er nun auf Anfrage der Zeitung Bild.  Er sei „vorrangig als Kasernenwache eingesetzt“ gewesen.

Jedoch lässt noch ein anderer Abschnitt seines Lebens Kritiker an seiner Befähigung zweifeln, ein Ministerium zu führen. 2020 war Kummer zum Bürgermeister in Hildburghausen gewählt worden, im ersten Wahlgang gegen den CDU-Amtsinhaber und einen AfD-Kandidaten. Drei Jahre später war er sein Amt schon wieder los, abgewählt in einem Bürgerentscheid.

Er hatte nicht in die Stadtkasse gegriffen und sich auch sonst nichts zuschulden kommen lassen. Aber er hatte sich offenbar mit großen Teilen des Stadtrats verkracht, die ihm mangelnde Einbindung und autoritäre Amtsführung vorwarfen. Der Antrag zu seiner Abwahl löste einen landesweiten Eklat aus: Betrieben wurde er von der AfD und noch weiter rechts stehenden Extremisten. Die nötige Zweidrittelmehrheit im Rat kam nur zustande, weil zum Unmut von Landesparteichef Georg Maier auch drei SPD-Stadträte zustimmten. Alle drei sind inzwischen aus der Partei ausgetreten.

Kummers linke Parteifreunde standen zu ihm und zeigten sich ziemlich überrascht, als er Anfang des Jahres seinen Übertritt zum BSW erklärte. Nun hat er das Ministeramt, das ihm der linke Ministerpräsident Bodo Ramelow vor zehn Jahren nicht anvertrauen wollte.

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