Theologe Wunibald Müller:Seelsorger der Seelsorger

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Wunibald Müller im Jahr 2011 im Recollectio-Haus in Schwarzach am Main (Foto: dpa)

So gut wie Wunibald Müller weiß wohl keiner, wie es um das Seelenheil der Mitarbeiter der katholischen Kirche bestellt ist. Der Seelsorger promovierte über Homosexualität und die Kirche. Jetzt bittet er Papst Franziskus "inständig", Priestertum und Zölibat zu entkoppeln.

Von Andreas Ross

Wunibald Müller ist selbst Theologe, kennt sehr wohl die katholische Lehrmeinung und auch die Konzilsbeschlüsse. Das hindert ihn aber nicht daran, für die Kirchenoberen Unbequemes deutlich anzusprechen. In einem Brief hat der 63-Jährige jetzt den neuen Papst Franziskus "inständig" gebeten, die nur angelehnte Tür, "die zur Entkoppelung von Priestertum und Zölibat führt", zu öffnen. Das hat sich bisher noch nicht einmal ein deutscher Bischof getraut.

Doch Wunibald Müller ist hoffnungsfroh, denn durch die bisherigen Äußerungen von Papst Franziskus fühlt er sich in seiner Arbeit bestätigt - auch Müller steht im Dienst der katholischen Kirche. Seit mehr als zwei Jahrzehnten leitet er das von acht Bistümern getragene Recollectio-Haus im unterfränkischen Kloster Münsterschwarzach, eine Einrichtung, auf die die Kirche nicht mehr verzichten kann.

Denn was man im Kontext von Weihrauch und wohlmeinenden Predigten gerne übersieht: Auch in einer Kirche sind Priester, Ordensleute oder Mitarbeiter nicht davor geschützt, wie eben andere Menschen auch in eine existenzielle Krise zu geraten. Sei es, dass sie sich selbst überfordern, dass sie sich ausgebrannt und einsam fühlen oder gar Zweifel an der eigenen Tätigkeit aufkommen. Noch schlimmer aber ist es, wenn beispielsweise Priester plötzlich spüren, dass sie - obwohl sie zur Ehelosigkeit verpflichtet sind - eine Beziehung zu einer Frau beginnen oder ihre Homosexualität nicht länger verheimlichen wollen. Für sie ist es meist schwer, in ihrer kirchlichen Umgebung Gesprächspartner zu finden, bei denen sie sicher sein können, dass ihr Problem nicht gleich die Runde macht.

Doktorarbeit als Provokation

Wohl keiner weiß so gut wie Müller, wie es um das Seelenheil des geistlichen Personals in der katholischen Kirche des Landes bestellt ist. Mehr als 1200 Männer und Frauen im Kirchendienst hat er bereits therapeutisch betreut. Gemeinsam mit sechs weiteren Mitarbeitern, darunter auch Müllers Frau Ilse - eine Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie -, versucht er seinen Klienten einen Ausweg aus der Krise zu weisen und ihnen den Freiraum zu verschaffen, seelisch und spirituell aufzutanken.

Die Erfahrungen, die der Psychologe dabei sammeln konnte, haben ihn selbst zu einem steten Mahner in der Kirche gemacht. Der Vater zweier erwachsener Kinder weiß aus den Schilderungen, wie unbarmherzig Kirche sein kann, welches Klima der Angst dort oftmals herrscht und wie viele Pfarrer etwa unter dem Zölibat oder der Unterdrückung ihrer homosexuellen Orientierung leiden.

Wunibald Müller wurde 1950 in Buchen im Odenwald geboren. Er hat in Freiburg, Würzburg und Jerusalem Theologie und Psychologie studiert, und bereits das Thema seiner Doktorarbeit provozierte: "Homosexualität - eine Herausforderung für Theologie und Seelsorge." In Papst Franziskus glaubt er nun den Löser für die Knoten im Kirchengefüge gefunden zu haben.

© SZ vom 31.12.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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