Thailand:Verschanzt in Bangkoks Straßen

Thailands Opposition wächst und kämpft immer entschlossener gegen die Regierung - die Stimmung ist explosiv.

Tobias Matern

Sie haben sich wieder verschanzt, hinter Barrikaden aus Bambus und Autoreifen. Die Rothemden gaben sich am Freitag unbeugsam, auch nach dem neuen Gewaltausbruch in Bangkok legten sie einen Teil der thailändischen Hauptstadt lahm. Aufforderungen der Sicherheitskräfte, das Gebiet zu räumen, ignorierten die Oppositionellen.

Thailand; Getty

Ein thailändischer Polizist steht vor Barrikaden, die von Rothemden errichtet wurden.

(Foto: Foto: Getty)

Sie rückten allerdings von einer ihrer Maximalforderungen ab: Das Parlament solle nun innerhalb von 30 Tagen aufgelöst werden, sagte einer ihrer Anführer. Bisher wollten sie dies sofort. "Wir werden erst weichen, wenn die Regierung zurückgetreten ist und Neuwahlen ausgerufen werden", sagte ein Demonstrant.

Am Donnerstag war mindestens eine Frau an nach einer Granaten-Explosion gestorben, mehr als 80Menschen wurden verletzt. Die Regierung bezichtigte die Rothemden, für die Eskalation der Gewalt verantwortlich zu sein, was diese zurückwiesen. Die Situation sei "extrem explosiv", sagte ein Beobachter am Freitag.

Vor sechs Wochen hatte die Auseinandersetzung in Thailand begonnen, als Zehntausende Anhänger des 2006 vom Militär gestürzten Premierministers Thaksin Shinawatra aus den ländlichen Regionen im Norden und Nordosten nach Bangkok kamen, um gegen die Regierung zu protestieren.

Aus ihrer Sicht ist Premierminister Abhisit Vejjajiva illegal an die Macht gekommen, weil er keine Wahlen gewonnen hat, sondern seine Partei durch Überläufer und mit Hilfe des Militärs die Führung übernommen hatte. Die Regierung bezeichnete die Proteste schon früh als illegal, rief bald danach den Notstand aus und nennt manche Demonstranten nun immer wieder "Terroristen" - ohne auch nur einen Schritt bei der Lösung des Problems voranzukommen.

Vor zwei Wochen hatten Polizei und Militär erstmals versucht, die Kundgebungen in Bangkok aufzulösen. Dabei war es zu Straßenschlachten gekommen, denen mindestens 25 Menschen zum Opfer fielen, mehr als 800 weitere wurden verletzt.

Auch wenn das Land schockiert auf die Vorfälle reagierte, zu einem Ende der Proteste haben sie nicht geführt, im Gegenteil. Es seien weiterhin so viele Demonstranten auf den Straßen Bangkoks unterwegs, dass die Sicherheitskräfte die Ansammlung nicht auflösen könnten, ohne ein großes Blutvergießen zu riskieren, sagte ein ausländischer Diplomat am Freitag in Bangkok.

Und die Oppositionellen seien entschlossener denn je: "Inzwischen geht es den Rothemden um mehr, als ausschließlich die Regierung zu stürzen, sie stellen ein seit Jahrzehnten gültiges System infrage", sagte er. Demnach teilen sich die royalistische Bürokratie, das Militär und die urbane Elite die Macht in Thailand. Thaksin ist für diesen Teil der Gesellschaft eine regelrechte Hassfigur.

Viele benachteiligte Thais verehren ihn hingegen noch immer, weil er Sozialprogramme für sie auflegte und eine günstige Krankenversicherung einführte. Zwar agierte er keineswegs wie ein Musterdemokrat, und nicht nur Gegner unterstellen ihm, während seiner Regierungszeit habe die Korruption gewuchert.

Warnung vor Reisen nach Thailand

Dennoch ist der im Exil lebende Ex-Premier der zentrale Fixpunkt vieler Demonstranten. Offenbar finanziert er die bestens organisierten Proteste mit. Inzwischen gehe die Bewegung über Thaksin hinaus, auch Intellektuelle und Menschen aus der Mittelschicht hätten sich angeschlossen und forderten mehr Demokratie ein, sagte der Diplomat.

Ihnen unversöhnlich gegenüber stehen nun nicht mehr nur die Sicherheitskräfte, sondern auch immer mehr Gegen-Demonstranten. Augenzeugen berichten, dass sich beide Seiten mit Steinen und Flaschen beworfen hätten. Die UN appellierten an die Rothemden und das Regierungslager, auf weitere Gewalt zu verzichten.

Zahlreiche Staaten warnen inzwischen vor Reisen nach Bangkok. Auch das Auswärtige Amt in Berlin verschärfte seinen Sicherheitshinweis. Das australische Außenministerium teilte mit, es bestehe "die große Wahrscheinlichkeit neuer gewaltsamer Auseinandersetzungen".

Der Konflikt wird von der zentralen Frage überlagert, wie es mit der Monarchie in dem Land weitergeht - auch wenn Diskussionen darüber in Thailand tabu sind. König Bhumibol, seit 1946 auf dem Thron, wird zwar von vielen Thais als Vater der Nation verehrt, aber das schwerkranke Staatsoberhaupt greift in den Konflikt nicht ein. Sein Sohn, der wahrscheinliche Thronfolger, genießt im Volk nicht die unantastbare Autorität seines Vaters. Aus dem Palast hieß es am Freitag lediglich, es werde Geld für die medizinische Versorgung der Verletzten sowie für Bestattungen bereitgestellt.

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