Theorien von Donald Trump:"Nichts hat sich geändert"

Sean Spicer

Trump-Sprecher Sean Spicer bei der täglichen Pressekonferenz im Weißen Haus.

(Foto: AP)
  • Unter Eid widersprechen die Chefs der Bundespolizei FBI und des Geheimdiensts NSA jenen Behauptungen, die Trump seit Tagen verbreitet.
  • Sprecher Spicer betont bei einer Pressekonferenz im Weißen Haus, dass Trump bei seinem Vorwurf bleibe, dass Obama ihn habe abhören lassen.
  • Trotzdem hat Spicer große Probleme, die Überzeugungen seines Chefs verständlich zu erklären.

Von Matthias Kolb, Washington

Seit Donald Trump am 20. Januar seinen Amtseid ablegte, hat es kaum einen ruhigen Tag gegeben. Der neue US-Präsident beleidigt Richter, die seine Dekrete für rechtswidrig halten und erklärt die Medien zu "Staatsfeinden". Die Journalisten recherchieren umso intensiver, werden durch "Leaks" mit brisanten Informationen versorgt, die das Chaos in der neuen Regierung belegen. Deren Versprechen, das Gesundheitssystem zu reformieren, stockt und Trump kann das Twittern nicht lassen.

Doch selbst in solch wahrlich außergewöhnlichen Zeiten sticht dieser 20. März heraus. Unter Eid widersprechen die Chefs der Bundespolizei FBI und des Geheimdiensts NSA jenen drei Behauptungen, die Trump seit Tagen verbreitet (etwa an der Seite von Kanzlerin Merkel). Erstens: "Nach sorgfältiger Prüfung" weist FBI-Chef James Comey den Vorwurf Trumps zurück, sein Vorgänger Barack Obama habe ihn im Trump Tower abhören lassen.

Zweitens: NSA-Chef Mike Rogers nennt Trumps Behauptung, der britische Nachrichtendienst habe ihn im Auftrag Obamas ausspioniert, "kontraproduktiv" für seine Arbeit. Solche Aussagen seien "absolut lächerlich und sollten ignoriert werden", sagt Admiral Rogers und wiederholt ein Statement des britischen Geheimdienstes GCHQ.

Drittens: Ebenfalls widerlegt wird die Theorie, der Einfluss Moskaus auf den Wahlausgang und die Frage nach der Kommunikation zwischen Trump-Beratern und russischen Akteuren sei von den Demokraten "erfunden" worden. Hierzu erklärt Comey: Seit Juli ermittelt das FBI wegen möglicherweise illegalen Kontakten zwischen Trumps Wahlkampfteam und der russischen Regierung - und diese Untersuchung dauert an.

Damit ist klar, dass für Donald Trump genau das gilt, wofür er die Demokratin Hillary Clinton im Wahlkampf monatelang kritisiert hatte: Die Bundespolizei ermittelt gegen sein engstes Umfeld. Weil Comey dies mit Einwilligung des Justizministeriums geäußert hat, steht der FBI-Chef nun unter Zugzwang, sich nach Ende der Ermittlungen öffentlich zu äußern (ähnlich wie bei Clinton).

Auch wenn alle widersprechen: Trump nimmt nichts zurück

Am Nachmittag betritt Regierungssprecher Sean Spicer den Brady Room im Weißen Haus, um die tägliche Pressekonferenz abzuhalten. Die Anhörung von Comey und Rogers läuft noch, als Spicer verkündet: Nichts hat sich geändert (an Trumps Vorwurf Richtung Obama, dieser habe ihn abhören lassen). Auf die Frage eines ABC-Reporters sagt Spicer, dass der Präsident sich nicht bei seinem Vorgänger entschuldigen werde (Trump nennt Obama "krank" und unterstellt ihm eine schwere Straftat). Die heutige Anhörung sei nur der Beginn, so Spicer: "Wir sind hier erst im ersten Kapitel."

Es folgen mehrere bizarre Minuten, in denen Spicer einige sehr gewagte Aussagen trifft. Hier wird klar: Auch nach zwei Monaten hat er große Probleme, die Überzeugungen seines Chefs verständlich zu erklären. Doch dies liegt eher daran, dass das Agieren von Trump ebenso widersprüchlich ist wie seine Argumente. Als ihn Reporter zu den FBI-Ermittlungen gegen Trump-Mitarbeiter befragen, will der 45-Jährige eine möglichst große Distanz herstellen. Viele dieser associates hätten wie der geschasste Sicherheitsberater Michael Flynn auf "freiwilliger Basis" gearbeitet oder wie auch Paul Manafort nur eine "begrenzte Rolle" für eine "begrenzte Zeit" gespielt.

