Süddeutsche Zeitung

Thüringen:Althaus war zu früh in "Bild"

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Thüringens Ex-Ministerpräsident Althaus meldet sich zurück. Er räumt "Kommunikationsfehler" ein - und gibt die Schuld am Misserfolg anderen.

M. König

Zwei Dinge sind Dieter Althaus immer wieder vorgeworfen worden: Er sei ein Roboter und er leide unter Realitätsverlust. Den ersten Vorwurf hat der ehemalige Ministerpräsident Thüringens nun ausgeräumt.

Roboter haben üblicherweise kein Herz, sie empfinden auch keine Schmerzen. Althaus aber sagte nun in einem epischen Interview mit der Thüringer Allgemeinen, in seinem Herzen "bewegt sich manches nach diesem wirklich wechselvollen Jahr. Es tut noch weh."

Lauter Missverständnisse

Was die Realitätsferne angeht, werden seine Kritiker durch das Interview jedoch kaum besänftigt sein. Die Schuld an seiner Niederlage bei der Landtagswahl am 30. August, bei der die CDU fast zwölf Prozentpunkte und die absolute Mehrheit verlor, gibt Althaus indirekt anderen. Es habe "Kommunikationsfehler" gegeben, die ihm leidtäten. Wesentliche Kritikpunkte stellt er jedoch rückblickend als Missverständnisse dar.

Als größter Fehler wurde gemeinhin das Interview gegeben, das Althaus der Bild-Zeitung gegeben hatte - nur siebzig Tage nach seinem Ski-Unfall. Am Neujahrstag 2009 war er mit einer Frau zusammengeprallt, als er in falscher Richtung auf eine Skipiste eingebogen war.

Die Frau, Mutter eines einjährigen Kindes, erlag ihren Verletzungen. Althaus erlitt ein schweres Schädel-Hirn-Trauma und wurde wochenlang im Krankenhaus behandelt. Ein österreichisches Gericht verurteilte ihn wegen fahrlässiger Tötung zur Zahlung von mehr als 30.000 Euro.

Spaziergang mit Diekmann

Noch während der Rehabilitation verabredete sich Althaus mit Bild-Chefredakteur Kai Diekmann zum Spaziergang am Bodensee, unweit der Klinik, in der der Ministerpräsident untergebracht war.

Althaus gab dem Boulevardblatt ein langes Interview. Er sprach darin von einer "tragischen Verkettung von Umständen". Die Frage, ob er sich schuldig fühle, beantwortet er wie folgt: "Ich glaube, Schuld ist nicht die richtige Kategorie, um ein solch tragisches Unglück zu bewerten."

Diekmann und Althaus sprachen auch über den christlichen Glauben und über Althaus' Gattin. Über ein Veröffentlichungsdatum sprachen sie jedoch nicht - so stellt es der CDU-Politiker rückblickend dar.

"Ich bin fit"

Tatsächlich erschien das Interview am 14. März, dem Tag, an dem Althaus auf dem CDU-Parteitag in Abwesenheit zum Spitzenkandidaten gewählt wurde. Er selbst blieb der Veranstaltung aus gesundheitlichen Gründen fern. In der Bild-Zeitung konnten seine Parteifreunde jedoch lesen: "Ich bin fit."

Heute sagt der damalige Ministerpräsident, es tue ihm leid: "Diese Parallelität war nicht beabsichtigt, mir war nicht klar, wann das Interview genau veröffentlicht wird." Was seine umstrittene Antwort auf die Schuldfrage angeht, sagt Althaus, er könne die Kritik "aus einer Außenansicht" nachvollziehen: "Doch jeder, der selbst etwas Ähnliches erleben musste, dürfte es anders einschätzen."

Auf der nächsten Seite: Ausgerechnet SPD-Spitzenkandidat Matschie soll einen schnellen Althaus-Rücktritt verhindert haben.

Nach der Veröffentlichung des Bild-Interviews hatte sich Althaus in den Wahlkampf gestürzt. Während die Opposition das Thema mied, sprach Althaus mehrfach über den Ski-Unfall. Er erzählte unter anderem, die Schuld habe ihm zu mehr "Sensibilität" verholfen. Viele Wähler nahmen ihm die Mitleidstour übel - und machten ihr Kreuz woanders.

Angesichts der großen Verluste wurden schon am Wahlabend Forderungen nach einem Althaus-Rücktritt geäußert - wenn auch hinter vorgehaltener Hand. Doch Althaus sprach auf der Wahlparty am Hopfenberg in Erfurt von einem "klaren Gestaltungsauftrag". In einem Kreis von Journalisten erklärte er, wie er eine große Koalition zu bilden gedenke. Tags darauf fuhr er nach Berlin, wo er vor Journalisten sagte, er müsse "Thüringen führen" - ohne jeden Selbstzweifel.

"Es ging nur um das Wie"

Althaus, der Pattex-Ministerpräsident? Nein, es sei alles ganz anders gewesen, sagt der CDU-Mann heute. Den Entschluss, als Ministerpräsident zurückzutreten, habe er bereits am Wahlabend gefasst: "Es ging nur um das Wie, ich wollte natürlich vieles von dem festzurren, was wir in all den Jahren erreicht hatten."

Dass er dann doch zögerte, habe auch an dem SPD-Spitzenkandidaten Christoph Matschie gelegen: Der sei nicht an sein Handy gegangen, "obwohl er meine Nummer sehen musste, und als ich ihn über den offiziellen Weg erreichte, hörte er mich zwar an, verwies dann auf die Sondierungsgespräche am Sonnabend nach der Wahl".

Sozialdemokrat Matschie habe also den zeitnahen Althaus-Rücktritt verhindert - eine beinahe satirische Lesart. Dass der Abgang, der schließlich vier Tage nach der Wahl erfolgte, nicht so wohlüberlegt war, wie Althaus es rückblickend darstellt, dagegen spricht auch die damalige Mitteilung der Staatskanzlei: "Mit sofortiger Wirkung trete ich als Ministerpräsident des Freistaats Thüringen und als Landesvorsitzender der CDU Thüringen zurück", war darin zu lesen. Mehr nicht.

"Ich habe verstanden"

Verabschiedet sich so ein Landesvater, der sechseinhalb Jahre im Amt war? Heute sagt Althaus, er habe sich "in diesen Stunden stark disziplinieren" müssen: "Ich wollte damit bloß sagen: 'Ich habe verstanden'. Aus der abgeklärten Rückschau sage ich natürlich, eine Gremiensitzung mit Pressekonferenz wäre besser gewesen."

Da hätte er auch gleich erklären können, warum er wenige Tage nach seinem "sofortigen" Rücktritt in die Staatskanzlei zurückkehrte und die Geschäfte übernahm - obwohl Thüringens Finanzministerin Diezel damit beauftragt worden war. Erst als die heutige Ministerpräsidentin Christiane Lieberknecht ein Machwort sprach und verkündete, die "Ära Althaus ist vorbei", ließ der Landesvater los.

Sein Ehrgeiz richte sich in Zukunft auf andere Dinge, verrät Althaus im Interview mit der Thüringer Allgemeinen: Auf seine Ehrenämter beim Zentralkommitee der Deutschen Katholiken und beim Kreissportbund Eichsfeld, beispielsweise. Und dann war da noch ein Abendessen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel: "Es war ein gutes Vier-Augen-Gespräch", sagt Althaus. "Mehr ist dazu nicht zu sagen."

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