Thomas Goppel im Chat:"Zweidrittel-Mehrheit verändert Politiklandschaft in Bayern nicht"

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Chat mit Thomas Goppel, CSU-Generalsekretär am 9. September 2003

Moderator: Herzlich willkommen im tacheles.02-Chat. Die Chat-Reihe tacheles.02 ist ein Format von tagesschau.de und politik-digital.de und wird unterstützt von tagesspiegel.de und von sueddeutsche.de. Ich begrüße alle Politik-Interessierten und den CSU-Generalsekretär Thomas Goppel, der heute zum Chat ins ARD-Hauptstadtstudio gekommen ist. Nach dem SPD-Spitzenkandidaten Franz Maget ist Herr Goppel der zweite Chat in unserem kleinen "Bayern-special" vor der Landtagswahl, das wir kommenden Montag mit der Landesvorsitzenden der bayerischen FDP, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, fortsetzen. Sind Sie bereit, Herr Goppel?

Thomas Goppel: Ja, und vielen Dank für die Einladung.

Moderator: Herr Goppel, in der Auftaktdebatte zum Haushalt 2004 im Bundestag hieß es heute von Seiten der Regierungskoalition immer wieder: Vor der Bayern-Wahl läuft sowieso nix, CDU und CSU blockieren und halten ihre Vorschläge zurück. Die Wahlforscher trauen Ihnen sogar 60 plus x Stimmen bei der Landtagswahl in eineinhalb Wochen zu - haben Sie Blockade wirklich nötig?

Goppel: Da muss jemand blind sein. Die eigentlichen und klaren Vorschläge zur Gestaltung der Politik in Deutschland stammen seit einem Jahr von der Union und im speziellen von der CSU. Beispiele gefällig?

Uztuzgjh: Herr Goppel, Sie haben die Arbeit der Rürup-Kommission als "reinen Medien-Gag" kritisiert. Weshalb? Es herrscht doch Einstimmigkeit darüber, dass wir sparen müssen. Was hätten Sie stattdessen vorgeschlagen?

Goppel: Vor allem dass die Mitglieder der Rürup-Kommission vor der Bekanntgabe der Ergebnisse die Klappe halten. Wer jeden Teilschritt in die Öffentlichkeit gibt beweist, dass es ihm um den Gag geht.

Filou: Kann man bei den Machtverhältnissen in Bayern noch von Demokratie sprechen?

Goppel: Demokratie gestaltet sich nach den Ergebnissen von Wahlen. Dass die Bayern so wählen, dass Sie die Demokratie in Frage stellen, ist nicht das Problem einer Partei, die gute Politik macht. - Höchstens ein Problem der Schwächlinge gegenüber.

Chrissteins: Ist es nicht schwierig, die Messlatte so niedrig zu halten, wenn alle Medien schon 60% von Ihnen erwarten?

Goppel: Umfragen sind Umfragen und keine Ergebnisse. Wer in der Politik aktiv ist, weiß, dass alles erstens anders kommen kann und zweitens meistens anders kommt als vorhergesagt. Wir in der CSU sind Realisten und keine Träumer, auch Demokraten, aber keine Angstmacher.

Moderator: Aber die 60% hätten Sie schon gern - oder noch besser die Zweidrittelmehrheit?

Goppel: Die Zweidrittel-Mehrheit verändert die Politiklandschaft in Bayern entgegen falscher Angaben, die andere machen, nicht. Die Zweidrittelmehrheit im Parlament wird immer der Kontrolle durch das Volk (Volksentscheid) unterzogen.

Moderator: Aber es regiert sich doch deutlich leichter mit dieser?

Goppel: Mehrheit ist Mehrheit. Aber vor allem in Berlin und Brüssel wird man ernster genommen, wenn man ein Stimmenrückgrat hat. Schröder jedenfalls macht sich über die Bayern und ihre Wahlergebnisse nicht lustig. Er weiß warum.

Chatwatch: Muss eine Partei nicht selbst Angst bekommen vor der eigenen Übermacht - das macht doch auch träge...

Goppel: Das mit der Trägheit treiben uns unsere Mitglieder aus. Sie sind kritisch und werden kritischer, wenn sie den Eindruck hätten, dass sich ihre Führungscrew verselbständigt. Angst vor Übermacht ist ein Begriff der aus dem militärischen stammt. Die CSU jedenfalls führt keinen Krieg.

Jsmuc: Horst Seehofer hat heute im Deutschen Bundestag dazu aufgerufen, dass der "Gesundheitskompromiss" ein Einzelfall bleiben solle, auch seine "langen Nächte" mit der Gesundheitsministerin. Ist Horst Seehofer von Ihnen "ins Gebet" genommen worden?

