Süddeutsche Zeitung

Wahlen in Thailand:"Lasst die Kultur des Putschens Geschichte sein"

Lesezeit: 3 min

Thanathorn Juangroongruangkit macht erst seit einigen Monaten Politik, gehört aber jetzt schon zu den wichtigsten Herausforderern der Militärregierung in Thailand. Vor allem bei den Jüngeren ist er beliebt.

Interview von Arne Perras, Bangkok

Die Jugend feiert ihn wie einen Rockstar. Thanathorn Juangroongruangkit hat die politische Arena in Thailand erst vor wenigen Monaten betreten, aber der 40-Jährige ist längst dabei, die politische Landschaft umzupflügen. Er will sein Land aus den alten Grabenkämpfen herausführen und opponiert gegen die Militärregierung. Seine Partei Anakot Mai - "Vorwärts in die Zukunft" - dürfte vor allem bei den sieben Millionen Erstwählern punkten.

Thanathorn stammt aus einer der reichsten Familien, er führte das Unternehmen Thai Summit Group, das mit Autozubehör Milliarden umsetzt. Als Vertreter der privilegierten Oberschicht verspricht er seinen Anhängern, alle Kraft zum Wohle der übrigen 99 Prozent der Bevölkerung einzusetzen. Die regierenden Generäle betrachten den furchtlosen Neuling mit Argwohn, weil er in kürzester Zeit sehr populär geworden ist.

SZ: Herr Thanathorn, am Sonntag sind mehr als 51 Millionen Bürger in ihrem Land aufgerufen, ein Parlament zu wählen, erleben wir nach fünf Jahren Junta nun die die Rückkehr der Demokratie?

Thanathorn Juangroongruangkit: Nein. Oder wie soll ich das sagen. Es ist ein erster Schritt zurück zur Demokratie, aber keine volle Rückkehr. Wir werden keine vollständige Demokratie bekommen nach dieser Wahl. Aber sie ist ein gutes Zeichen, ein guter Anfang, würde ich sagen.

Wird die Abstimmung die Regierung des Militärs beenden? Oder werden sich die Parteien mit den Generälen arrangieren müssen?

In der Politik muss man Kompromisse schließen. Wir verstehen das. Aber das Prinzip muss klar sein: Die Fortsetzung der Militärregierung muss aufhören. Und die Verfassung von 2017 muss geändert werden. In dieser Frage können wir keine Kompromisse machen. Unser erstes Ziel lautet, die Rückkehr einer Militärregierung in demokratischem Gewand zu verhindern.

Die Verfassung von 2017 schwächt die Parteien und stärkt die politische Rolle des Militärs. Erleben Sie ein faires Rennen?

Natürlich nicht. Dies sind definitiv keine fairen und freien Wahlen. Die Militärregierung kann die Senatoren ernennen, sie haben das Verfassungsgericht auf ihrer Seite...

...und gegen Sie wurde auf Antrag der Militärregierung Anklage wegen eines Facebook-Posts erhoben.

Das ist richtig. Ich denke, das ist politisch motiviert. Laut Artikel 14 des Gesetzes für Computerverbrechen kann ins Gefängnis kommen, wer falsche Informationen hochlädt, die öffentliche Panik verursachen oder die nationale Sicherheit betreffen. Die Information, die ich ins Internet hochgeladen habe, war nicht falsch. Es war eine Kritik.

In Berichten heißt es dazu, Sie hätten kritisiert, dass das Militär versuche, prominente Politiker für sich zu gewinnen.

Ich habe gesagt, was auch viele Medien berichtet haben. Es war nicht falsch, außerdem hat es keine öffentliche Panik ausgelöst und betrifft auch nicht die nationale Sicherheit. Für uns ist klar, es handelt sich um eine Drohung.

Es scheint, dass viele junge Leute nun große Hoffnungen in Sie setzen. Was ist eigentlich neu an Ihrer Politik?

Ich sage die Wahrheit. Ich sage: Wenn man zur Demokratie zurück möchte, dann muss man an die Wurzel gehen. Kein Politiker hat vorher darüber geredet, die Armee zu reformieren. Bevor wir diese Partei vor einem Jahr gründeten, wer hätte da gedacht, dass Reformen des Militärs auf der öffentlichen Tagesordnung stehen könnten. Dies ist unser Erfolg. Man muss verstehen: Wenn man über die Armee und über die Kultur des Putschens redet, dann geht es nicht nur um die Armee, sondern auch um deren Verbündete. Unsere Botschaft ist klar: Lasst die Kultur des Putschens Geschichte sein.

Aber hat die Rolle des Militärs nicht auch damit zu tun, dass Thailand so tief gespalten ist? Wie wollen Sie diese Kluft denn überbrücken?

Im Moment ist die Linie senkrecht gezogen, hier eine Gruppe, dort eine Gruppe. Wir wollen eine waagerechte Linie ziehen. Das Volk im Ganzen gegen das korrupte Regime. Es ist ja kein Zufall, dass wir gespalten sind, das ist beabsichtigt. Sie spalten uns, um einen Vorwand zu haben, zu putschen.

Wo ordnen Sie sich im politischen Spektrum ein? Sind Sie ein Liberaler? Oder ein Sozialist?

Wir stehen links von der Mitte, aber dieses politische Spektrum ist zu modern für dieses Land. In diesem Land geht es darum, ob wir Demokratie haben oder nicht. Wenn sie keine Demokratie haben, ist es sehr schwer zu sagen, sie sind links oder rechts. Wir wollen Wandel, wir sagen Nein zum Establishment. Aber wir leben unter einer Militärregierung, wo es keine freie Rede und keine Versammlungsfreiheit gibt. Das ist der Unterschied zu liberalen Gesellschaften, wie sie in Europa existieren.

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