Thailand:"Sie können uns nicht stoppen"

Pro-Democracy Protests Continue Across Thailand

Die Demonstranten in Bangkok strecken drei Finger in die Luft. Ein Zeichen des Widerstands aus dem Film "Die Tribute von Panem".

(Foto: Getty Images/Getty Images)

Junge Thailänder demonstrieren gegen das Militärregime, trotz Haftbefehlen und Einschüchterungsversuchen. Die führungslose Bewegung organisiert sich vor allem über soziale Medien.

Von Arne Perras

München - Die Liebe zum Selfie ist groß in Thailand, aber in diesen Tagen ist dies eine gefährliche Pose geworden für junge Leute, zumindest dort, wo protestiert wird. Ein gepostetes Selfie aus der demonstrierenden Menge, das ist nun ein Statement, das die Militärregierung als "Gefahr für die Staatssicherheit" einstuft, ein strafbarer Akt, der ins Gefängnis führen kann; wie so vieles anderes auch auf den unruhigen Straßen von Bangkok.

Seit Tagen schon gehen junge Leute auf die Straße, der Staat reagierte mit Härte und Dutzenden Festnahmen. Die am Freitag ausgerufene Notstandsverordnung verbietet Versammlungen von mehr als vier Personen, Premier Prayuth Chan-ocha, das Gesicht des Militärputsches von 2014, verschärft zugleich die Zensur im Internet, die Regierung lässt mehrere Internet-Plattformen wegen ihrer Presseberichte untersuchen, der Vorwurf lautet, sie bedrohten "die nationale Sicherheit oder die guten Sitten". Am Dienstag sperrten sie in einem ersten Schritt den Sender Voice TV. Die Justiz erließ inzwischen auch Haftbefehle gegen zwei junge Männer, die vergangene Woche einen Protest gegen Königin Suthida angeführt haben sollen, Ekkachai Hongkangwan und Bunkueanun Paothon, ihnen droht im schlimmsten Fall lebenslange Haft laut einem Paragrafen, der Gewalt gegen die Königin ahnden soll.

Die Militärregierung behauptet, Demonstranten hätten vergangene Woche versucht, die Wagenkolonne der Königin zu blockieren, was Aktivisten bestreiten. Videos dokumentieren, wie Demonstranten am Straßenrand der Königin in ihrer Limousine drei Finger entgegenstreckten, Zeichen des Widerstands aus dem Film "Die Tribute von Panem".

Eine, die sich nun wieder bereit macht für den täglichen Protest, ist Jennita Juntawongsa, eine Studentin der politischen Wissenschaften. Man erreicht sie am Nachmittag telefonisch in Bangkok, sie packt gerade Regenmantel, Schutzbrille und Essen zusammen. Sie und die anderen organisieren sich über soziale Medien, wechseln öfter die Kanäle, nutzen derzeit Twitter und Telegram. "Der Aufruf kann jederzeit kommen, und dann bin ich wieder dabei", sagt sie. Auch scheut sie sich nicht, offen über ihre Forderungen zu sprechen, zu denen auch eine Reform der Monarchie gehört. Auch das drakonische Gesetz zur Majestätsbeleidigung gehöre abgeschafft, sagt sie.

Dass die Regierung nun einen Angriff auf die Königin unterstelle, sei womöglich nur ein Mittel, um die Leute einzuschüchtern, sagt sie. Letzte Woche setzte die Polizei Tränengas und Wasserwerfer ein, "da hatte ich schon ein wenig Angst", sagt die Studentin. "Aber sie können uns nicht stoppen. Denn noch mehr Angst haben wir davor, dass die Militärregierung bleibt und es mit unserem Land immer weiter bergab geht."

Thailands König Rama X. kehrt von Bayern nach Bangkok zurück

Sie war noch ein Schulmädchen, als die Armee 2014 putschte, die folgenden Jahre waren prägend. "Ich habe gesehen, wie sich die Lage der Menschenrechte in unserem Land verschlechtert hat." Sie und ihre Mitstreiter wollen, dass der Staat jeden Bürger mit Respekt behandelt. Nach den Wahlen war die Future Forward Party ihre große Hoffnung. Aber dann wurde sie auf Betreiben der Regierung aufgelöst, was ihr zeigte, dass es das Militär nicht ernst meint mit der Demokratie. Auch ein prominenter Dissident im Ausland ist verschwunden, was viele alarmiert.

Was der König wirklich wolle, ist für sie und andere schwer erkennbar, oft sei er ja gar nicht im Lande, sagt die Studentin. Rama X. verbrachte seine Zeit zuletzt lieber in Bayern, das sah dann so aus, als kümmere ihn das alles nicht, was zu Hause geschah. Doch seit einigen Tagen ist er zurück in Bangkok, was dafür spricht, dass die Lage auch an oberster Stelle als sehr ernst eingeschätzt wird.

Unter Demonstranten ist die Sicht verbreitet, dass die Militärregierung sich nur so viel herausnehmen konnte in all den Jahren, weil sie den Monarchen hinter sich wusste. Nach den Festnahmen führender Aktivisten sagt die Studentin: "Wir sind jetzt eine Bewegung ohne Führung." Sie ließen sich aber vom ausgerufenen Notstand nicht beeindrucken. "Denn der Schritt ist illegitim." Um sich besser zu koordinieren, nutzen die Demonstranten neuerdings eine Reihe von Handzeichen, die teils schon bei den Protesten in Hongkong gesichtet wurden. Gekreuzte Hände stehen für Gefahr, ein kreisender Finger: Lauf weg. Geballte Faust mit dem kleinen Finger senkrecht: Brauche Wasser.

Während die Jugend ihre Zeichensprache für die Straße einübt, hat Premier Prayuth signalisiert, er befürworte eine Sondersitzung des Parlaments, um einen Ausweg aus der Krise zu finden. Zugleich aber machte er deutlich, was er als oberste Aufgabe betrachtet: den Schutz der Monarchie. Und einen Rücktritt, wie ihn Demonstranten fordern, weist er zurück.

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