Goppel: Horst Seehofer hat das von Anfang an so gesagt. Wenn er es jetzt wiederholt, dann ist gewiss, dass er die notwendigen (leider schlechten) Erfahrungen mit dem Rot-Grünen gegenüber gesammelt hat.

Flex: Herr Goppel, Hand aufs Herz: Was kann eine deutsche Regierung heute denn noch tun ohne dass der BDI, die Gewerkschaften, die Ärzte, die Apotheker, der ADAC, die Brauwirtschaft, die Opposition, die eigene Fraktionsflügel, Brüssel, bis zu dem Verband deutscher Brieftaubenzüchter aufjaulen und den nationalen Notstand ausrufen? Haben wir es nicht eher mit einer Gesellschaft zu tun, die sich schlicht und einfach nicht reformieren lassen will? Auch die angekündigte Blockadehaltung von Herr Stoiber lässt diesen Eindruck nicht abschwächen.

Goppel: Erst einmal ist wichtig dass endlich realisiert wird, dass insbesondere Edmund Stoiber nicht blockiert. Das beste Beispiel dafür ist die bayrische Politik. Wir tun und erreichen viel gegen den Strom. Was die Einflussnahme durch Verbände angeht, ist Ihre Befürchtung sicher in vielem zu belegen. Aber die Menschen werden gescheiter (auch tatsächlich). Die Zahl der Wechselwähler steigt. Wollen wir beide denen wirklich die Unabhängigkeit absprechen?

Moderator: ein Kommentar von:

[Juso]Mischa: in Bayern ist die CSU ja auch in der Regierung. Haben Sie schon einmal eine Regierung gesehen, die sich selbst blockiert???

Jana: Die Medien berichten immer wieder von Diskrepanzen zwischen Ihnen und Herrn Stoiber. Wie ist derzeit Ihr Verhältnis zu einander?

Goppel: An Mischa: So argumentieren die Sozialdemokraten in Bayern immer. Das ist und bleibt ihr Problem. An Jana: Edmund Stoiber und ich, wir sind beide lange in der Politik und haben uns bei aller Übereinstimmung im Grundsätzlichen unseren je eigenen Kopf bewahrt. Unser Verhältnis ist immer in Ordnung. Die Temperatur der gegenseitig ausgetauschten Ströme wechselt. Auf beiden Seiten. Und das ist wirklich gut so.

Chrissteins: Zum Thema Verhältnis zu Herrn Stoiber. Es gehen Gerüchte um, dass Herr Stoiber Sie zum Nachfolger von Herrn Zehetmair in sein Kabinett berufen will. Gibt es einen höheren Vertrauensbeweis? Wer wird denn dann Ihr Nachfolger?

Goppel: Das müssen Sie Herrn Stoiber fragen. Das Wissenschaftsministerium wäre in diesen Tagen eine besondere Herausforderung.

Moderator: Warum?

Goppel: Weil wir uns in internationalen Wettbewerb mit einer schwungvoll, hungrig gebliebenen und international temporeichen Konkurrenz zu messen haben. Deutsche Skepsis und bayrische Gemütlichkeit sind in diesem Wettbewerb Grundanlagen, die dringlich angepasst werden müssen.

Moderator: noch einmal zu Ihrem möglichen Nachfolger:

Schneider: Zwei Wochen vor der bayerischen Landtagswahl ist in der CSU-Spitze erneut ein Streit um den Posten des Generalsekretärs ausgebrochen. In Führungskreisen wird spekuliert, ob Parteichef Edmund Stoiber weiter an Markus Söder festhält. Was halten Sie von diesem potenziellen Nachfolger für ihr Amt? Oder bevorzugen Sie die Strausstochter Monika Hohlmeier?

Moderator: Oder der Bundestagsabgeordnete Georg Fahrenschon, der war ja auch schon im Gespräch?

Goppel: In der CSU gibt es um die "rechte Hand" des Parteivorsitzenden keinen Streit. Wen er mit seinem Vertrauen ausstattet, entscheidet Edmund Stoiber selber. Die genannten drei haben alle ihre je eigenen Qualitäten und sorgen dafür, dass in der Landesleitung mancher Schwerpunkt neu gesetzt wird. Um der Frage vorzugreifen: Die Präferenz ist Stoibers Entscheidungssache.

Jana: Für wie wahrscheinlich halten sie ein Amtsantritt Stoibers als neuen Bundespräsidenten? Glauben sie den Munkeleien, die diesen Spekulationen trotzen?

