Interview:"Das Parlament sitzt immer mit im Cockpit"

Thorsten Frei

Thorsten Frei, 47, sitzt seit 2013 für die CDU im Bundestag. Seit 2018 ist er stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Von 2004 bis 2013 war er Oberbürgermeister der Stadt Donaueschingen.

(Foto: OH)

Die Union findet, dass die Bundesregierung schnell reagieren können muss - auch ohne den Bundestag zu fragen.

Von Boris Herrmann

SZ: Herr Frei, wird das Parlament in der Pandemiekrise zu wenig eingebunden?

Thorsten Frei: Nein, das wäre auch komisch. Denn für die aktuelle Rechtslage ist das Parlament verantwortlich. Das ist die Grundlage für alles, was passiert. Das Infektionsschutzgesetz wurde vom Parlament verabschiedet. Und wir haben für die Zeit einer Pandemie von nationaler Tragweite die Regierung ermächtigt, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen. Insofern sitzt das Parlament immer mit im Cockpit.

Sind Sie für eine Verlängerung der Sonderrechte von Gesundheitsminister Spahn über das Infektionsschutzgesetz?

Wie bei allen Sonderregelungen in der Krise werden wir uns auch diese ganz genau anschauen. Das Parlament ist dafür verantwortlich, dass die grundlegenden Gesetzesentscheidungen in öffentlicher Debatte getroffen werden. Aber es kann natürlich nicht Sinn und Zweck sein, dass es sich in das Regierungshandeln hineindrängt. Wenn man sich die 25 Rechtsverordnungen anschaut, die seit März im Zusammenhang mit der Pandemie ergangen sind, dann erkennt man rasch, dass zum Teil Einzelfragen geregelt wurden, die klar dem Regierungshandeln zuzuordnen sind.

Alle Oppositionsparteien sind der Meinung, dass sich die Exekutive praktisch verselbständigt hat im Format der Ministerpräsidentenkonferenzen.

Ich kann keine Verselbständigung erkennen. Der Vollzug dieser Regelungen liegt üblicherweise bei den Ländern. Deswegen ist es doch vollkommen richtig, dass nicht jedes Land isoliert diese Entscheidungen trifft. Sondern dass man im Rahmen der Ministerpräsidentenkonferenz mit der Bundeskanzlerin jedenfalls den Versuch unternimmt, innerhalb Deutschlands möglichst weitgehend einheitlich zu agieren.

Es ist also nichts dran an dem Vorwurf, dass Bundestag und Landtage in der Pandemiekrise an Einfluss verloren haben?

Der Vorwurf kann sich nicht auf Fakten stützen. Das Parlament hat selbst die Grundlagen dafür geschaffen, dass die Regierung Rechtsverordnungen im Rahmen der Bekämpfung der Pandemie erlassen kann. Und das Parlament hat selbstverständlich jederzeit die Möglichkeit, diese Fragen zu diskutieren, genau das wollen wir in der nächsten Woche tun. Wir werden auch ganz genau hinschauen, wo wir die Einflussmöglichkeiten des Parlaments noch stärken müssen. Aber diejenigen, die die Maßnahmen der Regierung kritisieren, müssen im Zweifel auch akzeptieren, dass sie nicht über die notwendigen Mehrheiten im Parlament verfügen.

Aber auf den Ministerpräsidentenkonferenzen im Kanzleramt werden doch an den Parlamenten vorbei mitunter sehr weitreichende Beschlüssen gefällt, die auch die Grundrechte betreffen.

Es geht darum, dass Parlament und Regierung ihre jeweiligen Aufgaben erledigen. Das bedeutet, dass auf der Grundlage von Gesetzen, die vom Parlament verabschiedet werden, die Regierung schnell auf die Erfordernisse der Pandemie reagieren kann. Wenn wir uns anschauen, wie schnell sich die Inzidenzwerte allein in der vergangenen Woche nach oben entwickelt haben, dann wird auch deutlich, dass der Bundestag der richtige Ort für die grundlegenden Entscheidungen ist. Dass aber zugleich die Regierung in die Lage versetzt werden muss, schnell zu reagieren.

Die Verwirrung um das Beherbergungsverbot in einzelnen Bundesländern nach der jüngsten Runde im Kanzleramt spricht nicht unbedingt für die Reaktionsfähigkeit von Bund und Ländern.

Ich habe großen Respekt vor der Regelungskompetenz der Länder. Aber damit diese Maßnahmen in der Bevölkerung akzeptiert werden, braucht es eine gewisse Einheitlichkeit. Einzelne Länder, die im Moment vielleicht nicht so stark betroffen sind, dürfen nicht zum Flaschenhals für einheitliche Entscheidungen werden.

Braucht es vielleicht eine neue Föderalismuskommission, wenn selbst Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sagt, dass der Föderalismus zunehmend an seine Grenzen stößt?

Ich halte es für richtig, wenn wir einen neuen Anlauf für eine neue Föderalismuskommission nehmen. Das ist aber keine Einbahnstraße, die allein zu zusätzlichen Kompetenzen beim Bund führen muss. Eine eventuell notwendige Zentralisierung bei der Bekämpfung einer Pandemie von nationaler Tragweite könnte im Umkehrschluss auch dazu führen, dass man andere Dinge auf die Ebene der Länder verlagert.

Erleben wir nicht gerade tatsächlich, dass der Föderalismus an seine Grenzen stößt?

In solch einer Extremsituation stößt er manchmal an Grenzen, aber sie werden nicht überschritten.

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