Thailand:Im Trippelschritt zu freudiger Harmonie

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Nach wochenlangen Protesten gegen die Monarchie begibt sich König Rama X. in Bangkok in eine Menschenmenge. Er begegnet allerdings nur treuen Anhängern.

Von Arne Perras, München

Sie schwenkten nationale Fähnchen, manche warteten sieben Stunden darauf, dass sich Seine Majestät Rama X. doch noch im Freien nahe dem Palast zeigen würde. Das Wochenende in Bangkok stand dieses Mal ganz im Zeichen der gelben Hemden, das sind die Verehrer des thailändischen Königs. Die Bilder bildeten einen starken Kontrast zu den Tagen zuvor, an denen protestierende Studenten durch die Straßen zogen. Unter den jungen Thailändern gibt es viele, die eine Reform der Monarchie fordern, was vor allem für ältere, traditionell denkende Bürger undenkbar erscheint.

Es war schon dunkel, als Maha Vajiralongkorn die Nähe zur loyalen Menge suchte, Filmaufnahmen zeigten den Monarchen ganz nah, in strahlend weißer Uniform; an seiner Seite, den Arm eingehängt, seine Frau Suthida in grauem Kleid, sie trug eine lange Perlenkette um den Hals. Flankiert war das Paar von Hofbediensteten, die sich meist in der Hocke fortbewegten, wie es der Respekt laut Hofprotokoll gebietet. Lächelnd und winkend arbeitete sich das Paar in Trippelschritten voran. "Lang lebe der König, lang lebe der König!", hallten Rufe über den Platz nahe dem Palast, wie auf Fernsehaufnahmen zu hören war.

"Wir lieben sie trotzdem", sagte König Rama X. über seine Kritiker, als er sich mit Königin Suthida in der thailändischen Hauptstadt Bangkok unter das Volk begab, was höchst ungewöhnlich ist. (Foto: Wason Wanichakorn/AP)

Schließlich ließ sich der Monarch sogar auf zwei Fragen ein, die ihm ein britischer Reporter - dunkler Anzug, gelbe Krawatte - im Lärm der Menge zurief. "Die Leute hier lieben Sie", begann der Reporter in englischer Sprache, aber was sage der König zu all den Leuten, die protestierten und Reformen forderten? Zunächst erwiderte der Monarch darauf nur: "Kein Kommentar." Aber dann überlegte er es sich nochmal anders. "Wir lieben sie trotzdem", schob er hinterher. Exakt diesen Satz wiederholte er zwei weitere Male, als handele es sich dabei um den Refrain eines Liedes.

Völlig unerwartet gibt der Monarch in einem Interview ein politisches Statement ab. Er spricht von Kompromiss. Nur welchem?

"Gibt es Raum für Kompromiss?", lautete die zweite und letzte Frage. "Thailand ist das Land des Kompromisses", antwortete der König, bevor er sich abrupt abwandte. Er blickte sich um, und nun sah es in den Aufnahmen vom Interview für die Sender Channel Four und CNN so aus, als wolle der König doch dringend den Ort wechseln. Schon das Bad in der Menge war keineswegs alltäglich. Dass der Monarch schließlich im Interview ein politisches Statement abgeben würde, hatte keiner erwartet.

Offenkundig war, dass der König unter wachsendem Druck die Notwendigkeit sah, ein Bild freudiger Harmonie zu vermitteln. Thailands Monarch, umringt vom begeisterten Volk. In örtlichen Medien wurde unterdessen bald diskutiert, wie es kommen konnte, dass ein Reporter, ohne sich vor dem König zu verneigen, geradeheraus spontane Fragen stellen konnte. Bislang galt auch dieses als undenkbar.

Übrig blieben zwei knappe, versöhnlich klingende Sätze des Monarchen, die viele Spekulationen darüber provozieren dürften, was Rama X. mit "Kompromiss" eigentlich genau meinte. Reformen des Systems? Oder doch eher einen Rücktritt von Premier Prayuth Chan-ocha, wie ihn die Demonstranten fordern? Die Thailänder warten nun darauf, ob den überraschenden Worten bald Taten folgen werden.

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