Goppel: Edmund Stoiber ist ein Politiker und nicht zuerst Diplomat. Wer ihn kennt, weiß das und setzt deshalb die Fragezeichen nicht, die Sie setzen. Außerdem ist er Parteivorsitzender, ein Amt, das er blendend ausfüllt und, wie ich weiß, gern hat. Wenn es einen Gesichtspunkt gibt, der ihre Frage definitiver negativ beantwortet, müssten Sie ihn mir nennen.

[Juso]Mischa: Im Zuge der Frage mit dem Bundespräsidenten: halten Sie es nicht für gefährlich, dass die SPD mit Jutta Limbach als Kandidatin ihrer Fraktion einige Stimmen abspenstig machen könnte??

Goppel: Unser Wunsch (der aller Parteien und Köpfe in Deutschland) muss es sein, eine Persönlichkeit auszugucken, die den Menschen im Land vermittelbar ist. Solide Arbeit reicht in einer Institution als Qualifikation nicht aus.

Moderator: Da haben Sie bestimmt ja schon welche im Auge: Nennen Sie uns doch einmal die drei Topleute.

Goppel: Wir haben mehr als drei und äußern uns zur rechten Zeit. Auf den Schröderleim, täglich eine kleine Ablenkung von der Unfähigkeit der Bundesregierung, gehen wir nicht.

Moderator: Themenwechsel:

Flex: Noch einmal, Herr Goppel, ganz konkret: Wieso hat die Union massiv die Lockerung der Handwerksordnung kritisiert? Sie wollen dem Verbraucher doch nicht vorschreiben, wem er seine Dienstleistungswünsche aufträgt. Ich jedenfalls habe ein anderes Verständnis von Marktwirtschaft. Das gleiche gilt für die FDP, die ihrer Klientel Apotheker keinen Wettbewerb zumuten will.

Goppel: Wir haben in Deutschland tüchtige Meister und in diesem Berufsstand weltweit Furore gemacht. Es gibt keinen Grund, diese Qualität aufzugeben, solange der Nachwuchs dafür reicht und das Problem vor allem darin liegt, dass die Leistungsfähigkeit der Dienstleister erhalten bleibt. Bewährtes preiszugeben, ist ein Fehler, den wir schon viel zu oft gemacht haben. Die Bundesregierung ergötzt sich inzwischen nur noch an ihrem eigenen Aktionismus. Es geht hier nicht um den Schutz besonderer Wählerklientels, sondern um den Schutz eines Markenzeichens: der deutschen Wirtschaft. Gleichmacherei ist eben genau nicht Marktwirtschaft.

[Juso]Mischa: Ja, aber warum soll man etwas gutes nicht verbessern können in dem beispielsweise die Handwerksordnung gelockert wird?

Moderator: und: Jeder EU-Ausländer kann allerdings ohne Meister hier seine Arbeit anbieten, das wird auf die Dauer nicht reichen.

Goppel: Lockerungen sind dort angebracht, wo der hohe Standard auf zu viel Realisierung stößt. Also: Hätten wir zu viele Handwerksmeister, dann bräuchten wir Zusatzqualifikationen - oder Platz für Seiteneinsteiger mit besonderen Qualitäten.

Hamburg rules: Was müsste die Türkei Ihrer Meinung nach tun, um von der EU aufgenommen zu werden?

Goppel: Es ist zu billig, wenn wir in der EU ständig unser Niveau senken, um anderen den Zugang zu unseren eigenen Maßstäben zu erleichtern. Die Türkei ist, was unsere Zusammenarbeit angeht, ein anerkannt zuverlässiger Partner in den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Erfordernissen.

Trotzdem erwarten wir von jemandem, der sich für die Hausordnung der EU als qualifiziert betrachtet, dass er den Grundkatalog für das Zusammenleben innerhalb des "Hauses" anerkennt, bei sich umsetzt und praktiziert. In den Fragen der Gleichberechtigung von Mann und Frau, in der Problemzone Einhaltung von Menschenrechten und in der notwendigen Trennung von Kirche und Staat gibt es in der Türkei gegenüber der EU einen so großen Nachholbedarf (Anpassungsnotwendigkeit), dass man nicht voreilig eine Aufnahme zusagen darf.

Moderator: Die User sehen das kritisch:

Regensburg: Das was Sie so abfällig über die Türkei sagten, gilt mehr oder weniger aber auch für Polen und andere Beitrittsländer, die die EU nicht als Werte-, sondern als Subventionsgemeinschaft sehen. Zweierlei Maß, weil Polen katholisch und die Türkei mehrheitlich muslimisch ist?

