Machtwechsel im Krisenstaat Thailand:Erdrutschsieg für die Rothemden

Die Opposition hat die Wahl in Thailand überraschend deutlich gewonnen. Nun könnte Yingluck Shinawatra von der Partei der Rothemden Ministerpräsidentin werden - wenn das Militär sich nicht erneut einmischt. Seit ihr Bruder Thaksin vor fünf Jahren weggeputscht wurde, ist das Land in der Krise.

Tobias Matern, Bangkok

Es ist sein Albtraum, der nun Realität werden könnte. Der Student Terapat, der seine Stimme gerade im improvisierten Wahllokal auf einem Parkplatz der Thonglor-Straße im Zentrum Bangkoks abgegeben hat, erzählt über die politische Lage in Thailand, wie polarisiert alles sei und dass es dringend "gute Anführer" brauche, um aus der politischen Dauerkrise zu kommen. Wen er für das genaue Gegenteil eines guten Anführers hält, lässt Terapat auch noch wissen: "Ich kann Thaksin nicht ertragen."

Machtwechsel im Krisenstaat Thailand: Yingluck Shinawatra feiert ihren Sieg - sie könnte nun die erste Ministerpräsidentin Thailands werden.

Yingluck Shinawatra feiert ihren Sieg - sie könnte nun die erste Ministerpräsidentin Thailands werden.

(Foto: AFP)

Das sieht die Mehrheit seiner Landsleute offenbar anders. Bei der Parlamentswahl am Sonntag hat die Partei einen deutlichen Sieg erzielt, die mit dem Slogan geworben hat: "Thaksin denkt, Pheu Thai handelt." Yingluck Shinawatra, die jüngste Schwester des im Jahr 2006 vom Militär aus dem Amt geputschten Ex-Premiers Thaksin, führte die Pheu Thai an, deren Machtbasis die sogenannten Rothemden sind. Der gestürzte Politiker hatte sie seinen "Klon" genannt.

Am Abend feierten Anhänger der Pheu Thai auf den Straßen Bangkoks, noch bevor das Endergebnis feststand. Nach der Auszählung von 98 Prozent aller abgegebenen Stimmen durch die Wahlkommission erhielt die bisherige Oppositionspartei 264 der 500 Sitze im Parlament. Sie wäre demnach auf keinen Koalitionspartner angewiesen.

"Es ist ein Erdrutschsieg" titelte die Bangkok Post. Die von Premierminister Abhisit Vejjajiva angeführte Demokratische Partei kam nur auf 163 Mandate. Yingluck Shinawatra reagierte am Abend dennoch zurückhaltend: "Ich werde heute noch nicht sagen, dass wir gewonnen haben, aber die Menschen haben uns eine Chance gegeben. Vor uns liegt eine Menge harter Arbeit", sagte sie.

Regierungschef Abhisit fand hingegen deutlichere Worte. Er gestand am Abend seine Niederlage ein und rief das Land zur Einheit und Aussöhnung auf. "Ich gratuliere der Pheu-Thai-Partei zu ihrem Recht, nun die Regierung bilden zu können", sagte er. Seine Demokratische Partei werde ihre Rolle als Opposition annehmen.

Bei seinen Mitstreitern herrschte Fassungslosigkeit vor. Er könne das niederschmetternde Ergebnis "nicht verstehen", sagte Vize-Regierungschef Suthep Thaugsuban. "Wenn das Volk will, dass unser Land sich in diese Richtung bewegt, muss ich kapitulieren."

Die Demokraten hatten seit fast zwei Jahrzehnten keine Parlamentswahl mehr gewonnen. Ihre jetzige Regierung war zustande gekommen, als ein Gericht im Jahr 2008 Thaksins Schwager, der zuvor die Wahlen gewann und Regierungschef war, abgesetzt hatte und die Demokraten von Überläufern profitierten - angeblich mit tatkräftiger Unterstützung des Militärs.

Das Militär und seine "Hassfigur"

Die 44-jährige Unternehmerin Yingluck Shinawatra hat nun eine stabile Mehrheit, um sich vom Parlament zu Thailands erster Premierministerin wählen zu lassen - wenn das Militär sich nicht erneut einmischt. Zwar hatte der Armeechef unmittelbar vor der Abstimmung erklärt, die Streitkräfte würden das Ergebnis respektieren. Aber genau wie die alteingesessene Bangkoker Elite sehen auch viele hochrangige Vertreter der Armee in Thaksin "eine Hassfigur", wie es ein politischer Beobachter in Bangkok ausdrückt.

Seit Thaksins Sturz vor fünf Jahren ist das Land tief gespalten. Zunächst hatten seine Gegner 2008 den Flughafen besetzt und damit den Weg geebnet für die Regierung von Abhisit. Im vergangenen Mai hatten dann die Rothemden, die Thaksin in weiten Teilen unterstützen, in Bangkok Einkaufszentren belagert und den Rücktritt Abhisits gefordert. Als der Premier nach wochenlangen Protesten die Armee einsetze, um die Demonstrationen aufzulösen, starben 92 Menschen. Bis jetzt ist es zu keiner detaillierten Aufarbeitung der Vorfälle gekommen.

Thaksin meldete sich am Sonntagabend aus dem Exil zu Wort. Er stand zwar nicht zur Wahl, hat aber die Abstimmung massiv beeinflusst. Das Militär solle darauf hören, was die Leute denken, sagte er der BBC selbstbewusst. Er habe "keine Eile", wenn es um seine Rückkehr nach Thailand gehe. Zumindest diese Ankündigung wird der Student Terapat gerne gehört haben.

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