Es klingt nach Agentenfilm, was sich am Dienstag in Bangkok abspielte. Tatsächlich ist es vermutlich ein politisches Attentat, ausgeführt in einem anderen Land, von einem gedungenen Mörder. Auf einem Überwachungsvideo sieht man, wie ein Mann ganz ruhig sein Motorrad in der Nähe eines Tempels beim Königspalast abstellt, seinen Helm abnimmt und über die Straße geht. Dann hört man Schüsse, ein anderer Mann geht zu Boden, der Killer geht zu seiner Maschine zurück und fährt davon.
Bei dem Ermordeten handelt es sich um Lim Kimya, 74, ehemaliger Parlamentsabgeordneter und Mitglied der wichtigsten Oppositionspartei Kambodschas, die 2017 verboten wurde. Lim war erst wenige Stunden zuvor mit einem Bus aus Siem Reap in Kambodscha in der thailändischen Hauptstadt angekommen. „Er wurde vor den Augen seiner Frau und seines Bruders erschossen“, schrieb die Bangkok Post, „ein Polizist versuchte, ihn wiederzubeleben. Ein kleiner, blauer Koffer lag in der Nähe.“
Der mutmaßliche Täter und ein Spotter wurden gefasst
Das Motorrad des Mörders wurde wenig später an einer Tankstelle in der Gegend von Suan Luang aufgefunden, einem Außenbezirk der 15-Millionen-Stadt Bangkok, Touristen durch den „Train Market“ bekannt, auf dem die Händler ihre Stände hochklappen müssen, wenn ein Zug vorbeifährt. Von dort flüchtete der mutmaßliche Täter mit einem Taxi weiter, das ihn in die Provinz Sa Kaeo brachte, an der Grenze zu Kambodscha. Dort wurde er am Mittwochnachmittag gegen 16.30 Uhr festgenommen, in einem Restaurant sitzend, und in die kambodschanische Hauptstadt Phnom Penh überstellt.
Die thailändische Polizei gab an, dass der Verdächtige Thailänder und als „Sergeant Em“ bekannt ist. Der 41-Jährige habe früher im Marinekorps gedient und arbeite derzeit als Motorradtaxifahrer. Er ist vorbestraft. Ob er eine Verbindung zum Getöteten hat? Dazu wurde nichts bekannt gegeben. Doch die Polizei veröffentlichte später noch ein Bild aus dem Überwachungsvideo, das einen sogenannten Spotter zeigt, einen Kambodschaner, der mit demselben Bus angereist war wie Lim Kimya. Er soll dem Killer gezeigt haben, auf wen er schießen muss.

Lim Kimya war Mitglied der Kambodschanischen Nationalen Rettungspartei (CNRP), die erst 2012 gegründet und vor den Wahlen 2018 von einem Gericht unter konstruiert wirkenden Verratsvorwürfen aufgelöst wurde, vermutlich, weil sie zu populär geworden war. Hun Sen, fast 40 Jahre an der Macht im armen Kambodscha, ging immer rücksichtslos gegen seine Gegner vor und schreckte angeblich auch vor Mordaufträgen nicht zurück. Im Jahr 2023 übergab er sein Amt an seinen ältesten Sohn Hun Manet. Zahlreiche Politiker und Aktivisten wurden in den vergangenen vier Jahrzehnten zu Haftstrafen verurteilt, viele davon in Abwesenheit, Hunderte flohen ins Exil.
Steckt die kambodschanische Regierung hinter der Tat?
So erging es auch den CNRP-Gründern. Kem Sokha wurde nach dem Verbot der Partei verhaftet und im Jahr 2023 wegen Hochverrats zu 27 Jahren Gefängnis verurteilt – eine Anklage, die er stets bestritten hat. Er steht derzeit unter Hausarrest. Partei-Mitgründer Sam Rainsy lebt im Exil in Frankreich. Doch obwohl auch Lim Kimya die französische Staatsbürgerschaft besitzt, wollte er nach dem Verbot der Partei in Kambodscha bleiben. „Er war mutig und hatte einen unabhängigen Geist“, sagte Monovithya Kem, die Tochter von Kem Sokha, der BBC über Lim Kimya. „Niemand außer dem kambodschanischen Staat hätte ihn töten wollen.“
„Die kambodschanische Regierung überwacht und schikaniert ehemalige CNRP-Mitglieder – auch solche, die im benachbarten Thailand im Exil leben“, erklärte Bryony Lau, stellvertretende Asien-Direktorin bei Human Rights Watch, am Mittwoch. „Die thailändischen Behörden sollten umgehend und gründlich ermitteln und die Verantwortlichen strafrechtlich verfolgen.“ Kate Schuetze, stellvertretende Regionaldirektorin von Amnesty International, sagte: „Die rechtswidrige Tötung des ehemaligen Oppositionsabgeordneten Lim Kimya, der ein lautstarker Kritiker der kambodschanischen Regierung war, ist zutiefst alarmierend.“
Der kambodschanische Regierungssprecher Pen Bona hingegen sagte der Nachrichtenagentur Reuters, die Tötung sei eine Angelegenheit der thailändischen Behörden, „Kambodscha ist nur für das verantwortlich, was auf seinem Territorium geschieht, nicht für das, was in anderen Ländern geschieht“. Die kambodschanische Regierung werde oft von „Extremisten“ der Opposition beschuldigt, hinter solchen Vorfällen zu stecken.
Menschenrechtsgruppen vermuten, dass es ein ungeschriebenes Abkommen zwischen den vier Nachbarländern Thailand, Vietnam, Laos und Kambodscha gibt, das es den Sicherheitskräften der jeweils anderen Länder erlaubt, Flüchtige über die Grenze zu verfolgen. Im vergangenen November schickte Thailand zudem sechs kambodschanische Dissidenten nach Kambodscha zurück, wo sie inhaftiert wurden. Es wurden auch schon thailändische Anti-Monarchie-Aktivisten in Laos entführt, vermutlich von thailändischen Sicherheitskräften, die außerhalb der eigenen Grenzen operierten.
Gleichzeitig hat Thailand erst im vergangenen Oktober nach jahrelangen intensiven Bemühungen einen Sitz im UN-Menschenrechtsrat erhalten. Das Land steht nun unter Druck zu zeigen, dass es in der Lage ist, die Hintermänner eines solchen Attentats in der eigenen Hauptstadt vor Gericht zu stellen.