Süddeutsche Zeitung

Thüringen:Akte deutet auf mögliche Stasi-Vergangenheit von V-Mann hin

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War Kai-Uwe Trinkaus, Deckname "Ares", bei der Stasi, bevor ihn der Thüringer Verfassungsschutz als V-Mann für die rechte Szene anheuerte? Eine alte Akte legt das nahe. Es wäre nicht die erste Absonderlichkeit in diesem Fall.

Von Tanjev Schultz

Die Welt der deutschen Geheimdienste ist klein. In der V-Mann-Affäre in Thüringen ist nun ans Licht gekommen, dass ein früherer Spitzel des Verfassungsschutzes zu DDR-Zeiten möglicherweise bei der Stasi war. Es wäre nicht die erste Absurdität im Fall des V-Manns mit dem Decknamen "Ares".

Dieser diente in den Jahren 2006/07 dem Landesamt für Verfassungsschutz. Der Mann hinter dem Pseudonym - Kai-Uwe Trinkaus - war angesetzt auf die rechtsextreme Szene, der er selbst angehörte. Zeitweise war "Ares" Kreisvorsitzender der NPD in Erfurt, später wechselte er zur rechten Organisation "Pro Erfurt". Trinkaus bestreitet, früher bei der Stasi gewesen zu sein.

In seiner Zeit als V-Mann war Trinkaus an einer Art Unterwanderungsstrategie von rechts beteiligt: Trinkaus provozierte Politiker der Linkspartei, indem er gezielt ihre Nähe suchte. Und er war in diversen Vereinen aktiv, die zunächst harmlos erschienen, aber den Rechtsradikalen neue Zugänge bescheren sollten. Parallel trug Trinkaus dem Verfassungsschutz Informationen zu. Bis den Zuständigen dort endlich klar wurde, dass da etwas aus dem Ruder lief. Trinkaus war kein tumber Neonazi; geschickt verstand er es, Aufmerksamkeit zu erzeugen und sich in Szene zu setzen. Vieles deutete darauf hin, dass ihm Geheimdienst-Taktiken nicht ganz unbekannt waren.

Bemerkenswerte Post

Seit vergangenem Jahr beschäftigt sich ein Untersuchungsausschuss des Thüringer Landtags mit dem Fall "Ares". Den Ausschuss erreichte nun bemerkenswerte Post: ein Schreiben des Bundesarchivs in Freiburg. Es hat eine alte Akte aus DDR-Zeiten gefunden mit einem Eintrag zu Trinkaus. Laut Bundesarchiv geht es darin um Trinkaus' Studium an einer Offiziershochschule der Nationalen Volksarmee, das Dokument wurde am 9. August 1988 unterschrieben. Aus dem Feld "Bemerkung" gehe hervor, dass Trinkaus Offizierschüler des Ministeriums für Staatssicherheit gewesen sei.

Ein Ex-Stasi-Mann als Rechtsradikaler und zugleich als Spitzel beim Verfassungsschutz? Ein Inlandsgeheimdienst in der Bundesrepublik hätte ihn bei Kenntnis einer solchen Vergangenheit eigentlich gar nicht anwerben dürfen.

Trinkaus dementiert. Er sagte auf Anfrage der SZ, es sei ihm "rätselhaft", wie die Bemerkung auf das Dokument gekommen sei. Zwar sei ein Großteil seiner Familie für die Staatssicherheit tätig gewesen, er selbst jedoch nicht. Er sei enttäuscht worden - man habe ihn bei der Stasi nämlich nicht genommen, sagt Trinkaus.

Ramelow rügt "Geheimdienst-Scharade"

Der Fraktionschef der Linken in Thüringen, Bodo Ramelow, spricht dagegen von einer "Geheimdienst-Scharade". Nur durch hartnäckiges Nachbohren habe man diese aufdecken können. Sich eines gut ausgebildeten Offiziers der Staatssicherheit zu bedienen, der unter den Augen des Verfassungsschutzes "Zersetzungsmaßnahmen" gegen Politiker der Linken organisiert habe, sei "grenzenlos dumm" und zudem "einfach nur gefährlich". Ramelow bekräftigte die Forderung der Linken, den Verfassungsschutz aufzulösen.

Das Landesamt in Thüringen soll nach dem Willen der Landesregierung und des Innenministers Jörg Geibert (CDU) nicht abgeschafft, aber reformiert und besser kontrolliert werden. Die Grünen plädieren dafür, auf V-Leute vorerst zu verzichten und nach einiger Zeit zu überprüfen, ob dies dauerhaft möglich sei.

Der Untersuchungsausschuss zum Fall Ares stieß in der Vergangenheit bereits auf etliche andere Ungereimtheiten. So hatte das Landesamt Kenntnisse zu einem Überfall von Rechtsradikalen auf den Fotografen einer Zeitung offenbar nicht an die Polizei weitergegeben. Zudem kam heraus, dass Trinkaus zu Beginn seiner Spitzeltätigkeit, für die er sich selbst angeboten hatte, Quittungen für seine Honorare mit vermeintlichen Unterschriften von Prominenten versah - unter anderem mit "Dieter Althaus", dem damaligen Ministerpräsidenten, und mit "Papst Benedikt". Der für "Ares" zuständige Beamte ließ das geschehen und zahlte das Geld aus.

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