Mehr als zwei Monate nach den Landtagswahlen könnte Thüringen als erstes Bundesland eine sogenannte Brombeer-Koalition bekommen – bestehend aus CDU, SPD und BSW. Auf einer Mitgliederversammlung stimmten die Stimmberechtigten des Bündnisses Sahra Wagenknecht mehrheitlich für den ausgehandelten Koalitionsvertrag. In Ilmenau stimmten 76 BSWler für den Vertrag, 26 votierten dagegen, zwei enthielten sich. Nun fehlt lediglich die Zustimmung der SPD zu dem Papier, bei den Sozialdemokraten läuft noch bis Montagmittag ein Mitgliederentscheid. Die CDU hat den Vertrag bereits abgenickt.
Dass der Koalitionsvertrag die Zustimmung des BSW erhält, war in den vergangenen Wochen alles andere als gewiss. Grund dafür war der Streit zwischen der Landesvorsitzenden Katja Wolf mit der Namensgeberin des Bündnisses. Wagenknecht hatte nach den Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg, wo die vor Kurzem gegründete Partei überall gut abschnitt, Forderungen gestellt, außen- und sicherheitspolitische Themen in möglichen Koalitionsverträgen festschreiben zu lassen – auch wenn diese auf Landesebene nicht mitbestimmt werden. So stellt sich das BSW etwa gegen weitere Waffenlieferungen in die Ukraine und lehnt auch die Stationierung von US-Raketen auf deutschem Boden ab.
Wolf hatte wiederholt angedeutet, Außenpolitik dem Bund überlassen und sich auf landespolitische Themen konzentrieren zu wollen. Außerdem wolle sie sich nicht aus Berlin in die Verhandlungen "reinfunken" lassen. Wolf einigte sich mit CDU und SPD auf einen Formelkompromiss zur Außenpolitik, der die unterschiedlichen Positionen der Parteien in dieser Frage deutlich machte. Wagenknecht bezeichnete die Einigung daraufhin als Fehler.
Auf der Mitgliederversammlung in Ilmenau machte Wagenknecht nun Werbung für das Papier. Stimmt heute dem Koalitionsvertrag zu. Ich denke, es ist ein guter Kompromiss“, sagte sie. Das BSW habe seine Handschrift durchgesetzt und der CDU „Dinge aufgezwungen, die die CDU alleine im Leben nie gemacht hätte“, sagte sie.In ihrer Rede rechtfertigte sie die während der Sondierungs- und Koalitionsverhandlungen aufgebrandete Kritik. „Ja, da waren wir nicht zufrieden mit dem, was in der Präambel stand. Ich auch nicht“, sagte sie. Der Druck aus der Partei habe aber dazu geführt, dass die BSW-Verhandlungsführer in Thüringen später deutlich mehr haben erreichen können.
Wolf und Wagenknecht zeigen sich bei der Mitgliedersammlung versöhnlich
Im Koalitionspapier steht nun in der Präambel, "viele Menschen" würden die Stationierung der Raketen kritisch sehen. Eine klare Ablehnung fehlt, auch die Waffenlieferungen an die Ukraine werden nicht kritisiert.
Zuvor hatte auch Wolf versöhnlichere Töne angestimmt. „Es tut mir in der Seele weh, wenn versucht wird, einen Keil zwischen Sahra und mich zu treiben“, sagte Wolf bei einer Mitgliederversammlung in Ilmenau vor der Abstimmung über den Brombeer-Koalitionsvertrag von CDU, BSW und SPD. Sie dankte Wagenknecht für ihren Mut, „ihre Klugheit“ und ihren Ratschlag. „Wir sind zwei starke Frauen, die inhaltlich so nah beieinander stehen“, sagte Wolf und ernte großen Applaus.
Nach der Zustimmung durch das BSW dürfte es in Thüringen aber weiterhin kompliziert bleiben. Kommt es zu einer Brombeer-Koalition, hat diese im neuen Thüringer Landtag keine Mehrheit. Bei 88 Sitzen kommt die Koalition auf 44 Sitze. Mit den Linken und der AfD kommt es dann zu einem Patt.