Rudi: Es geht doch darum was die Türkei tun soll! Oder schließen sie einen Beitritt aus z.B. geografischen Gründen aus??

[Juso]Mischa: Was spricht ihrer Ansicht nach den gegen eine Mitgliedschaft in der EU? Nur dass das Land nicht zum christlich-abendländischen Kulturkreis zählt, kann ja aufgrund der glücklicherweise immer weiter voranschreitenden Internationalisierung unserer Gesellschaft kein Argument sein.

Goppel: Soweit ich das sehe, habe ich mich klar ausgedrückt: Wer die Verbreitung der Religion als eine verpflichtende Staatsaufgabe ansieht, der praktiziert nicht das Maß an Toleranz, das den EU-Status (beileibe nicht den deutschen) kennzeichnet und ich stehe dafür, dass ein Land, in dem den Frauen gleiche Rechte vorenthalten sind, nicht zu dem Kulturkreis passt, in dem ich leben und gestalterisch tätig sein möchte. Es ist interessant, dass mit Mischa und wohl auch anderen ausgerechnet die Emanzipationisten weich werden, wenn es um die Verpflichtung unsere türkischen Freunde geht, da eine Entwicklungslücke zu schließen.

Moderator: dazu noch zwei Fragen:

Chrissteins: Zum Thema Europa, das mich als Praktikant beim Europaparlament sehr interessiert: Herr Stoiber hat dazu aufgerufen, den EU-Verfassungsentwurf nicht zu ratifizieren, sondern vorher noch mal zu überarbeiten und u.a. den Gottesbezug mit reinzunehmen. Für wie wahrscheinlich halten Sie eine solche Änderung und werden die CSU-Europaabgeordneten einer unveränderten EU-Verfassung nicht zustimmen?

Regensburg: Apropos "Trennung von Kirche und Staat": Angeblich herrscht die auch in Deutschland. Warum bitteschön fordert die CSU dann etwas so mittelalterliches wie eine "Gottesklausel" in der neuen EU-Verfassung?

Goppel: Es freut mich, dass endlich (vielleicht durch Sie in Regensburg?) die Frage laut diskutiert wird, was die Eigenheit unseres Kontinentes und seiner Menschen ausmacht!

Das christliche Menschenbild, von dem viele reden, ohne sich danach zu richten, verlangt von uns allen, unser Tun und Handeln am Wohl des nächsten auszurichten. Wie war das mit den Frauen? - Der Gottesbezug im europäischen Verfassungsvertrag hat seinen zwingenden Platz dann, wenn wir Europäer uns darin einig sind, dass die Macht der Menschen jeweils beim nächsten und seiner Freiheit endet.

Wenn wir das postulieren, dann gibt es zumindest eine virtuelle Instanz, die sich unserem individuellen Zugriff (und Befehl) entzieht. Wenn ein solcher Ansatz schon unter uns umstritten ist, dann können wir erst recht das Tor für andere Welten nicht öffnen.

Mr. Ed: Dass bei dem " Wahl-O-Mat"-Test, den Sie laut "merkur online" gemacht hatten, erst SPD als präferierte Partei herauskam, muss Sie ja ziemlich erschrocken haben. Aber ist das gleich ein Grund, der Bundeszentrale für politische Bildung "mangelnde Intelligenz" vorzuwerfen?

Goppel: Die Bundeszentrale für politische Bildung ist, was den "Wahl-O-Mat" angeht (hoffentlich kennt den hier jeder), nach eigener Auskunft kein Frühchen, sondern äußerst versiert. Ihre Mitarbeiter haben sich in München gerühmt, ein aus Holland stammendes System perfektioniert zu haben. Wenn dann mir im ersten Anlauf bei einer 98%igen Übereinstimmung mit der CSU eine Wahlpräferenz für die SPD attestiert wird, ist die Frage nach der Intelligenz erlaubt. Zumal dann, wenn sich die Zweitnutzer in Bonn selbst zur "einsamen Sahne" erklären.

Moderator: Ministerpräsident Stoiber hat heute außer bei der Sozialhilfe auch starke Kürzungen bei der Jugendhilfe verlangt. Zwei bis sechs Prozent der 19,2 Milliarden Euro, die die Kommunen jährlich ausgeben, sollen eingespart werden. Eine Bundesratsinitiative soll noch diese Woche starten. Die richtige Stelle zum Sparen? Jugend ist die Zukunft.