Spicers Aussage hat mit der Realität wenig zu tun und lässt sich auch später nicht korrigieren: Manafort stand seit März 2016 in engem Kontakt mit Trump, wurde Mitte Juni offiziell zum Leiter der Kampagne befördert, ehe ihn Mitte August Ex-Breitbart-Chef Steve Bannon und Kellyanne Conway ablösten. Sofort wurden bei Twitter einige Memes zu #VeryLimitedRole verbreitet, doch es besteht kein Zweifel: Monatelang war Manafort Schlüsselfigur im Trumpland.

Dass Spicer hier auf Abstand gehen will, überrascht nicht: Manafort hat für den korrupten ukrainischen Ex-Präsidenten Viktor Janukowitsch gearbeitet, der Putin nahesteht. Später versucht Spicer, die Kontakte seines Bosses zu Roger Stone herunterzuspielen. Diese schillernde Figur bewundert Richard Nixon für dessen "schmutzige Tricks" und hat oft damit angegeben, Kontakte zu Wikileaks zu haben (dort wurden die gehackten Mails von Clintons Wahlkampfchef Podesta veröffentlicht). Doch Spicer sagt nicht die Wahrheit, wenn er sagt: "Die beiden haben zuletzt kaum mehr geredet" - ein Video vom 6. Dezember zeigt, wie Stone stolz über sein Treffen mit Trump spricht.

Wenn Trump Golf spielt, ist das anders, als wenn Obama golft

Je länger diese Pressekonferenzen voller Wortklaubereien und falscher Aussagen andauern, umso schwerer wird es, den Aussagen dieses Weißen Hauses zu vertrauen. Dies ist nicht unbedingt Spicers Schuld: Trumps Agieren lässt sich oft rational nicht erklären. Ein Reporter fragt: "An sieben der zehn letzten Wochenenden hat der Präsident Golf gespielt. Als Kandidat hat er Obama stets kritisiert, wenn dieser Golf spielen ging. Was ist nun anders?"

Spicer windet sich und sagt, dass Trump mit Japans Premier Abe auf dem Golfplatz war, um "eine persönliche Beziehung" aufzubauen. Dass Obama etwa mit David Cameron ein paar Bälle schlug? Geschenkt. Hier offenbart sich Trumps Verlogenheit und so lautet Spicers bestes Argument: "Der Präsident hat ein Anrecht auf Privatsphäre." Auf die Frage, wieso Trump die Zuschüsse für Kulturförderung und "Essen auf Rädern" kürzen will und zugleich durch jede seiner Reisen nach Florida Kosten von 3,3 Millionen Dollar verursacht, kann sein Sprecher keine Antwort geben. Ihm bleibt nur der Konter: Das ist "weit hergeholt".

Der offizielle @Potus-Account verbreitet Lügen

Diese Pressekonferenzen werden immer mehr zum gereizten Pingpongspiel zwischen Spicer und den Reportern. Eine Journalistin fragt ein weiteres Mal, ob Trump den Vorwurf gegenüber Obama zurücknehmen wolle, wo nun neben dem Kongress auch das FBI und die NSA keine Belege finden können: "Wann hört das endlich auf?" Spicer wiederholt sein Mantra: Die Ermittlungen im Kongress haben erst begonnen, man sei "erst im ersten Kapitel".

Dass Republikaner und Demokraten bei der Anhörung im Senat sehr unterschiedliche Prioritäten haben, wird an diesem Montag deutlich. Die Konservativen wollen vor allem herausfinden, wieso so viele Geheiminformationen an die Presse kommen, wie man die Täter finden könne und betonen stets, dass dies die Sicherheit der USA gefährde. Die Demokraten hingegen tun alles, um mögliche Verbindungen zu Russland aufzudecken. Dieses Katzen-Gif bringt es auf den Punkt.

Weil Donald Trump an diesem Abend in Kentucky ein Event für seine Wiederwahl 2020 absolviert, beendet Spicer nach 45 Minuten das Briefing. Zu dieser Zeit wird gerade bekannt, dass Mitarbeiter von Trump über den offiziellen @Potus-Twitter-Account die Aussagen von FBI-Chef Comey verfälschen - hier wird unzutreffenderweise behauptet, dass Comey einen Einfluss Russlands auf den Wahlvorgang verneint habe. So kommt es zur bizarren Situation, dass ein Abgeordneter dem FBI-Chef die Tweets des Präsidenten vorliest - und dieser dann unter Eid die Sache richtigstellen muss.

Man darf davon ausgehen, dass diese Tweets beim nächsten Pressebriefing von Sean Spicer eine Rolle spielen werden. Wenn er nicht sagen kann oder darf, dass hier entweder Fehler gemacht oder vorsätzlich Lügen verbreitet wurden, dann kann er sich erneut nur in absurde Aussagen flüchten.

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