Goppel: Wir geben all die Mittel, die eigentlich in die Familienförderung gehören inzwischen geballt und konzentriert für eine kleine Prozentzahl problembehafteter Jugendlicher in der Nachsorge aus. Edmund Stoiber steht für umfassende und stabile Vorsorge. Dafür brauchen wir zusätzliche Mittel, die nicht beliebig aus anderen Haushalten herbeigezaubert können. Die Umschichtung von Nach- auf Vorsorge geht in Ordnung.

Chrissteins: Nervt es Sie eigentlich, was zur Zeit im Münchener Bezirksverband abgeht und befürchten Sie davon negative Auswirkungen auf die Landtagswahl oder sind solcherlei Skandale in der Münchener CSU schon so was normales, dass Sie darüber hinwegsehen können und nicht einzugreifen brauchen?

Goppel: Ersteres trifft zu, wenngleich ich weiß, dass Wählerinnen und Wähler in Bayern zwischen Einzel- und Problemfällen und einer ansonsten guten Gesamtsituation gerade auch in der CSU unterscheiden können. Als Generalsekretär bemühe ich mich mit Nachdruck darum, dass wir auch Schwierigkeiten offen und ehrlich kommunizieren.

Wdp: Die CSU regiert in Bayern seit 50 Jahren ununterbrochen. Im Bund regierte sie ca. 30 Jahre lang mit. Frage: Wie lange braucht die CSU noch, um wirkliche Entbürokratisierung zu schaffen und insbesondere im Steuerrecht endlich Vereinfachungen herbeizuführen. Bitte bedenken Sie: Entbürokratisierung ergibt finanziellen Gestaltungsspielraum für den Staat und vor allem zeitliche Freiräume für die Bürger - und beides ist sehr wichtig!!!

Goppel: Das Steuerrecht ist Berliner Sache und Entbürokratisierung kann nicht isoliert in Bayern die Erfolge erzielen, die wir uns allesamt wünschen. Ihre Frage ist schnell gestellt und gut, auch berechtigt, meine Antwort wird in dem Umfang für Sie zufriedenstellender, indem Sie in der Zukunft mannhaft neben mir, den Abbau von Bürokratie verteidigen, wenn die in solchen Fällen Benachteiligten wieder großen Rückhalt in der öffentlichen und veröffentlichten Meinung finden. Es ist viel zu tun. Vorerst sind wir noch nicht die mehreren, die auch tatsächlich anpacken.

Jana Müller: In Zahlen: wie sieht Ihre Wahlprognose aus?

Goppel: Ich habe noch nie getippt. Ich halte ein Ergebnis dann erst für gut (für die CSU Bayern), wenn sich die Wählerinnen und Wähler ähnlich der Bundestagswahl hinter Edmund Stoiber scharen. Wenn die rot-grüne Bundesregierung mit dem Desaster, das wir ihr jetzt verdanken, in beiden Parteien, die 30 % überschreitet (insgesamt), dann fange ich an, an meiner Fähigkeit zu zweifeln, eine gute Bilanz überall im Land zum Ausgangspunkt für eine Abstimmung zu machen.

Edi: Ich sehe Sie auf der Webcam die ganze Zeit rauchen. Kommt in Ihre Pfeife auch manchmal Cannabis - in Bayern auch als "Knaster" bekannt - rein? Warum verfolgt die Union, die ich ja sonst ganz okay finde, nur so eine absolut restriktive und unzeitgemäße Drogenpolitik? Völlig weltfremd meiner Meinung nach.

Goppel: Weltfremdheit konzediere ich nicht dann, wenn jemand erwartbare Auswüchse und zusätzlich absehbare Abhängigkeiten verbietet. Rauchen tue ich selbst nur deshalb, weil sich die Berliner Politik nur im Nebel ertragen lässt. Mein Versprechen steht: Wenn in Berlin Einsicht waltet, Schröder geht, bin ich clean.

Moderator: Liebe Gäste, die Stunde ist vorbei, herzlichen Dank für Ihr Interesse und die vielen Fragen. Vielen Dank, Herr Goppel, dass Sie ins ARD-Hauptstadtstudio gekommen sind.

Goppel: Herzlichen Dank für Ihr Interesse. Sie dürfen sicher sein, dass ich nachdenklicher nach Hause gehe als ich gekommen bin. Diskussionen solcher Art haben einen Vorteil: Man konzentriert sich auf das wesentliche und sieht es in der Wortmeldung des anderen besser als sonst. -Danke auch den fleißigen Fingern neben mir!

Moderator: Das tacheles.02-Team wünscht allen Beteiligten noch einen schönen Abend!

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